Eigentlich ist es gemogelt, und das darf man in der Schule ja gar nicht. Sternekoch Stefan Marquard hat es am Donnerstag in der Grund- und Mittelschule Iphofen trotzdem gemacht. Ganz viel Gemüse hat er gemeinsam mit einer kleinen Schülergruppe im Mittagessen „versteckt“ und manches der 140 Kinder hat das beim Essen gar nicht gemerkt. „Lecker!“ war das einmütige Urteil, sowohl von den Schülern als auch vom Mensa-Team, dem der Spitzenkoch am Nachmittag in einer Schulung noch zahlreiche Tipps für die Zubereitung frischer und gesunder, aber zugleich einfacher und schmackhafter Gerichte gab.
Bei vielen Kindern ist Gemüse verpönt. Etwas Grünes wollen sie nicht auf dem Teller haben. „Da haben sie keinen Bock drauf“, sagt Stefan Marquard – und kann auch erklären, woran das liegt: „Der Grund dafür liegt in unseren Genen.“ Kinder beginnen erst nach und nach, ihren Geschmackshorizont zu erweitern. „Seit der frühestens Menschheitsgeschichte haben sie gelernt, Speisen nach ihrem Überlebenswert zu bewerten.“ Süßes, Kalorienreiches und Fettes werde dabei „mit hohem Sicherheitspotenzial“ eingestuft. „Ungekochtes, Grünes oder Saures könnte dagegen sogar giftig sein, also weniger geeignet, um die nächste Trockenzeit zu überleben.“ Daher sei es völlig verständlich, dass Kinder fette Pommes mit Mayo einem Spinatgericht vorziehen.
Doch Gemüse zu essen ist wichtig, der Körper braucht die Vitamine, Spurenelemente und Mineralstoffe darin. Wie also die beiden Gegenpole verbinden? „Gemüse ist geil, wenn man es altersgerecht zubereitet“, sagt der TV- und Sternekoch Marquard. Wie das geht, hat er schon in vielen Schulen gezeigt, sowohl den Schülern, als auch den Teams in der Mensa, die das Essen zubereiten oder weiterverarbeiten, was von Caterern geliefert wird. „Sterneküche macht Schule“, heißt das Projekt, zu dem sich Stefan Marquard und die Krankenkasse Knappschaft vor nunmehr sieben Jahren zusammengetan haben. Der Koch trägt damit sein Knowhow und seine Erfahrung direkt in die Schulküchen, um dort die Verpflegungssituation zu verbessern. So wie am Donnerstag in Iphofen und demnächst in weiteren Schulen im Landkreis.
Katrin Lembke und Sigi Höchamer von der OGS hatten die Idee, sich mit der Iphöfer Schule für einen Besuch von Stefan Marquard zu bewerben und freuten sich sehr über die Zusage. Höchamer gibt zu, dass sie am Morgen noch Bedenken hatte, was in der kleinen Küche überhaupt umsetzbar ist. „Wir haben ja nur den Konvektomaten.“ Einige Stunden später, als die Schüler an den Tischen sitzen und mit Begeisterung die Teller leeren, sind die Bedenken ausgeräumt. „Es ist Wahnsinn. Wir haben alles da drin gemacht.“
Kartoffel-Kürbis-Stampf, Bulette und Soße gibt es an diesem Tag. Der Gemüseanteil ist höher, als sich die meisten vorstellen können: Die Soße besteht zu 100 Prozent aus Gemüse, mit Hafermilch, ohne Sahne und Butter. Die Beilage zu 50 Prozent, da Kartoffeln ja nicht zum Gemüse zählen. Und die Bulette ist aus 20 Prozent Hähnchenfleisch und etwa 80 Prozent Gemüse, auch Haferflocken sind enthalten. Eine Mogelpackung also, wie Marquard selbst sagt – oder eine „Kreativzusammenstellung“. Die solle kein Geheimnis bleiben, betont der Sternekoch: „Ich hoffe, ihr tragt das nach draußen und erzählt auch, wie viel Spaß euch das Kochen gemacht hat.“
Wer nun meint, Marquard würde mit allen Schulen das Gleiche kochen, der irrt, denn es gibt sehr viele Möglichkeiten, Gemüse schmackhaft ins Schulessen zu integrieren. Vom Fisch im Hafermantel über die Kuschelpfanne bis zu Nudelmuffins hat er die unterschiedlichsten Rezepte kreiert. „Ich war schon in ungefähr 120 Schulen“, erzählte der Sternekoch den Schülern, die bei der Zubereitung halfen. „Aber Ihr seid die Ersten, die Kartoffel-Kürbis-Stampf machen.“
Smoothies im Pausenverkauf?
