In der Politik wird wieder diskutiert: Soll das Agrar-Gentechnik-Verbot aufgeweicht werden? Im landwirtschaftlich geprägten Landkreis Kitzingen sind die Bedenken seit jeher groß: Bei den Anti-Genmais-Demonstrationen vor 15 Jahren spielte Kitzingen eine Hauptrolle. "Es ist Zeit, wieder aufzustehen", sagen Edith Sachse und Petra Haas-Weiglein von der Initiative "Wir für Vielfalt".
Petra Haas-Weiglein: Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen ist – dank der Proteste vieler Organisationen auch hier in der Region – seit über einem Jahrzehnt in Deutschland verboten. Doch Wissenschaftler haben inzwischen neue Bio-Technologien entwickelt, die sogenannte neue Gentechnik (NGT), die präziser ist und deshalb weniger risikoreich sein soll. Allerdings darf Präzision auf keinen Fall mit Sicherheit verwechselt werden: Die Steuerung von Genen gilt nach wie vor als hoch komplex und auch bei den neuen Verfahren können unerwartete Effekte in den manipulierten Organismen auftreten.
Edith Sachse: Ziel von Industrie und Wissenschaft ist es nun, auch in die praktische Anwendung zu gehen, was bisherige Gesetze aber verhindern. Auf Druck der Befürworter aus Wissenschaft und Industrie plant die Europäische Kommission jetzt allerdings, die NGT zu "deregulieren", das heißt: wie herkömmliche Züchtung zu behandeln. Das würde bedeuten, es gäbe keine Risikoprüfung, kein Zulassungsverfahren, keine Kennzeichnungspflicht und auch keine Rückverfolgbarkeit mehr für diese im Labor erzeugten Organismen.
Haas-Weiglein: Aus unserer Sicht ist das unverantwortlich. Eine Gentechnik-freie Lebensmittelerzeugung wäre nicht mehr möglich.
Sachse: Die alte Technologie arbeitet recht unpräzise. Mittels einer Gen-Kanone wird das Genom beschossen und dabei werden neue Gen-Fragmente an einer unbestimmten Stelle eingebaut.
Die neue Technologie ist präziser. Mit der sogenannten Genschere CRISPR/Cas wird die DNA an einer bestimmten Stelle aufgeschnitten und es können dort Gene entfernt, blockiert, verändert oder eingefügt werden. Man nennt das "Genom Editing". Außerdem können mit Hilfe der Genschere die natürlichen Reparaturmechanismen der Zelle verhindert werden. Mit der CRISPR/Cas-Technologie lassen sich Organismen in einem weit größeren Umfang umbauen, als dies mit herkömmlicher Züchtung möglich ist.
Sachse: Aus wissenschaftlicher Sicht sind die neuen Methoden schon revolutionär. Das Ergebnis, ein Organismus, dessen genetische Ausstattung im Labor verändert wurde, bleibt aber dasselbe. Dazu muss man wissen, dass sich im Laufe der Evolution molekulargenetische Mechanismen in den Zellen entwickelt haben, die normalerweise darüber entscheiden, was im Erbgut passiert. Die Evolution folgt nicht blind den Regeln des Zufalls. Es gibt Reparaturmechanismen und besonders geschützte Bereiche im Erbgut, die als "Leitplanken" dienen. Doch die NGT kann diese überwinden und neue biologische Eigenschaften hervorbringen, die in der Natur oder durch herkömmliche Züchtung niemals entstanden wären.
Haas-Weiglein: Das kann fatale Folgen haben. Das öffentlich gezeichnete Bild der "Präzisionschirurgie" im Genom entspricht nicht dem Stand des Wissens. Dies belegen zahlreiche aktuelle Publikationen zu fehlerhaften und unerwünschten Veränderungen im Erbgut als Nebenwirkung der gezielten gentechnischen Veränderung.
Haas-Weiglein: Ein Beispiel, wie schnell etwas schief gehen kann, ist der Fall der hornlosen Rinder in den USA. Mittels NGT wurde 2015 einer Rinderrasse ein Gen für Hornlosigkeit eingefügt. Mehrere Jahre lang wurden die hornlosen Rinder als Erfolg der NGT gefeiert, bis man 2019 feststellte, dass aus Versehen auch ein Bakterien-Gen mit übertragen wurde, das eine Antibiotikaresistenz auslösen kann. Alle Rinder mussten getötet werden.
Sachse: Auch ein aktuelles Beispiel: Forscher in Israel haben Hühner per CRISPR/Cas gentechnisch so verändert, dass keine männlichen Nachkommen schlüpfen. Dabei soll nur an die männlichen Nachkommen ein tödliches Gen weitergegeben werden, welches den Küken-Embryo schon im Ei absterben lässt. Gleichzeitig sollen sich die weiblichen Nachkommen normal entwickeln. Es wird behauptet, dass diese Technologie zu 100 Prozent sicher sei und im Erbgut der Legehennen keine artfremden Gene mehr zu finden seien. Sicherheit allein aus dieser Tatsache abzuleiten, ist schon mehr als Russisches Roulette. Dafür ist der Eingriff in die DNA mit möglichen Wechselwirkungen viel zu komplex.
Sachse: Wenn die NGT von den geltenden Gentechnik-Regelungen ausgenommen würde, käme es zu einem unkontrollierten Einsatz von Gentechnik auf unseren Äckern und in unseren Ställen. Es wäre danach unmöglich, die neuen Organismen zu identifizieren, sie zurückzuverfolgen, Daten zur Überprüfung von Risiken zu erheben, geschweige denn eine unkontrollierte Ausbreitung zu vermeiden. Bei der Erzeugung von Lebensmitteln könnten sich unbemerkt Risiken einschleichen. Eine gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion wäre nicht mehr möglich.
Haas-Weiglein: Wir sollten unseren Landwirten endlich wieder vernünftige Preise für ihre Erzeugnisse zahlen und ihnen damit die Möglichkeit geben, auch mit kleineren bäuerlichen Betrieben zu überleben. Sie müssen "es sich leisten können", auch weiterhin sorgsam in Einklang mit der Natur zu arbeiten, anstatt in die Wachstumsspirale getrieben zu werden, die sie letztendlich in die Abhängigkeit von einigen wenigen Großkonzernen führt. Wir alle, Menschen, Tiere und die Natur, brauchen keine Agrarfabriken, sondern sorgsam wirtschaftende Landwirtschaft.
Wie hat man denn frueher neue Sorten gezuechtet? Ganz einfach: man hatte eine radioaktive Quelle mit Kobalt, damit Pflanzen beschossen deren Erbgut sich so zufaellig veraenderte, das wurde dann angepflanzt, geerntet und entsprechend sortiert.
Die Erfolge dieser Methode essen wir heute vielfach nach wie vor bis heute. Auch diese Methode ist ein Eingriff ins Erbgut, eine sehr brachiale Art Gentechnik.
Und wo sind denn bitte die Warner davor, die das nicht essen wollen? Es gibt sie nicht! Gerade vor dem Hintergrund der Klimakrise werden wir uns den Luxus auf die Gentechnik weiter zu verzichten nicht mehr lange leisten koennen!