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SCHWARZACH
Rückkehr der vergessenen Gemüseklassiker
Susanne Waschinger
 |  aktualisiert: 27.04.2023 00:08 Uhr

Elfriede Bold ist eine begeisterte Köchin. Und sie liebt Abwechslung auf dem Speiseplan. Deshalb organisierte die Marktbreiterin im Zuge ihrer Prüfung zur Hauswirtschaftsmeisterin einen besonderen Projekttag. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen alte Gemüsesorten, die aus der modernen Küche weitgehend verschwunden sind. Der Schwarzacher Bio-Gärtner Veit Plietz sorgt dafür, dass sie nicht in Vergessenheit geraten.

Violette Bohnen

Kochen ist für Elfriede Bold keine Pflicht, sondern ein Vergnügen. „Ich bin neugierig und probiere gerne etwas aus“, sagt die 53-Jährige. Beim Einkaufen stellte sie fest, dass es zwar ein großes Angebot, aber überall die gleichen Gemüsesorten gibt. Irgendwann stieß sie auf die Bio-Gärtnerei Plietz in Schwarzach. Hier fand sie Raritäten, die es anderswo kaum mehr gibt. Seit Jahren kauft sie nun schon dort ihr Gemüse. Und so entstand die Idee, für ihre Meisterprüfung einen Projekttag zum Thema „Vergessene Gemüseklassiker“ zu veranstalten. Bei einer Führung zeigte Veit Plietz den Teilnehmern des Projekttages, was er an besonderen Raritäten zu bieten hat. Seit 20 Jahren schon widmet er sich dem Erhalt und der Vermehrung von Nutzpflanzen, die im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten sind.

Den Anstoß erhielt er bei einer Gärtnerfahrt nach Österreich. Dort besuchte er den Schaugarten des Vereins „Arche Noah“, der sich den Erhalt alter Kultursorten auf die Fahnen geschrieben hat. „Ich bin damals rein und dachte: Das kennst du eh alles. Dann bin ich raus und hab? gar nichts gekannt“, erzählt er. „Da hat es bei mir geklingelt.“

Wer einen Rundgang durch die Schwarzacher Bio-Gärtnerei macht, entdeckt Gemüsesorten, die es anderswo nicht gibt: Gestreifte Auberginen, violette Bohnen oder kleine, spitze Paprikas hängen dort im Gewächshaus. Und das ist noch längst nicht alles. „Viele alte Sorten sind der Regulierung durch EU und Handel zum Opfer gefallen“, erklärt der Gärtnermeister. Sie wieder zu entdecken und dem Verbraucher schmackhaft zu machen – das hat er sich zur Aufgabe gemacht.

103 verschiedene Tomatensorten baut der Bio-Gärtner zur Zeit an, dazu 20 Paprikasorten, verschiedene Gurken- und Auberginensorten sowie andere Nutzpflanzen und Kräuter. Einen Teil verkauft er in seinem Hofladen. Der Großteil wandert in die Gemüsekisten, die er zu den Kunden nach Hause liefert. Je nach Wunsch und saisonalem Angebot werden sie unterschiedlich bestückt. Nicht nur wegen der großen Auswahl und Abwechslung sind sie beliebt. „Viele nehmen es auch als Anregung, alte Sorten auszuprobieren, die sie bislang nicht gekannt haben“, berichtet der Gärtner.

Schaubeet für Raritäten

Bei seiner Suche nach vergessenen Raritäten hat der Gärtnermeister auch einige alte Gemüsesorten aus dem Landkreis Kitzingen wiederentdeckt. Von einer Mainstockheimerin bekam er beispielsweise eine alte Tomatensorte, die diese vor 40 Jahren „über den Gartenzaun hinweg“ erworben hat. Ein Gärtner, der auf seinem Hof zu Gast war, schickte ihm ebenfalls Saatgut – samt zweiseitigem Begleitbrief. Wie er schrieb, handelte es sich um die Paprikasorte „Lotta“.