Die drei Schülersprecher Franziska Löslein, Ruaa Aljumaa und Benedikt Haas halfen bei der Zubereitung mit, außerdem Schüler der Ganztagesklassen der siebten und achten Jahrgangsstufe. Sie werden demnächst den Pausenverkauf übernehmen und profitieren dabei von dem, was sie an diesem Vormittag gelernt haben. Ideen für gesunde Pausensnacks könne man umsetzen, so Katrin Lembke, oder den Smoothie verkaufen, der am Donnerstag ebenfalls zubereitet wurde. Von Karotte bis Mango hatten die Schüler allerhand Zutaten, die Sascha Horn vom örtlichen Rewe-Markt gesponsert hatte, geschnippelt und püriert.
Ob Smoothie oder Mittagessen – den Schülern hat es sehr gut geschmeckt. „80 Prozent Gemüse in der Bulette, das ist heftig, weil man das so nicht kennt“, sagte Franziska und stimmte mit Ruaa überein, als die feststellte: „Man schmeckt das gar nicht raus.“ Die Ideen, so Benedikt, werde man mit nach Hause nehmen und umsetzen.
„Wir wollen uns Anregungen für eine gesunde Küche holen“, sagt Rektor Jürgen Wolff und ist froh, dass seine Schule bei der Bewerbung zum Zug kam. Er war, wie die Schulverbandsvorsitzende, die Willanzheimer Bürgermeisterin Ingrid Reifenscheid-Eckert, um die Mittagszeit gekommen, um sich über das Projekt zu informieren. Beide wissen aber auch um die Schwierigkeiten, mit denen die Mensen an vielen Schulen zu kämpfen haben. Personalmangel zum Beispiel, aber auch die Finanzierung. Derzeit werde alles teurer, gerade auch Gemüse – da bereitet der Blick auf möglicherweise steigende Kosten dem Schulleiter schon Bauchschmerzen.
Aus seinen vielen Besuchen in den Mensen weiß Stefan Marquard, mit welchen Problemen dort gekämpft wird. Beim Kochtraining für die Mensa-Mitarbeiter sprach er sie am Nachmittag auch an. „Wir zeigen, wie man vieles leichter macht“, so Stefan Lembert, der mit Stefan Marquard, dessen Bruder Wolfgang sowie Jörg Andersson von der Knappschaft nach Iphofen gekommen war. So erfuhren die Teilnehmer beispielsweise, wie man Gemüse aktiviert: Der Sternekoch würzt die Lebensmittel mit einer Salz-Zucker-Mischung, bevor er sie gart. Bei Gemüse könne so die Garzeit um bis zu 75 Prozent reduziert werden, was zum einen Zeit spart, zum anderen bleiben wichtige Inhaltsstoffe wie Vitamine und Spurenelemente erhalten. Auch wird nur noch sehr wenig Wasser zum Garen benötigt. Kürzere Kochzeiten bedeuten zudem einen geringeren Energieverbrauch. So lasse sich manches schnell in der Schule zubereiten, statt dass es beim Lieferanten länger gekocht, dann wegen der Farbe mit Eiswasser abgeschreckt, gefroren, transportiert und in der Schule wieder aufgetaut oder erhitzt werden müsse, so Lembert.
Katrin Lembke war überrascht, mit wie viel Begeisterung die Schüler am Vormittag und freiwillig sogar am Nachmittag dabei waren. Sie und ihr Team nehmen von der Schulung mit, wie schnell und unproblematisch die Zubereitung von regionalem und saisonalem Gemüse sein kann und dass man mit wenig Aufwand ein leckeres Gemüsegericht zaubern kann. „Beeindruckt hat uns auch der nachhaltige Umgang mit allen Lebensmitteln bis zum letzen Kern.“ Der Tag sei für alle unglaublich lehrreich gewesen, und besonders habe der Umgang der beiden Marquards auf Augenhöhe mit den Schülern begeistert.
Info: Schulen, die vom Wissen Stefan Marquards profitieren und beim Projekt „Sterneküche macht Schule“ mitmachen wollen, können sich bewerben unter www.sternekueche-macht-schule.de
