Er bekommt jeden Tag Pakete. Viele Pakete. Und jetzt um Weihnachten herum noch mehr als sonst. Aber kein einziges macht er auf. Obwohl der Inhalt oft richtig interessant ist.
Harald Endrich ist Zöllner. Er und seine 24 Kollegen im Zollamt Dettelbach-Mainfrankenpark haben es pro Monat mit mindestens 1000 Päckchen und Postsendungen zu tun, die bei der Einfuhr nach Deutschland von den Kollegen des internationalen Postzentrums am Flughafen Frankfurt aussortiert und ans Zollamt weitergeleitet wurden. Die Dettelbacher Zöllner öffnen sie nicht – sie lassen sie öffnen.
Das Zollamt ist ein nüchterner Bau. An beiden Seiten des langen Flurs befinden sich zahlreiche Büros, teils mit Glasfenstern, für die gewerblichen und die privaten Zollabwicklungen. Letztere nehmen immer mehr zu, seit vor fünf, sechs Jahren der Internet-Boom voll durchschlug.
Ein weiterer Raum ist die so genannte Kasse. Hier zahlen Menschen, die Postsendungen abholen wollen, Zoll-, Einfuhrumsatz- oder Verbrauchssteuern. Erst dann dürfen sie ihr Paket mit nach Hause nehmen. Wenn nichts dagegen spricht.
Oft ist das aber der Fall. Die neuen Schuhe aus China sind keine echten Nikes, sondern Fälschungen? Pech! Harald Endrich und sein Team legen den Produktpiraten, so weit sie können, das Handwerk. „Ob Markenuhr oder Designer-Handtasche: Vermeintliche Schnäppchen aus Nicht-EU-Staaten sind oft billige Fälschungen“, weiß der erfahrene Zöllner.
Die Sache mit dem „Gift“
Solche „Schnäppchen“ verkehren sich ins Gegenteil, wenn sie aus dem Verkehr gezogen und vernichtet werden. Auf den Kosten bleibt der Besteller oft sitzen, ihm bleibt höchstens die Klage vor Gericht. Um sich solchen Ärger zu ersparen, rät der Abfertigungsbeamte: „Gerade im Internet ist ein gesundes Misstrauen sinnvoll.“ Im Zweifel sollte man lieber einmal mehr klicken und genau hinschauen, wer eigentlich der Anbieter und der Hersteller ist.
Im Idealfall ist die Zollinhaltserklärung vollständig ausgefüllt und möglichst mitsamt einer Rechnung an der Außenseite des Paketes angebracht. Dann können Postsendungen aus Drittländern direkt durch den Paketzusteller an den Empfänger ausgeliefert werden. Zweifelhafte Sendungen jedoch – egal ob wattierter Umschlag oder riesige Kiste – landen im Zollamt Dettelbach, wenn der Adressat im Umkreis von 80 Kilometern wohnt, also zum Beispiel im Kreis Kitzingen, Main-Spessart oder Würzburg.
Die Zöllner wissen genau, worauf sie schauen müssen. Sobald zum Beispiel „Gift“, also Geschenk, auf den Paketaufklebern steht, gucken sie zweimal hin. „In der Hoffnung, dass die Pakete durchgewunken werden, schreiben die Chinesen einfach überall 'Gift' drauf“, sagt Harald Endrich. Auf die gefälschten Markenschuhe genauso wie auf den maßgeschneiderten Anzug.
Nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ muss der Adressat die Rechnung für den Paketinhalt vorweisen und das Paket gegebenenfalls eigenhändig vor den Augen der Zöllner öffnen. „Die wissen dann, welcher Steuersatz gilt und noch bezahlt werden muss“, erklärt Pressesprecher Stefan Schramm.
Da geltende Europarecht kann ziemlich kompliziert sein. Handys und Computerteile dürfen etwa zollfrei eingeführt werden, aber die Umsatzsteuer muss noch berappt werden. Bei Schuhen unter 150 Euro Wert werden noch 19 Prozent Mehrwertsteuer (Einfuhrumsatzsteuer) fällig, bei teureren Tretern zusätzlich noch einmal zwischen acht und 17 Prozent Zoll.
Harald Endrich und seine Kollegen müssen stets über die neuesten Einfuhrverbote und Beschränkungen Bescheid wissen. Ellenlang ist die Liste im PC, die jedes einzelne Teilprodukt benennt. „Wir sind Beamte, die Recht und Gesetz umsetzen müssen. Aber unser Ziel ist immer ein gutes Miteinander“, betont Harald Endrich. Sein Chef, Zollamtsleiter Matthias Bachert, beschreibt die Situation so: „Die wenigsten Menschen wollen ja etwas Illegales einkaufen. Den allermeisten ist einfach nicht bewusst, dass Produkte bestimmte Einfuhr-Voraussetzungen erfüllen müssen.“
Zum Beispiel müssen sie nach EU-Sicherheitsstandards produziert worden sein und das CE-Kennzeichen haben. Auch bei Arznei-, Lebens- und Futtermitteln gelten strenge Vorschriften. Die Einfuhr von Waffen und Munition ist generell nur mit Spezialerlaubnis möglich.
Hühnerfüße und Sexspielzeug
„Wir hatten schon einen Kotflügel für einen Oldtimer hier stehen, Rauschgift, Softair-Waffen, Videos und Sexspielzeug. Und einmal ein Plastikfass mit fermentiertem Fisch – das war vielleicht ein Gestank!“, berichtet Endrich lachend von kuriosen Sendungen. „Nicht zu vergessen die koreanischen Care-Pakete mit Hühnerfüßen.“
Langweilig wird es den beiden im Zollamt Dettelbach so schnell nicht: Jeder Tag bietet potenziell neue Überraschungen. Die Zöllner dürfen die Pakete zwar nicht selbst öffnen – Postgeheimnis –, doch sie sind hautnah dabei, wenn der Empfänger oder auch der anliefernde Postbote auf Bitten der Zöllner hin in die Kartons blickt. So manches Geschenk entpuppt sich dabei als „Gift“ – im deutschen Sinn.
Rat und Hilfe
„Genau hinschauen und das Kleingedruckte lesen.“ Das raten Matthias Bachert, Zollamtsleiter im Mainfrankenpark, und der Abfertigungsbeamte Harald Endrich. Bei Fragen zur Zollabfertigung kann man sich jederzeit an die Zöllner in Dettelbach wenden oder im Internet unter www.zoll.de sämtliche Bestimmungen nachlesen. Außerdem gibt es eine nagelneue Zoll-App mit aktuellen, spannenden Infos. ldk