Benannt wurde sie nach einer Deutsch-Rumänin, die sich im Steigerwald niederließ und den Samen aus ihrer Heimat mitbrachte. Weil die Paprika so gut schmeckt, wird sie inzwischen im ganzen Dorf angebaut.

Nicht nur von Gartenfreunden aus der Region wird der Gärtnermeister bei seiner Suche nach alten Kulturpflanzen unterstützt. Seine Verbindungen reichen inzwischen in alle Teile Deutschlands bis nach Riga, Italien und Österreich. Über die „Arche Noah“ und den deutschen „Verein für den Erhalt von Nutzpflanzen“ hat er Kontakt zu vielen Gärtnern und Gartenfreunden, die ihm Saatgut schicken. So konnte er die Sortenvielfalt im Laufe der Jahre immer mehr erweitern: Bei den Jungpflanzen können die Kunden unter 300 Tomatensorten, 150 verschiedenen Topfkräutern, 30 Paprikasorten sowie verschiedenen Chili-, Gurken- und Salatsorten wählen.

Einige besondere Raritäten hat der Gärtnermeister in ein Schaubeet gepflanzt. Unter anderem hat dort der „Gute Heinrich“ einen Platz gefunden. Die mehrjährige, frostharte Spinatpflanze wurde früher in der hiesigen Region angebaut und ist noch heute in manchen alten Bauerngärten im Steigerwald zu finden. Auch der „Knollenziest“ ist in Vergessenheit geraten. Das frostharte Wurzelgemüse wurde im Mittelalter gerne verzehrt und wird in Frankreich noch heute als Delikatesse geschätzt. Ebenfalls zu den vergessenen Gemüsesorten gehört die „Zuckerwurzel“. Bevor Zuckerrohr und Zuckerrüben ihren Siegeszug antraten, diente sie als Zuckerersatz. Im Bamberger Raum wurde im Mittelalter „Süßholz“, aus dem Lakritze hergestellt wird, angebaut. Seinerzeit war die Pflanze ein echter „Exportschlager“ und wurde bis nach Arabien verkauft. Auch „Speisekletten“, deren Wurzeln verzehrt wurden, oder „Ewiger Kohl“, eine mehrjährige, frostharte Pflanze, standen früher auf dem Speisezettel.

Dass sich aus den Gemüseraritäten auch in der modernen Küche schmackhafte Speisen herstellen lassen, konnten die Projekttag-Teilnehmer im Anschluss an die Führung feststellen. Elfriede Bold hatte dazu einige Rezepte zusammengestellt, die in der Lehrküche des Kitzinger Landwirtschaftsamtes gemeinsam ausprobiert wurden. Am Ende waren sich alle einig: Das war nicht nur gesund, sondern auch richtig lecker!

Der Hofladen der Bio-Gärtnerei Plietz ist donnerstags von 13 bis 17 Uhr und freitags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Nähere Informationen im Internet unter www.oekokiste-schwarzach.de

Eine bunte Vielfalt: Tomaten in allen Farben gibt es in der Bio-Gärtnerei Plietz. 103 verschiedene Tomatensorten baut der Schwarzacher Gärtnermeister zur Zeit an.
Foto: Maria Ludewig | Eine bunte Vielfalt: Tomaten in allen Farben gibt es in der Bio-Gärtnerei Plietz. 103 verschiedene Tomatensorten baut der Schwarzacher Gärtnermeister zur Zeit an.
Ein Schaubeet zum Staunen: Der Schwarzacher Bio-Gärtner Veit Plietz pflanzt besondere Gemüseraritäten an. Hier zeigt er Elfriede Bold eine mehrjährige Spinatsorte aus dem italienischen Vallerona.
Foto: W- Ludwig | Ein Schaubeet zum Staunen: Der Schwarzacher Bio-Gärtner Veit Plietz pflanzt besondere Gemüseraritäten an. Hier zeigt er Elfriede Bold eine mehrjährige Spinatsorte aus dem italienischen Vallerona.
 
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