
Vorne an der Stirnseite hängt die Tafel, im Schrank steht das Lesebuch von 1958, dahinter ein Stapel blauer Hefte, Schuljahr 1962/63. „Gewissenhaft“, hat der Lehrer unter einen der Aufsätze geschrieben. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, auf die sich der Iphöfer Bauausschuss am Montagabend mit Bürgermeister Josef Mend an der Spitze begibt. Eine der Stationen der Stadträte: das verwaiste Schulhaus in Hellmitzheim.
Der frühere Lehrer Gerhard Weiser hat hier im Erdgeschoss bis zu seinem Tod vor ein paar Jahren gelebt. Einer Generalsanierung des Gebäudes, das der Stadt gehört, hat er sich stets verweigert: Für die Zeit der Bauarbeiten hätte er ausziehen müssen, das wollte er nicht. Bis auf kleinere Modernisierungen, etwa im Bad, wurde deshalb seit Jahrzehnten nichts an dem Haus gemacht. Sanierungsstau nennt man das wohl.
Die Räte sind an diesem Abend mit dem Bus gekommen, um sich ein Bild über den Zustand des markanten Gebäudes zu machen. Mend sagt: „Das ist ein elementarer Bau für Hellmitzheim von großer städtebaulicher Bedeutung. Normal hält man als Kommune ein Schulhaus.“ Doch was tun mit dem 1889 errichteten Anwesen, dessen Dachstuhl nach außen drückt und Risse in der Substanz verursacht, wie Experten festgestellt haben? Dessen Anbau im hinteren Teil sich nach und nach vom Hauptgebäude ablöst? Mend sagt, bei aller Liebe zu dem Gebäude bedürfe es einer „vernünftigen wirtschaftlichen Nutzung“. Die ist in weiter Ferne.
Mend ruft die Hellmitzheimer auf, bei der Suche nach Lösungen mitzuhelfen. Aber der zweite Bürgermeister Ludwig Weigand, der auch Hellmitzheimer Stadtteilreferent ist, sagt, die Leute wollten keine öffentliche Nutzung des Hauses. Es gibt im Ort schon ein Bürgerhaus. Stattdessen schlägt er vor, „günstigen Wohnraum für junge Familien“ zu schaffen. Mend nimmt den Gedanken auf, verweist aber auf die Kosten für einen Umbau: „Da verschwindet problemlos eine Million.“ Eine wirtschaftliche Miete sei für die Stadt in diesem Fall nicht zu erzielen. Darüber müssten sich alle im Klaren sein.
Auch in Possenheim hat die Stadt ein Schulhaus als historisches Erbe zu betreuen, auch dort wird von Zeit zu Zeit diskutiert, was mit dem Gebäude geschehen soll. Im Moment sind dort Teile des städtischen Archivs und der Registratur untergebracht. Aber diese Akten wandern nun zurück nach Iphofen. Dann steht das Possenheimer Schulhaus, errichtet Mitte der 1950er Jahre, wieder leer – mit allen Problemen, die es verursacht. Der Bau wurde nicht nach heutigen Standards in der Erde gegründet, er sackt ab, sichtbar an den Rissen im Mauerwerk. Die ehemalige Lehrerwohnung im hinteren Teil ist zwar vermietet, doch was mit den alten Schulräumen passieren soll, weiß in Possenheim keiner. Nur einige Schritte entfernt steht das Bürgerhaus.