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LANDKREIS KITZINGEN
Sozialarbeit in der Schule: Ein Helfer fernab von Noten
Zeugnis - Sitzenbleiben       -  Ja, es geht um Noten in der Schule, aber auch um noch viel mehr als nur die schulische Leistung.
Foto: Symbolbild: Ina Fassbender/dpa | Ja, es geht um Noten in der Schule, aber auch um noch viel mehr als nur die schulische Leistung.
Daniela Röllinger
 |  aktualisiert: 10.04.2022 02:22 Uhr

Müssen Schulen Jugendlichen abseits von Noten und Lernen auch mehr sozialpädagogische Unterstützung bieten? Grund- und Mittelschulen tun das schon lange. Jetzt beantworten auch immer mehr weiterführende Schulen diese Frage mit „Ja“. Doch die Umsetzung ist nicht ganz einfach.

„Das Thema stand schon auf meiner Agenda, als ich hier angefangen habe“, sagt Monika Rahner, Schulleiterin des Armin-Knab-Gymnasiums in Kitzingen. Vorbereitende Schritte für die Einstellung eines Schulsozialpädagogen wurden getan, doch durch Corona und Homeschooling trat die Sache zunächst in den Hintergrund. Dann kamen die Schüler zurück – und mit ihnen die Erkenntnis, das die lange Isolierung bei einigen Spuren hinterlassen hat. „Manche sind durchaus in ihrer Entwicklung beeinträchtigt“, sagt die Rektorin. Probleme, die es vor Corona schon gab, haben sich verstärkt, das wisse sie auch aus Gesprächen mit vielen anderen Schulleitern, so Rahner. „Angststörungen, extremer Leistungsdruck, Depressivität, Essstörungen, Selbstverletzungen, das alles nimmt zu.“

Neue Stelle kommt gut an

Nach Ende der Homeschooling-Zeit trat die Idee, einen Schulsozialpädagogen einzustellen, wieder in den Fokus. Erfreulich schnell war eine Sozialpädagogin gefunden, die nun 15 Stunden pro Woche als Ansprechpartnerin für die Schüler zur Verfügung steht, auch Eltern können sich an sie wenden. Das Tätigkeitsprofil wird in Zusammenarbeit mit dem Schulpsychologen erstellt. Längerfristig sei daran gedacht, dass sie auch Konzentrationstraining anbietet und in die Medienerziehung mit einsteigt. Die Auswirkungen der modernen Medien, mit denen die jungen Leute im Lockdown noch mehr zu tun hatten als vorher, dürften nicht unterschätzt werde. „In den sozialen Medien stellt man sich immer am besten dar“, gibt Rahner zu bedenken. Immer gut aussehen, immer tolle Beiträge liefern, das übt Druck aus. Dazu komme die Schwierigkeit, die vielen Nachrichten und Informationen, die es über die modernen Medien gibt, richtig einzuordnen. Seit einigen Wochen ist die Schulsozialpädagogin jetzt im Dienst und die Schüler nehmen das Angebot laut Rahner gut an. Auch die Resonanz bei den Eltern sei positiv, ebenso bei den Lehrern. „Ich bin überzeugt, dass alle davon profitieren.“

Am Gymnasium Marktbreit gibt es schon seit 2016/17 eine Schulsozialpädagogin. Rektor Friedhelm Klöhr spricht von einem Bindeglied zwischen Elternhaus und Schule, von einer Fachkraft, die den Schülern aber auch bei Problemen wie Mobbing oder unsachgerechtem Mediengebrauch Unterstützung biete. „Da können die Kinder mit jemandem sprechen und arbeiten, den sie nicht als Lehrkraft haben“, so Klöhr. Ein klarer Vorteil zu den Beratungs- oder Vertrauenslehrern, die es an den Schulen gibt.

Neben ihrer Tätigkeit als Schulsozialarbeiterin ist die Mitarbeiterin auch in der Offenen Ganztagsschule tätig, kennt also die viele Schüler aus der Unter- und Mittelstufe und diese kennen sie, was die Kontaktaufnahme erleichtert und Berührungsängste mindert. Denn Klöhr und seine Kollegen haben beobachtet, dass inzwischen eher in der 5./6. Klasse Hilfe nötig wird und nicht erst bei den höheren Klassen. „Früher hat es in der Mittelstufe am ehesten mal geknirscht. Das hat sich nach unten verlagert.“ Finanziert wird die Schulsozialpädagogin aus dem Budget, das der Schule für Personalzwecke zur Verfügung steht. Weil dieser Topf aber auch für andere Zwecke benötigt wird, bleiben nur fünf bis sechs Stunden pro Woche für die Schulsozialarbeit.

