Ein Wintertag im Januar 2021, ein kleiner Ortsteil im östlichen Landkreis. Pure Idylle, könnte man meinen. Doch die wird jäh gestört. Beim Schneeräumen eskaliert ein lange schwelender Nachbarschaftsstreit. Ein 74-Jähriger geht mit der Schneeschaufel auf seinen Nachbarn los. Er trifft den 63-Jährigen nicht, weil der den Schlag abwehren kann. Eine Anzeige wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gibt es dennoch. Und so kam es zu diesem eher unfreiwilligen Rentnertreffen vor dem Kitzinger Amtsgericht.
Dort saßen nun, Monate später, fünf Nachbarn: der 74-Jährige als Angeklagter, vier weitere als Zeugen. Am Ende war für das Gericht klar: Der Mann hat sich einer versuchten gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht. "Gefährlich" deswegen, weil die Schneeschippe als "Waffe" gewertet wurde. Amtsgerichtsdirektorin Ingrid Johann verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe von 500 Euro (50 Tagessätze zu zehn Euro). Damit kam der Mann noch relativ günstig davon. Die Staatsanwältin hatte 2700 Euro (90 Tagessätze zu 30 Euro) gefordert und das mit dem fehlenden Geständnis und der "Uneinsichtigkeit des Angeklagten" begründet.
Der Angeklagte ist sich keinerlei Schuld bewusst
Der Renter hatte von von Anfang an klar gestellt: "Ich bin mir keiner Schuld bewusst, ich habe ihn nicht verletzt." Den Hinweis des Gerichts, dass es darum gar nicht gehe, sondern dass auch der Versuch strafbar ist, wollte der Mann nicht so richtig einsehen. Dass es den Versuch gegeben hat, war nach den Zeugenaussagen für das Gericht erwiesen. Nur die Ehefrau des Angeklagten stützte dessen Version, wonach überhaupt nichts passiert sei.
Die restlichen Zeugen und Nachbarn hatten den Nachmittag des 23. Januar anders in Erinnerung. Es hatte an dem Tag öfter geschneit. Mehrfach musste Schnee geräumt werden. Dass der 74-Jährige dabei den Schnee auf dem Grundstück des Nachbarn ablud, brachte den in Rage. Der stellte den Schneeräumer zur Rede. Nach einem verbalen Streit holte der Rentner mit der Schneeschippe aus und schlug auf seinen Nachbarn ein. Der wehrte den Schlag mit dem eigenen Schneeräumgerät ab.
Auch wenn er nicht getroffen wurde: "Mir reichte es", sagte er dem Gericht. Seit Jahren gebe es Sticheleien, Streitereien, Beleidigungen und Drohungen: "Seit der in Rente gegangen ist, ist er immer ekelhafter geworden", sagte der 63-Jährige. "Irgendwann ist dann mal Schluss", begründete der Mann den Anruf bei der Polizei.
Strafe wird der Rente des Mannes angepasst
Damit nahm das Verfahren seinen Lauf. Beim Vorschlag der Staatsanwaltschaft, die Sache ohne Verhandlung über einen Täter-Opfer-Ausgleich aus der Welt zu schaffen, machte der 74-Jährige nicht mit. Dafür sagte die Staatsanwaltschaft nein zu einem Vorschlag des Gerichts, das Verfahren gegen die Zahlung von 300 Euro einzustellen. So kam es am Ende zu einem Urteil und den 50 Tagessätzen, deren Höhe der eher kleinen Rente des Mannes angepasst wurde. Den Wüterich schickte die Richterin mit dem Rat nach Hause: "Halten Sie sich von ihrem Nachbarn fern und genießen Sie ihren Ruhestand."
Nee, es besteht kein Anlass, den Vorfall zu bagatellisieren. Der gute Mann hat sich nicht im Griff, und das kann auch mal böse ausgehen.