zurück
LANDKREIS KITZINGEN
„Sie müssen das alles verarbeiten“
Immer mit dabei: Kinderpflegerin Brigitte Segritz schaut zu, wie Moritz seinen Namen auf der Tastatur buchstabiert.
| Immer mit dabei: Kinderpflegerin Brigitte Segritz schaut zu, wie Moritz seinen Namen auf der Tastatur buchstabiert.
Ralf Dieter
 |  aktualisiert: 06.03.2015 16:25 Uhr

Henry hat's drauf. Mit der Maus klickt er auf den Zauberer und dann auf den Papagei. Der plappert ein unvollständiges Wort vor sich hin. Doch Henry hört genau hin und weiß, was zu tun ist. Er klickt die Fledermaus an und schon erhält er ein Lob vom Zauberer: „Gut gemacht.“

Die Vorschulkinder aus dem Markt Einersheimer Kindergarten „Haus für Kinder“ sind einmal in der Woche im Computerraum zugange. „Schlaumaus“ heißt das Computerspiel, das ihnen ganz offensichtlich Spaß macht. Kinderpflegerin Brigitte Segritz achtet genau auf die Zeiten und auf das, was die Kinder machen. Damit macht sie Grundlegendes richtig.

„Wir lassen unsere Kinder doch auch nicht alleine ins Rotlichtviertel gehen.“
Claudia Ruhe Medienpädagogin

„Es gibt kein medienfreies Haus mehr“, sagt Medienpädagogin Claudia Ruhe. Sie hat kürzlich eine Fortbildung für Erzieherinnen aus dem Landkreis Kitzingen gehalten. Der Raum war voll, das Interesse groß. Klar: Immer früher werden Kinder mit Medien konfrontiert – ob zu Hause oder bei Freunden. Smartphone, Laptop, Tablet, Fernseher: Digitale Medien sind längst ein fester Bestandteil des Alltags geworden. Fragt sich nur, ab wann wir unsere Kinder mit diesem Alltag konfrontieren sollten. Und wie.

„Vielen Eltern fehlt es an Sensibilität“, bedauert Ruhe. Oft bestimmen die Medien den Alltag daheim. Und die Kinder werden mit dem Gesehenen oder Erlebten alleine gelassen. Für Medienpädagogin Ruhe der vollkommen falsche Weg. „Wir lassen unsere Kinder doch auch nicht alleine ins Rotlichtviertel gehen“, sagt sie. „Warum dürfen sie dann alleine im Internet surfen?“.

Im Kindergarten „Haus für Kinder“ dürfen die Kinder weder surfen noch alleine an einem der drei PCs sitzen. Brigitte Segritz ist immer dabei: vom Einschalten bis zum selbstständigen Ausschalten des Gerätes. Ein Vorgehen, das Medienpädagogin Ruhe auch allen Eltern ans Herz legt. „Kinder können sich nicht alleine schützen“, sagt sie. Selbst wenn ein Kind kompetent am PC oder Smartphone erscheint, brauche es einen verlässlichen Partner. Jemanden, der die Regeln vorgibt und der darauf achtet, was die Kinder sehen. „Bilder können Menschen verändern“, warnt die Medienpädagogin. Und die Minuten vor dem PC oder dem Fernseher können schnell zu lang werden.

Maximal eine Viertelstunde pro Woche und pro Kind sind im Markt Einersheimer Kindergarten eingeplant. Segritz notiert sich, welche Fortschritte die Kleinen gemacht haben: Sie finden Gegensatzpaare wie heiß und kalt, lernen, ihren Namen auf der Tastatur zu buchstabieren oder die richtige Aussprache von schwierigen Worten. Auch die Sozialkompetenz wird am Computer gestärkt. Segritz lässt die Kinder immer zu zweit an einer Aufgabe arbeiten. „Die Kinder kommen dann ins Reden und suchen zusammen nach einer Lösung“, erzählt sie.

Im Markt Einersheimer Kindergarten dürfen nur die Vorschulkinder in den Computerraum. In vielen Haushalten dürfte das anders aussehen. Da dürfen schon die Kleinsten ans Tablet oder an den Fernseher. Medienpädagogin Ruhe hat klare Vorstellungen, was das Alter angeht: Von null bis drei Jahre sollten Medien ganz tabu sein, Drei- bis Sechsjährige sollten täglich lediglich 20 bis 30 Minuten Medien konsumieren, Sieben- bis Zehnjährige maximal 60 Minuten und Zehn- bis Zwölfjährige maximal 90 Minuten. Warum? Brigitte Segritz hat die Antwort: „Man merkt es den Kindern an, wenn sie zu viel Zeit mit Medien verbringen. „Sie müssen das alles verarbeiten.“

Laut, nervös, hippelig, aggressiv: So verhalten sich Kinder, wenn sie zu lange vor dem Fernseher oder der Playstation saßen. „Sie sind angespannt, wenn sie etwas gesehen haben, was sie nicht verarbeiten können“, berichtet Erzieherin Doris Reuther. Der Markt Einersheimer Kindergarten hält das Medienangebot deshalb gezielt knapp. Vor einigen Monaten hat das Haus einen Fernseher geschenkt bekommen – aber noch nie genutzt. „Die Kleinen sollen sich ihre Kindheit bewahren“, meint Reuther. Und ihre Kollegin Brigitte Segritz weiß, wie das am Besten geht: „Ganz viel draußen spielen, in der freien Natur. Denn Lernen braucht Bewegung. “

Henry und seine Freunde sehen das offenbar genauso. Kaum haben sie den Computer ausgeschaltet, flitzen sie hinaus in den Hof und auf die Schaukel. Es gibt Besseres zu tun, als den ganzen Tag vor dem PC zu sitzen.

Tipps zum Medienkonsum

Klare Regeln: Eltern sollten ihre Kinder in die Bedienung der Geräte einweisen und ihnen genau erklären, wie man sie richtig benutzt. Eltern sollten ihren Kindern immer als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, um mit den Kindern über die Inhalte zu sprechen. Vor dem Medienkonsum sollte klar abgegrenzt sein, was gesehen beziehungsweise gespielt werden darf. Außerdem ist es sinnvoll, die Nutzungsdauer genau festzulegen.

Konzentriert bei der Sache: Henry, Raphael und Hannah üben mit dem Computerprogramm „Schlaumaus“. Eine Viertelstunde pro Woche darf jedes Vorschulkind in den Computerraum. Länger nicht.
Foto: Ralf Dieter | Konzentriert bei der Sache: Henry, Raphael und Hannah üben mit dem Computerprogramm „Schlaumaus“. Eine Viertelstunde pro Woche darf jedes Vorschulkind in den Computerraum. Länger nicht.
henry und raphael
| henry und raphael
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Ralf Dieter
Fernsehgeräte
Kindergärten
Rotlichtviertel
Tablet PC
Zauberer
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top