Margit Hofmann war Vorgängerin von Monika Rahner als AKG-Schulleiterin, ist vor einigen Jahren in Ruhestand gegangen. „Schon damals haben wir oft darüber gesprochen, dass es Jugendsozialarbeit auch an weiterführenden Schulen braucht“, erinnert sich die SPD–Kreisrätin. Als dann im November 2021 zwei Jugendsozialarbeiter an Schulen im Landkreis im Ausschuss für Jugend und Familie des Kitzinger Kreistags von ihrer Tätigkeit und den besonderen Herausforderungen in Zeiten von Corona berichteten, stellte ihre Partei einen Antrag, die Schulsozialarbeit im Landkreis Kitzingen um 1,5 Stellen aufzustocken und künftig auf die weiterführenden Schulen, genauer die Realschulen in Dettelbach und Kitzingen, die Gymnasien in Marktbreit und Kitzingen sowie die FOS Kitzingen auszuweiten.

So einfach aber ist es nicht, wie in der Sitzung des Ausschusses für Jugend und Familie am 10. März deutlich wurde. In Bayern wird zwischen Schulsozialarbeit und Jugendsozialarbeit an Schulen unterschieden. Die Aufgabe von Schulsozialpädagogen: Die Erziehungsarbeit der Schule unterstützen. Die Aufgabe von Jugendsozialarbeit: Benachteiligte junge Menschen bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen und fördern. Die Jugendsozialarbeit ist eine Leistung der Jugendhilfe und „die intensivste Form der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule“, informierte die Verwaltung im Ausschuss. Laut Richtlinien muss die Jugendsozialarbeit an Schulen bedarfsorientiert erfolgen, Gymnasien und Fachoberschulen sind von der staatlichen Förderung ganz ausgeschlossen. Der Antrag der SPD wurde mehrheitlich abgelehnt.

Schulen wollen Anträge stellen

Die Freien Wähler hatten in der gleichen Sitzung gefordert, die Schulsozialarbeit „modifiziert zu diskutieren“. Die Verwaltung soll nun ein Modell zur Finanzierung der Jugendsozialarbeit an Schulen entwerfen sowie eine Richtlinie zur Förderung von Jugendsozialarbeit an Schulen durch den Landkreis erarbeiten.

An der Realschule Dettelbach gibt es bislang keinen Schulsozialpädagogen oder Jugendsozialarbeiter. „Wir tragen uns mit dem Gedanken, eine halbe Stelle zu beantragen“, sagt Rektor Stefan Wolbert, zugleich Referent für Bildung und Soziales im Kreistag. An der Corona-Krise liege das aber nicht. „Man kann nicht sagen, wir brauchen einen Sozialpädagogen jetzt dringender denn je. Es stimmt nicht, dass alles wegkippt“ – auch wenn sich bei Einigen tatsächlich Probleme verstärkt hätten. Insgesamt hält Wolbert Sozialpädagogen an Schulen und deren staatliche Förderung für sehr wichtig. Es gebe Lebenssituationen, in denen die Kinder Unterstützung brauchen. „Wenn die Eltern sich trennen oder scheiden lassen, wenn ein Elternteil Krebs hat, wenn jemand in der Familie stirbt. Das schleppen sie mit sich rum. Und das bringen sie auch mit in die Schule“, so Wolbert. Sie in solchen Situationen zu unterstützen, sie zu begleiten bei Problemen auf dem Weg zum Erwachsenwerden, dabei könne Schulsozialarbeit unterstützen. Dass ein solcher Ansprechpartner nichts mit Noten und Unterricht zu tun habe, hält auch Wolbert für einen Vorteil.

Auch der Rektor der Realschule Kitzingen, Michael Rückel, steht der Idee, die Schulsozialarbeit an weiterführenden Schulen zu verstärken, sehr wohlwollend gegenüber. Einen Schulpsychologen und Beratungslehrer gibt es an seiner Schule bereits und die Realschule sei auch keine Brennpunktschule. Trotzdem wäre die Schule froh, einen Schulsozialpädagogen in Teilzeit zu haben. „Wir haben im Schulforum und mit dem Elternbeirat darüber gesprochen. Wir würden sehr gerne auf eine solche Fachkraft zurückgreifen, wenn es sie gäbe.“ Auch Rückel macht das nicht nur an Corona fest, wenngleich die Pandemie bei einem Teil der Schüler durchaus Auswirkungen gezeigt habe. „Wir merken schon Durchhänger bei Schülern, dass bei einigen die Lernmotivation nachgelassen hat, dass sie wieder Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten entwickeln müssen.“

 
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