Gutschein: 3mal küssen – so steht’s mit Bleistift auf einem Stück Papier, das beim Durchblättern des Backrezepte-Ordners aus einer der Klarsichtfolien segelt. Ach ja, da war was. Vor zehn Jahren oder so. Der kleine Sohn stellte damals fest: Es ist Mamas Geburtstag und ihm fehlt ein Geschenk. Also schreibt der Bub rasch einen „3mal küssen“-Gutschein, den die Mama sooooo süüüüüüß findet, dass sie ihn aufbewahren will. Für schlechte Zeiten. Und weil diese oft mit Back-Aktionen einhergehen – nichts tröstet besser als ein Schokokuchen –, legt sie den Küsschen-Coupon zu den Lieblingsrezepten.
Andere wertvolle Besitztümer lagert sie im Keller. Ein Holzkistchen mit Wappen etwa – edel und geheimnisvoll kam es einst daher, passend zu den Worten des Schenkenden: "Da ist ein ganz besonderes Stöffle drin. Das soll einmal einen ganz besonderen Moment begießen." In Erwartung dieses einzigartigen Anlasses lag der Bocksbeutel fortan im Kellerregal neben der mundgeblasenen Glasplatte (Kommuniongeschenk des Uropas) und dem großen Besteckkoffer (Geschenk zum 18. von Opa), die dort etwa so lange auf ihren großen Auftritt warteten wie Charles III. auf den Thron.
Doch dann kam er tatsächlich, der große Tag. Die Beerenauslese sollte quasi zum Krönungswein für Normalsterbliche werden. Hätten Letztere schon einen in der Krone gehabt, vielleicht hätten sie den Essiggeschmack lustig gefunden. So aber war ihnen zum Heulen, als sie erkannten: Selbst der teuerste Wein ist nicht ewig lagerfähig. Zum Trost will die ungekrönte Queen aus dem Geschlecht der Fürimmeraufheber sich nun endlich ihre drei Küsschen vom jungen Prinzen abholen. Doch der ist auf dem Weg zur Freundin und ruft nur schnell: "Gutscheine verjähren nach spätestens fünf Jahren. Ciao!"
Das ist nun der Moment, in dem Mama in den Keller geht, das Regal der schönen Dinge plündert, einen Kuchenteig anrührt und sich bei ihrer Essigauslese schwört: Vom Schokokuchen heb' ich nicht einen einzigen Krümel auf!