Mittwoch-Nachmittag, Stunde 9 und 10 – ungefähr 120 Schüler hören einem Offizier der Bundeswehr zu, der ohne Mikrofon spricht. Es geht um Themen der Sicherheitspolitik.
Die Schüler haben bereits einen anstrengenden Vormittags- und Nachmittagsunterricht hinter sich gebracht und so muss es wohl an der gewinnenden Art und Weise der Präsentation des Hauptmanns gelegen haben und an den Inhalten dieser Präsentation, dass im wahrsten Sinne des Wortes zugehört wurde, teilt das Gymnasium mit.
Worum ging es?
Ziel der Präsentation war es, einen Überblick (konform mit den Zielen des Lehrplans) über Sicherheitspolitik und der Rolle der Bundeswehr hierbei zu vermitteln, ausgehend von dem oftmals in der Öffentlichkeit so empfundenen Eindruck, dass die internationale Sicherheitslage global betrachtet immer chaotischer geworden sei und dass auch die Zahl der gewaltsamen Konflikte auf dem internationalen Parkett zugenommen habe: das Gegenteil ist richtig. Gab es 1990 beispielsweise noch ungefähr 32 ernst zu nehmende internationale Konflikte, so waren im Jahr 2007 „nur noch“ 14 zu zählen.
Sehr interessant war es für die Schüler, zunächst zusammen mit Hauptmann Klapprodt darüber zu reflektieren, wie dieser Eindruck einer doch recht „chaotischen“ Sicherheitslage zustande kommt. Hierzu tragen bei:
die gestiegene Anzahl neuer Staaten, was eine Verunsicherung der Sicherheitslage fördere; der schnelle, unmittelbare Zugang zu mehr und umfassenderen Informationen aufgrund der Entwicklung der Medien; damit auch der schnelle und unmittelbare Zugang zu „grausigen“ Informationen wie Unglücksfälle, Terrorismus, Kriege, Hungersnöte, Naturkatastrophen etc.;
die Veränderung der Kriegsqualität (Krieg zum Beispiel gegen internationalen Terrorismus); ungelöste Konflikte wie Russland gegen Japan (Kurileninseln), China gegen Taiwan, der Problemfall Nordkorea, Pakistan gegen Indien (Kaschmirregion), das Israel-Palästinenser-Problem; Kriege gegen nichtstaatliche Akteure (Nato gegen Taliban in Afghanistan) und so weiter;
der Problemfall „Afrika“ (Liberianischer Bürgerkrieg mit 90 000 Toten 1990 – 2003);
der Fall Ruanda (Hutus gegen Tutsis mit über 800 000 Toten allein im Jahr 1994);
der Problemfall Somalia, der sich in mittelfristiger und auch langfristiger Perspektive in den Augen des Referenten noch schlimmer auswirken könnte als der Fall „Afghanistan“, da er die ganze Region um das strategisch wichtige Horn von Afrika (Anmerkung des Verfassers: Zugang zum strategisch sehr wichtigen Suez-Kanal) destabilisieren könnte. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen.
Sie bot Anlass, einmal grundsätzlich über den Begriff „Sicherheit“ nachzudenken und sehr schnell wurde klar, dass Sicherheit nicht nur durch Gesetze, Polizei und Militär entsteht, sondern dass hier auch ganz andere Dimensionen eine sehr gewichtige Rolle spielen, unter anderem Bildungspolitik, Familienpolitik (in Kontext mit Sozialpolitik), Wirtschaftspolitik und so weiter – es entwickelt sich so ein multidimensionales Sicherheitsverständnis, das seinerseits dann bedroht wird durch eine ganze Reihe weiterer Faktoren wie: Internationaler Terrorismus, religiöse und ethnische Konflikte, Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen, Störungen der Rohstoff- Waren- und Kommunikationsströme.
Vor diesem Hintergrund wurde dann sehr schnell deutlich, dass die traditionellen Aufgaben der Bundeswehr um die neuen Komponenten ?internationale Konfliktverhütung, Krisenbewältigung einschließlich des Kampfes gegen internationalen Terrorismus, Unterstützung von Bündnispartnern erweitert werden mussten.
Besonders wurde am Schluss des Vortrags betont, dass jedes Engagement der Bundeswehr einer ausdrücklichen parlamentarischen Genehmigung bedürfe, jedes mögliche Engagement werde als Einzelfall geprüft, genehmigt oder eben auch abgelehnt: die Bundeswehr sei daher ein ganz klares Parlamentsheer.
Etliche Nachfragen zeigten am Schluss des Vortrags, dass trotz fortgeschrittener Stunde das Interesse der Schüler/innen ganz und gar nicht erloschen war. Gefragt nach der Bedeutung des aktuellen Verteidigungsministers Thomas de Maiziere gegenüber seinem Vorgänger zu Karl-Theodor zu Guttenberg bezog Hauptmann Klappenrodt deutlich Position: der amtierende Minister überzeuge ihn absolut durch die „geräuschlose Effektivität“ seiner Arbeit sowie durch seinen enormen Einsatz, ohne dies in großem medialen Stil zu inszenieren.
Das Steigerwald-Landschulheim Wiesentheid dankt Hauptmann Klappenrodt für diesen sehr kurzweiligen und informativen Mittwoch-Nachmittag in der Hoffnung, dass der Kontakt erhalten und vielleicht noch etwas ausgebaut werden kann, heißt es noch in der Meldung an die Presse.
U. Bäumler (LSH Wiesentheid)