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Kitzingen
Silvester 1984: Als das Kitzinger Rathaus in Flammen stand
Den Jahreswechsel 1984/1985 werden die Kitzinger nie vergessen: In der Silvesternacht vor 35 Jahren stand ihr historisches Renaissance-Rathaus plötzlich in Flammen.
Silvesternacht 1984: Durch eine Feuerwerksrakete fängt der Dachstuhl des Kitzinger Rathauses Feuer und verursacht zwei Millionen Mark Schaden.
Foto: Robert Stöckinger | Silvesternacht 1984: Durch eine Feuerwerksrakete fängt der Dachstuhl des Kitzinger Rathauses Feuer und verursacht zwei Millionen Mark Schaden.
Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 04.01.2020 02:10 Uhr

Es war ein Angestellter der Stadt, der die sich anbahnende Katastrophe zuerst sah: Als Bewohner des Hindenburgrings Nord hatte er gute Sicht auf das Kitzinger Rathaus in der Silvesternacht 1984. Gegen 23.15 Uhr bemerkte der Mann verdächtige Rauchschwaden rund um das Rathausdach – er schlägt sofort Alarm.

Wie es weiter ging, haben die damaligen Zeitungs-Chronisten akribisch festgehalten: "Zweieinhalb Minuten nach der Alarmierung", so steht es am 2. Januar 1985 in der Zeitung, sei die Kitzinger Stadtfeuerwehr an Ort und Stelle gewesen. Die Szenerie wirkte in diesem Moment wenig bedrohlich: Qualm ja, aber von außen war kein Feuer zu sehen. Nichts deutete auf einen Großeinsatz hin, nichts auf eine dramatische Entwicklung von einer Sekunde auf die andere . Womöglich, so die erste Vermutung, handelte es sich um einen schnell zu beherrschenden Zimmerbrand.

Explosionen auf dem Dach

Der damalige Stadtbrandinspektor Rudolf Stöckinger schickte einen Erkundungstrupp in das Renaissance-Rathaus. Es ist 23.48 Uhr. Überall Brandgeruch – aber eben kein Brand. Die Feuerwehrmänner durchkämmen das Haus Zimmer für Zimmer. Von unten arbeiten sie sich langsam nach oben. Im dritten Obergeschoss, dem Registraturraum, scheint das Feuer ausgebrochen zu sein. Das Löschen dort geht schnell – doch irgend etwas stimmt nicht.

Der Tag danach: Das Rathausdach ist komplett zerstört.
Foto: Archiv, Repro: Barbara Herrmann | Der Tag danach: Das Rathausdach ist komplett zerstört.

Dass das komische Gefühl nicht trügt, zeigt sich unmittelbar danach: Mit einem Urknall explodiert das Rathausdach gleich an mehreren Stellen. Aus den entstandenen Löchern schlagen sofort die Flammen. Die Katastrophe hat sich schlagartig Bahn gebrochen. In dem doppelt mit Schiefern gedeckten Dach konnte sich das Feuer lange Zeit gut verstecken, um schließlich um so mächtiger zuzuschlagen. Aus dem vermeintlichen Zimmerbrand war ein Großfeuer geworden.

Zum Glück war die Kitzinger Wehr mit allen zur Verfügung stehenden Autos und einer 48-köpfigen Mannschaft angerückt. Eine Drehleiter stand bereit, die Nachbarhäuser wurden abgesichert. Das Feuer selber wurde mit der Drehleiter und einem Tanklöschfahrzeug von der Kaiserstraße aus bekämpft.

Ein weiteres Tanklöschfahrzeug und die Steckleiter standen auf der gegenüberliegenden Seite in der Fußgängerzone. Im Inneren des Brandhauses waren derweil drei Gruppen mit schwerem Atemschutz unterwegs.

13 Feuerwehren im Großeinsatz

Mit den Explosionen auf dem Dach war umgehend Großalarm ausgelöst. Aus den Kitzinger Stadtteilen, aus Buchbrunn, Mainstockheim, Iphofen, Marktbreit und Dettelbach eilten die Feuerwehren während des Silvesterfeuerwerks herbei. Sogar die Feuerwehr der Abtei Münsterschwarzach und die amerikanische Feuerwehr rückten zur Verstärkung aus. Alles in allem waren 13 Wehren mit 150 Feuerwehrleuten im Einsatz. Schnell trafen zudem der damalige Oberbürgermeister Rudolf Schardt sowie Kreisbrandrat Josef Mack am Unglücksort ein.

