500 Kilometer sind es bis zur deutsch-polnischen Grenze. Klingt nach einer sicheren Entfernung. Thomas Schwarzmann verneint. „Jeder ist in Alarmbereitschaft.“ Die Afrikanische Schweinepest versetzt auch die Landwirte in Mainfranken in Angst und Schrecken. Und hat schon jetzt spürbare Folgen.
46 Fälle von Afrikanischer Schweinepest sind mittlerweile in Brandenburg nachgewiesen. Allesamt bei Wildschweinen. Auf Hausschweine ist die Krankheit bislang nicht übertragen worden. „Das wäre eine Katastrophe“, sagt der Leiter des Staatsgutes in Schwarzenau. Entsprechend groß ist die Furcht und entsprechend umfangreich die Vorbereitung auf solch einen Fall.
Sollten tatsächlich Hausschweine von der ASP betroffen sein, würden die Tiere auf dem betroffenen Hof gekeult. Schlimm – aber immerhin erhielte der Besitzer eine Entschädigung. „Alle weiteren seuchenrechtlichen Tötungen ergeben sich dann aus der jeweiligen epidemiologischen Situation“, erklärt Veterinärin Dr. Claudia Baldauf vom Landratsamt Kitzingen. Eine direkte Übertragung von Wild- auf Hausschwein ist eher unwahrscheinlich, betont Schwarzmann. Und: Die Betriebe sind in der Regel mit guten Hygienekonzepten abgesichert.
Wahrscheinlicher ist der Kontakt über den Menschen. Ein Landwirt, der auch Jäger ist, bringt das Virus beispielsweise ungewollt mit in den Stall. „Diese Gefahr ist bei Einhaltung der vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen aber eigentlich auch gering“, sagt Schwarzmann. „Dennoch stehen die Schweinehalter hier alle unter Strom.“
Rund 120 Seiten umfasst der Rahmenplan, der bei einem Ausbruch der ASP beim Wildschwein in Bayern greifen würde. Das Vorgehen ist detailliert geregelt, versichert Schwarzmann. „Bis hin zu einem möglichen Einsatz des Militärs.“ Im absoluten Notfall könnten Bundeswehrsoldaten die befallenen Gebiete durchstreifen und nach toten Wildschweinen suchen, die dann auf den Erreger hin untersucht werden. Die wichtigsten Ansprechpartner sind allerdings die Jäger, wenn es darum geht, ein Gebiet nach toten Wildschweinen abzusuchen, um damit die Quelle von möglichen Neuinfektionen zu beseitigen. „Nur die Jäger wissen, wo sich die Wildschweine in ihrem Revier aufhalten“, betont Dr. Baldauf. Eine erfolgreiche Fallwildsuche brauche daher nicht unbedingt das Militär, sondern vor allem das Wissen des jeweiligen Revierinhabers.
Die Afrikanische Schweinepest (ASP) tritt vor allem in Ländern südlich der Sahara auf. Vermutlich wurde sie von dort nach Georgien eingeschleppt. Im Juni 2007 wurden dort jedenfalls die ersten Ausbrüche gemeldet, wie das Bundesministerium für Landwirtschaft auf seiner Homepage schreibt. Von Georgien aus verbreitete sich die Krankheit immer weiter westwärts. Tschechien meldete 2018 einige wenige Fälle, in Polen hat es in diesem Jahr schon mehr als 90 Seuchenfälle in der Landwirtschaft bei Hausschweinebeständen gegeben, wie das Fachblatt „Fleischwirtschaft“ in Bezug auf die oberste Veterinärbehörde berichtet. Die Zahl der zwangsweise gekeulten Nutztiere stieg in Polen in diesem Jahr auf rund 56.800 Stück. Davon ist Deutschland noch weit entfernt. Aber Wildschweine mit dem Virus sind längst über die Grenze gekommen. „Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Afrikanische Schweinepest auch hierzulande auftritt“, sagt Martin Fries vom Amt für Landwirtschaft in Würzburg. Was ihn und die Landwirte, die er mit seinen Beratern regelmäßig aufsucht, am meisten ärgert, ist die Leichtfertigkeit, mit der die Behörden in Brandenburg das Thema offensichtlich behandelt haben: Windschiefe Elektrozäune, die teilweise nicht unter Strom gesetzt waren, können die Verbreitung der Krankheit jedenfalls nicht aufhalten. „Tschechien hat 2018 massive Zäune errichtet und die Armee angewiesen, Treibjagden durchzuführen“, berichtet Fries. Das Ergebnis: Nach einem Jahr galt das Land als frei von ASP.
