So etwas hat Artur Steinmann noch nie erlebt. Und der Präsident des Fränkischen Weinbauverbandes ist seit mehr als 40 Jahren Winzer. Der Falsche Mehltau (Peronospora) hat etliche Fränkische Winzer hart getroffen. Vor allem zwischen Randersacker und Sulzfeld ist der Pilzdruck enorm.
Punktuell werden Einbußen von bis zu 80 Prozent erwartet. Die zweite Ernte in Folge, die für einige Winzer einem Ausfall gleich kommt.
„Seit 40 Jahren hatten wir kein Problem mehr mit der Peronospora“, sagt Herrmann Mengler. Der Fachberater des Bezirks Unterfranken erinnert an den 9. Juli. Rund 100 Millimeter Regen haben sich über weite Teile Mainfranken ergossen. Auch danach blieb es feucht. Ideale Bedingungen für den Pilz.
„Wenn die Krankheit einmal im Weinberg ist, kriegst du sie nicht mehr raus“, sagt Mengler. Betroffen sind vor allem Ökowinzer. Die bringen prophylaktisch Kupfer aus, das bei diesen Regenmengen aber keine Wirkung zeigt. Der schützende Belag wird abgewaschen, die Blätter trocknen über Tage hinweg nicht ab.
Haben Landwirte und Winzer in den letzten Jahren über zu wenig Regen geklagt und den Trockenstress für ihre Pflanzen beklagt, sieht es 2021 genau anders herum aus. Die letzten fünf Tage waren laut Mengler „eine Katastrophe.“ Erst seit Mittwoch scheint die Sonne wieder. Artur Steinmann hofft jetzt auf einen Bilderbuch-Altweibersommer. Selbst der könnte nicht alle Sorgen wettmachen. Bei 60 Grad Oechsle liegt das durchschnittliche Mostgewicht im Moment. „Im Vergleich zu den letzten Jahren sind wir 15 bis 20 Grad Oechsle hintendran“, meint Mengler. Während 2018 bereits im August gelesen wurden und die Ernte 2019 im September eingefahren war, wird es heuer eine Ernte geben, wie sie zuletzt in den 1980 und 90er-Jahren zu erleben war: Weinlese im Oktober.
Für die GWF bedeutet das eine logistische Herausforderung. Am zweiten Mittwoch im November müssen die „Jungen Franken“, eine der wichtigsten Linien der Genossenschaft, in den Regalen des Lebensmitteleinzelhandels stehen. „Wir werden lieferfähig sein“, kündigt Vorstandsvorsitzender Andreas Oehm an und erwartet eine „kompakte Lese“.
Zur Not könne die komplette Ernte innerhalb von zehn Tagen eingefahren sein. Immerhin: Nach den Frostschäden des letzten Jahres und einer geringen Erntemenge von rund 5,7 Millionen Liter erwartet er heuer neun bis zehn Millionen Liter. Die Menge wird auch gebraucht. „So trocken war die GWF lange nicht mehr“, sagt Oehm. Die Zeiten, in den zwei Ernten in den Keller lagerten, sind längst vorbei. In Sachen Federweißer wird die GWF deshalb auch sehr verhalten operieren. „Wir müssen unsere Bestände für den Weinbereich schonen“, sagt Oehm, der guter Dinge ist, wenn es um die Genossenschaft als Ganzes geht. „Auch wenn es natürlich dramatische Einzelschicksale gibt.“
Was lässt sich lernen aus diesem niederschlagsreichen Jahr? Hermann Mengler kann sich vorstellen, den Anteil von pilzwiderstandsfähigen Sorten wie Souvignier Gris oder Calardis Blanc weiter zu erhöhen. Riesling, Kerner und Scheurebe sind mit den Bedingungen in diesem Jahr besonders schlecht zurecht gekommen, der Silvaner war – wie so oft – wieder einmal der Gewinner. „Die Diversifikation wird voranschreiten“, prophezeit der Fachberater.
Andreas Oehm wiederum möchte in der Lehre, Forschung und Ausbildung ansetzen. Die Frage sei, wie die Winzer ihre Weinberge in Zeiten des Klimawandels stärken könnten, wie sie ihre Pflanzen auf die veränderten Bedingungen einstellen. Mal gebe es zu viel, mal zu wenig Nährstoffe. Ein dichteres Netz an Analysen könnte eine mögliche Disharmonie zu Tage fördern. Die Winzer könnten rechtzeitig handeln.
Jetzt gelte es erst einmal, eine zukunftsweisende Ernte einzufahren. „Die nächsten vier Wochen sind entscheidend“, sagt Artur Steinmann und hofft auf einen möglichst trockenen und warmen Altweibersommer. „Dann könnte es eine kleine Ernte mit spannenden Weinen geben“, sagt er. Die Niederschläge und relativ kühlen Temperaturen haben immerhin für eine hohe Mineralität gesorgt, die Inhaltsstoffe sind ausgeprägt. Zumindest bis Mitte September machen die Vorhersagen der Meteorologen den fränkischen Winzern Hoffnung.
In vielen Fällen waren die Wirkstoffe nicht auffällig in der Risikoanalyse.
Nur das Sharehoulder gerichtete Streben der Konzerne nach Gewinnmaximierung führt hier zu fehlenden Wirkstoffen im Spritzplan.