Fast ein ganzes Jahr hat ein Ehepaar gewartet, bis die Stadt Kitzingen ihm den Bau von zwei Wohnhäusern in der Wörthstraße genehmigt hat. Um das Verfahren zu beschleunigen, hatte es einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Dieser pocht nun im Namen seiner Mandanten auf Schadensersatz durch die Stadt wegen des verspäteten Baubeginns. Zudem steht der Vorwurf im Raum, das Stadtbauamt habe die Bayerische Bauordnung (BayBO) falsch ausgelegt – zum Nachteil der Bauherren.
Konkret geht es um 7000 Euro, die Rechtsanwalt Jürgen Braun aus Würzburg für seine Mandanten von der Stadt verlangt. Der finanzielle Schaden sei unter anderem deshalb entstanden, weil die Bauherren wegen der unerwartet langen Zeitspanne bis zum Erhalt des Baubescheids Ende Mai 2020 Geld zwischenfinanzieren mussten und einkalkulierte Mieten verlieren. Das Kernproblem ist für Braun: Die Mitarbeiter des Bauamts hätten die BayBO falsch angewendet und daher den Bauantrag für die beiden Fertighäuser, um die es geht, nicht schneller beschieden. So hätten die Bauherren beispielsweise im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens 94 Nachbarn, die zum Großteil einer Wohnungseigentümergemeinschaft angehören, beteiligen sollen. Diesen sollten Lagepläne und Bauzeichnungen zugestellt werden.
Anwalt verweist auf Gerichtsurteile
Aus Sicht des Anwalts seien seine Mandanten hierzu nicht verpflichtet gewesen. Er beruft sich auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in München vom 16. Oktober 2018. Demnach könne im Sinne des Artikels 66 BayBO bei über 20 beteiligten Nachbarn eines Baugrundstücks die öffentliche Bekanntmachung eine Zustellung der Baugenehmigung ersetzen. Zudem müssten Nachbarn nur dann beteiligt werden, wenn Bauherren dies ausdrücklich wünschen. Weiter verweist Braun auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Würzburg vom 28. Mai 2019, das das VGH-Urteil bestätigt und aus dem nach Lesart des Anwalts hervorgeht: Seine Mandanten hätten den Nachbarn keine Bauunterlagen vorlegen müssen, wenn sie dies nicht gewollt hätten – auch nicht auf Verlangen des Stadtbauamts.
Die Stadt Kitzingen vertritt auf Nachfrage dieser Redaktion dagegen den Standpunkt, den Oberbürgermeister Stefan Güntner dem Anwalt bereits in einem Schreiben von Anfang August deutlich gemacht hat: Eine Nachbarbeteiligung im Sinne des Artikels 66 BayBO sei in diesem Fall, im Vorfeld der Baugenehmigung, nicht möglich gewesen. Zudem weist der OB eine von Anwalt Braun angestrebte Dienstaufsichtsbeschwerde zurück. Eine solche könne sich nur gegen das dienstliche Fehlverhalten von Behördenmitarbeitern richten – und ein solches erkenne Güntner hier nicht.
Stadt erkennt keine Verfahrensfehler
Die geforderte öffentliche Bekanntmachung des Bauvorhabens kann "im Rahmen der Zustellung der erteilten Baugenehmigung erfolgen", heißt es in einer Antwort der Stadt an diese Redaktion. Auf zwei möglichen Wegen: Entweder der Bauherr selbst holt die Unterschriften bei den Nachbarn ein, oder er stellt den Antrag gemäß Artikel 66 BayBO, Absatz 1, dass die Stadt Kitzingen dies kostenpflichtig übernehmen soll. Die Stadt erkennt folglich grundsätzlich keine Verfahrensfehler im Umgang mit dem Bauantrag.
Bleibt der Umstand, dass zwischen dem Bauantrag, den der Anwalt auf den 11. Juni 2019 datiert, und dem Bescheid des Bauamts vom 28. Mai 2020 beinahe zwölf Monate verstrichen sind. Nicht nur auf den ersten Blick eine Zeitspanne, die ungewöhnlich lang erscheint. Die Stadt tut sich schwer, eine durchschnittliche Zeitspanne zu nennen, die die bei ihr eingereichten rund 300 Bauanträge pro Jahr bis zur Genehmigung benötigen. Zu schwer seien die einzelnen Vorhaben miteinander zu vergleichen, zu unterschiedlich seien aber auch die von den Bauherren eingereichten Unterlagen, erläutert Bauamtsleiter Oliver Graumann. Ganz allgemein stellt er fest: Wenn Bauanträge alle notwendigen Unterlagen enthalten, dann gehe es schneller, als wenn seine Mitarbeiter Unterlagen erst nachfordern müssen. Die Qualität mancher Anträge soll nicht die beste sein.
Im Bauamt fehlt es an Personal
Ein hausinternes Problem: OB Güntner verweist auf die Personalsituation im Sachgebiet Stadtplanung und Bauordnung, dessen Leitung seit über einem Jahr vakant ist. Mehrere Bewerberrunden verliefen seit 14 Monaten erfolglos, so Güntner. In dem für Bauanträge zuständigen Bereich Bauordnung seien von den vier Stellen seit einem Jahr nur drei besetzt, davon zwei mit jungen Kollegen, die noch eingearbeitet werden. Unterm Strich lastet die Hauptarbeit im Bereich Bauordnung auf den Schultern eines einzigen erfahrenen Kollegen.
Zurück zum vorliegenden Fall aus der Wörthstraße. Die Zahlung eines Schadensersatzes an die verärgerten Bauherren wegen der unerwartet langen Zeit bis zur Erteilung der Baugenehmigung lehnt die Stadt grundsätzlich ab. Anwalt Braun gibt sich damit nicht zufrieden. "Wir sind grundsätzlich zur Klage bereit", sagt er. Es kann also durchaus sein, dass es in diesem Fall ein gerichtliches Nachspiel gibt.
- Lesen Sie hierzu den Kommentar: Bauamt ist Güntners größte Baustelle
Das Bauamt der Stadt Kitzingen hat von Montag bis Freitag täglich von 8.30 bis 12 Uhr geöffnet. Die Behörde bittet Bauherren jedoch darum, Besuche im Amt möglichst auf Donnerstag zu legen; donnerstags hat das Amt zusätzlich von 14 bis 17 Uhr geöffnet.