Als wache Zeitgenossen gesellschaftliche Strömungen wahrnehmen, eine klare Haltung im Geiste Jesu Christi einnehmen, das eigene Leben und das Leben der Gesellschaft gestalten – dazu hat die Münchner Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler rund 130 Frauen aufgerufen. Das Frauenfrühstück auf dem Schiff MS Franconia war am Samstag Auftakt zur Veranstaltungsreihe Reformation im Fluss der drei evangelischen Dekanate Kitzingen, Castell und Markt Einersheim. Bis Sonntagnachmittag standen sechs weitere Termine auf dem fahrenden Schiff an.
Spuren der Jahre zeigen
Den Besuchern gefiel der ungewöhnliche Veranstaltungsort, zumal das Wetter am Samstag traumhafte Landschaftsbilder bescherte. Gut organisiert und interessant fand Erika Frieß aus Neuses am Berg das Frauenfrühstück. Unter dem Motto „Freischwimmen – nicht wegtauchen“ erläuterte Breit-Keßler die Bedeutung reformatorischer Frauen gestern und heute.
Ausgehend vom Schicksal der Ottilie von Gersen, Ehefrau des radikalen Reformators Thomas Müntzer, lenkte sie den Blick auf die Stellung der Frauen in der bayerischen Landeskirche, wo mit dem Gleichstellungsartikel in der Kirchenverfassung 1995 die Gleichberechtigung auf allen Ebenen festgeschrieben wurde.
Viel zu tun
Dass immer noch oder heute wieder viel zu tun ist im Blick auf Frauenrechte, zeigte ein Blick der Bischöfin auf zahlreiche gesellschaftliche Bereiche. Zur Integration Hunderttausender Flüchtlinge gehöre es auch, ganz deutlich zu sagen: „In Deutschland sind Frauen und Männer gleichberechtigt.“ Sehr engagiert verwahrte sich Breit-Keßler gegen ein Frauenbild, das vom Schönheitsdiktat bestimmt wird. „Machen Sie bei diesem Mist nicht mit!“, rief sie die Frauen auf und warb dafür, die Spuren der Jahre und Erfahrungen in Gesicht und Körper zu akzeptieren.
Als weitere Probleme nannte sie das eindimensionale Frauenbild in den Medien, das Frauen sexistisch und handlungsunfähig darstelle, leicht zugängliche Pornografie im Internet, Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen sowie Druck auf werdende Eltern durch neue Untersuchungsmethoden.
Nach den Frauen die Kinder
Christinnen müssten einhaken, wenn das Bild des perfekten Menschen wie ein Monstranz dahergetragen werde, sei es vor der Geburt, in der Lebensmitte oder am Lebensende. Nach dem Frauenfrühstück stürmten Familien die MS Franconia. 85 Kinder und Eltern entdeckten mit der Casteller und Abtswinder Jugend, wie Martin Luther von der Angst zum Mut fand, hatten Gelegenheit zum Basteln, während die Eltern mit Andreas Laurien von der Kitzinger Erziehungsberatungsstelle „Angst-Drachen“ aufspürten und zur Strecke brachten.
Chörefahrt nach Marktbreit
Rund 240 Konfirmanden und Begleiter erlebten am späten Nachmittag unter Regie der Kitzinger Dekanatsjugend, wie es Martin Luther beim Reichstag zu Worms schaffte, zu seiner Meinung zu stehen. Die Band Refiner's Fire und der Zauberer Mr. Joy sorgten für Stimmung. Zum Abschluss warfen die Pfarrer Alexander Seidel und Richard Tröge als „abgespecktes“ Fränkisches Kirchen-Kabarett (FKK) vor ausverkauftem Schiff humorvolle Seitenblicke auf Hirten, Schäfchen und den Kirchenapparat und stellten eigene Zukunftsvisionen vor, etwa das Pfarrerauto mit allen Dienstleistungen einmal pro Woche, das den Pfarrer vor Ort ersetzen könnte, oder neue kirchliche Möglichkeiten der Geldbeschaffung wie Beerdigung auf dem Autofriedhof.
Am Sonntag trafen sich die Gläubigen zu einem Gottesdienst mit der Ansbacher Regionalbischöfin Gisela Bornowski, zu einer Kaffeefahrt und einer abschließenden Chörefahrt von Kitzingen nach Marktbreit, wo das Logbuch ans Dekanat Würzburg übergeben wurde.