Das Virus wird entweder über direkte Tierkontakte oder indirekt, zum Beispiel über Fleisch oder Wurst von infizierten Tieren, übertragen. Für den Menschen ist es ungefährlich. Es sei denn, der Mensch ist Ferkelerzeuger oder besitzt einen Schweinemastbetrieb. Dann gefährdet die Afrikanische Schweinepest den wirtschaftlichen Erfolg und mitunter die Existenz des Landwirts. Selbst wenn die Gefahr 500 Kilometer entfernt scheint.
„Der Preisverfall tut weh“, sagt Martin Fries und unterstellt den Chinesen eine ganz gezielte Preispolitik. Sein Vorwurf: Die Chinesen bekämen die Afrikanische Schweinepest selbst überhaupt nicht in den Griff und würden dennoch den Preis von Exporten aus Europa drücken. Exportländer wie China, Japan oder Korea nehmen Schweinefleisch nur aus Ländern entgegen, die frei von ASP sind, erklärt Veterinärin Dr. Baldauf. „Dieser Passus kann in den Exportzeugnissen nun nicht mehr unterschrieben werden.“ Dass Brandenburg und Franken 500 Kilometer trennen, ist den Abnehmern in Fernost egal. Der Preisverfall treffe vor allem die Ferkelproduzenten. Die fränkischen Sauen ferkeln schließlich unabhängig von der aktuellen Situation an der deutsch-polnischen Grenze weiter. Der Absatz für die Ferkel wird jedoch immer schwieriger. Bei rund 120 Prozent liegt der Selbstversorgungsgrad von Schweinefleisch in Deutschland. Will heißen: 20 Prozent gehen in den Export. Wichtige Absatzländer wie Thailand, Japan oder China haben ihre Bestellungen mit dem ersten gemeldeten Fall aus Brandenburg eingestellt. Was das für den einzelnen Betrieb bedeutet? 1,27 Euro für ein Kilogramm Fleisch statt 1,85 Euro. „Bei einem Schlachtgewicht von 95 Kilogramm macht das ein Minus von rund 55 Euro“, rechnet Schwarzmann vor und glaubt nicht an ein schnelles Ende dieses Dilemmas. Mindestens ein halbes Jahr wird der Preis im Keller bleiben, befürchtet er. Der Schaden für die hiesigen Erzeuger ist damit längst angerichtet – selbst wenn die Grenze zu Polen rund 500 Kilometer entfernt ist.
Afrikanische Schweinepest
Gefahr: Die Tierseuche ist für den Menschen ungefährlich. Auch vom Verzehr von gegebenenfalls kontaminierten Fleisch geht keine Gefahr für die Gesundheit aus. Für Schweine ist die ASP allerdings in jedem Fall tödlich.
Übertragung: Das Virus wird direkt über Tierkontakte oder indirekt, zum Beispiel über Fleisch oder Wurst von infizierten Tieren, übertragen. Unter ungünstigen Bedingungen können unachtsam entsorgte Reste von virushaltigem Reiseproviant ausreichen, um die Seuche einzuschleppen. Solche Essensreste sollten daher vermieden oder für Wildschweine nicht zugänglich entsorgt werden. Für Haus- und auch für Wildschweine besteht seit Jahrzehnten ein Verbot der Verfütterung von Küchen- und Speiseabfällen. Da das Virus außerordentlich lange ansteckungsfähig bleibt, kann es auch durch Gegenstände wie Werkzeuge, Schuhwerk oder Kleidung sowie Transportfahrzeuge weiter verbreitet werden. Deshalb sollten Reisende – auch Jagdreisende – und Transporteure sich besonders vorsichtig und verantwortungsvoll verhalten und Hygienemaßregeln beachten.
Quelle: Bundesministerium für Landwirtschaft