Sie erleben ein unwirkliches Szenario: Auf dem 50 Meter entfernten Kirchturm spielte eine Musikkapelle in das neue Jahr hinein, von allen Seiten schoss Feuerwerk in die Luft. Dazwischen: Blaulicht ohne Ende. Die Einsatzbefehle mussten sich gegen das Glockenläuten behaupten, wird sich später Josef Mack erinnern. 

"Es erlosch einfach nicht!"

Gegen 1 Uhr war das Feuer schließlich unter Kontrolle, gegen 1.30 Uhr konnten die ersten Wehren wieder abrücken. Erledigt hatte es sich damit aber noch längst nicht: Den gesamten Neujahrstag über war die Feuerwehr vor Ort, die größten Probleme bereiteten die Hohlräume in den Deckenkonstruktionen, wo das Feuer beste Bedingungen fand und immer wieder aufflammte.

Beim Kitzinger Rathausbrand in der Silvesternacht 1984 gab es auch erste Farbbilder.
Foto: Feuerwehr | Beim Kitzinger Rathausbrand in der Silvesternacht 1984 gab es auch erste Farbbilder.

Robert Stöckinger, der damals als Reporter Feiertagsdienst hatte, erinnert sich noch gut, dass sich das Löschen über Stunden hinzog. Immer dann, wenn die Meldung kam, dass der Brand beendet sei, flammte an irgendeiner Stelle das Feuer wieder auf: "Es erlosch einfach nicht!" Als der Redakteur am nächsten Tag die Brandstelle besuchte, um bei Tageslicht Bilder zu machen, habe er sich stark "an die Bilder vom Bombenangriff auf Kitzingen erinnert" gefühlt.

Sein Onkel Rudolf Stöckinger, der damalige Stadtbrandinspektor, hat die Bilder ebenfalls noch vor Augen. "Der Dachstuhl war zu 90 Prozent kaputt", erinnert sich der heute 81-Jährige. Weil er sich im Rathaus besten auskannte und auch wusste, dass sich ein Stockwerk unter dem Brandzimmer der historische Sitzungssaal befand, gab er an jedem Abend klare Order: So wenig wie möglich mit Wasser löschen. Um die wertvolle Bausubstanz zu retten, wollte der Feuerwehrchef die Wasserschäden so gering wie möglich halten. Ein Vorhaben, das gelang.

Knallverbot

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt: Den Schaden bezifferten die Fachleute wenig später auf zwei Millionen Mark. Als Brandursache wurde ein Feuerwerkskörper ausgemacht, der sich regelrecht durch eine Plexiglaskuppel im Dach des Gebäudes schweißte und - immer noch brennend - im darunter liegenden Büro den Brand auslöste. Diese Kuppeln bekamen fortan ein Stahlgitter  zum Schutz. Das Rathaus bekam zunächst ein Notdach. Für viele städtische Mitarbeiter hieß es in den folgenden Monaten frieren: Der Wintermantel wurde sozusagen zur Dienstkleidung. Schließlich sorgten bis zu 30 Handwerksbetriebe dafür, dass bald nichts mehr von dem Brand zu sehen war. Neben einem neuen Dach gab es für das Rathaus auch Rauchmelder. Vor allem aber: In der Kitzinger Altstadt zog nach dem Unglück ein striktes Feuerwerksverbot ein.

Das Kitzinger Rathaus
Das Kitzinger Rathaus ist ein Meisterwerk der deutschen Renaissance. Es wurde 1561-1563 von dem Schaffhausener Meister Hans Eckart erbaut.  Es zählt zu den bedeutendsten Baudenkmälern aus dieser Epoche in Unterfranken. Das dreistöckige Gebäude beherrscht mit seiner Giebelfront und dem steilen Satteldach den Kitzinger Marktplatz. Von besonderer Schönheit sind die historischen Säle im 2. Obergeschoß.
 
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