Die Zeiten ändern sich. Das gilt im Leben genauso wie im Tod. Vor 30 Jahren war der Alte Friedhof in Kitzingen noch voll belegt. „Es gab keine einzige freie Stelle“, erinnert sich der Leiter der Friedhofsverwaltung, Uwe Plomitzer. Heute sieht das ganz anders aus: 269 Grabstellen sind nicht belegt. Fast 20 Prozent.
Franz Böhm ist Vorsitzender der Interessen-Gemeinschaft zur Erhaltung und Pflege des Alten Kitzinger Friedhofs. 1949 haben engagierte Bürger den Verein gegründet. Nach der Zerstörung des Areals im Zweiten Weltkrieg sollte der Friedhof wieder hergestellt werden. Das ist gelungen. „Ein wunderschönes Fleckchen Erde“, sagt Böhm und blickt sich um. Alte Grabsteine an der mächtigen Friedhofsmauer, verwitterte Buchstaben in den Inschriften, manche Steine sind von Efeu überwuchert. „Ein Kulturgut sondergleichen“, sagt Böhm bei einem Rundgang. Die aufgelassenen Gräber sind auch ihm ein Dorn im Auge. „Aber das ist Sache der Stadt.“
Die Bestattungskultur hat sich in den letzten Jahren verändert. Alternativen, die vor 50 Jahren noch undenkbar waren, haben sich längst etabliert: Urnenbestattung, Waldfriedhof, sogar Bestattungen im Weinberg sind möglich. „Friedwiesen sind pflegeleichter als die herkömmlichen Gräber“, weiß Plomiter. Für die Angehörigen ist das ein wichtiges Argument. Zusammen mit den Kosten.
1467 Grabstellen gibt es im Alten Friedhof. In der ersten Abteilung – direkt anschließend an den Haupteingang – beträgt die Nutzungszeit 30 Jahre. Ansonsten sind es 20 Jahre. „Es kommt immer auf die Bodenverhältnisse an“, erklärt Plomitzer. Und die sind im Alten Friedhof von Kitzingen nicht ohne. Das Erdreich setzt sich nicht nur an den Grabstellen, sondern auch im Umfeld, es kommt zu kleineren Erdbewegungen. Entsprechend uneben sind manche Wege. Für Menschen mit Rollatoren oder Rollstühlen nicht immer einfach zu begehen. „Es war einmal angedacht gewesen, die Wege zu pflastern“, erinnert sich Böhm. Heute ist er froh, dass die Idee verworfen wurde. Für die kleinen Räder wäre das Pflaster keine Hilfe. „Und das Ambiente hätte sich total verändert.“ Böhm bleibt an einer mannshohen Pyramide stehen. „Der Alte Friedhof ist ein historisches Denkmal“, steht dort zu lesen. „Er wurde 1542 vor den Mauern der Stadt als Ersatz für den innerstädtischen Kirchhof errichtet.“ Die Interessen-Gemeinschaft hat die Pyramide, auf der weitere Informationen zu lesen sind, errichten lassen. 600 Mitglieder hatte der Verein, als Franz Böhm eingetreten ist, mittlerweile sind es nur noch rund 150. Gemeinsame Treffen finden kaum mehr statt – seit Corona erst recht nicht. Dabei gäbe es einiges zu besprechen. Der Jahresbeitrag liegt bei übersichtlichen zehn Euro. „Wir haben immer wieder Geld übrig“, sagt Böhm. In neue Gießkannen und neue Bänke hat der Verein schon investiert. Derzeit ist Böhm auf der Suche nach einer weiteren, sinnvollen Investition. Ein Gespräch mit der Friedhofsverwaltung und den Stadtgärtnern will er initiieren. „Vielleicht gibt es von dieser Seite irgendwelche Wünsche, die wir erfüllen können.“
Die Pflege der aufgelassenen Gräber wird es nicht sein. Das ist Sache der Stadt. „Leider ist die Fläche nicht zusammenhängend“, bedauert Plomitzer. „Sonst könnten wir einen kleinen Park oder ähnliches anlegen.“ Stattdessen wird jedes aufgelassene Grab mit neuem Gras angesät. „Mehr geht nicht“, bittet Plomitzer um Verständnis. Vier Mitarbeiter umfasst das Friedhofspersonal. „Die kommen im Moment kaum hinterher“, sagt Plomitzer. „So viel Arbeit gibt es.“ Bei Bestattungen sind die Mitarbeiter im Einsatz, die Hauptaufgabe besteht jedoch in der Pflege der Anlagen. In Etwashausen, Hoheim, Hohenfeld und Repperndorf gibt es städtische Friedhöfe, dazu kommen der Neue und der Alte Friedhof in Kitzingen. „Da gibt es jede Menge Freiflächen, die gepflegt werden müssen“, versichert Plomitzer. Laut Satzung müssen lediglich die Wege zwischen den Grabstellen von den Grabberechtigten frei gehalten werden. Alles andere erledigen die vier Mitarbeiter.
Der Alte Friedhof ist Kitzingen ist mehr als ein Ort für Bestattungen. Er ist ein Kulturdenkmal. Das Landesamt für Denkmalpflege bestätigt das. 88 der alten Grabstätten gelten nach einer Erhebung als erhaltenswert, oft handelt es sich um prachtvolle Familiengräber mit entsprechend wertvollen Grabsteinen.
Mussten sie bislang nach 30 Jahren weggeräumt werden, können sie jetzt stehen bleiben. Die Stadt hat eine Lösung gefunden, die Steine werden sozusagen weiter verpachtet.
Die Fläche vor den Grabsteinen wird mit Kies bedeckt, neue Urnen können in den Boden eingelassen werden. Auf Muschelkalkplatten wird der Namen der Verstorbenen eingraviert. „Das ist so ähnlich wie in einem Urnenhain“, erklärt Plomitzer. Der Vorteil für die Familien: eine aufwändige Grabpflege ist nicht notwendig, nicht einmal ein neuer Grabstein muss gekauft werden. Der Vorteil für die Stadt: ein paar aufgelassene Gräber werden weiter genutzt, die sehenswerten Gräber bleiben erhalten.
Dennoch: Uwe Plomitzer macht sich nichts vor: „Der Trend zu alternativen Bestattungsformen wird anhalten.“ Die Stadt Kitzingen hat längst reagiert: Im Neuen Friedhof gibt es Baumbestattungen und einen Urnen-Stelengarten, im Alten Friedhof einen Urnenhain. 70 Prozent der Bestattungen dort sind mittlerweile Urnenbestattungen. „Anfang der 90er Jahre waren es 20 Prozent“, erinnert sich Uwe Plomitzer. Alleine an dieser Zahl zeigt es sich: Die Zeiten ändern sich – auch, und gerade im Tod.