Von wirtschaftlichen Verlusten wegen der Corona-Krise sind nahezu alle Branchen betroffen. Ganz besonders erwischt es in diesen Tagen die Reisebüros. Zum Beispiel das von Kerstin Wirsing aus Segnitz.
Die gelernte Reiseverkehrskauffrau betreibt ihr eigenes unabhängiges Büro seit 2003, aber so etwas wie in dieser Zeit hat sie noch nicht erlebt. Reihenweise werden Reisen storniert, Kunden möchten ihr Geld zurück – und keiner weiß, wie lange das noch andauert. Das Besondere in der Reisebranche: Hat ein Kunde etwa im Dezember eine Reise gebucht, dann hat das Büro alles geplant und organisiert und dafür vom Reiseveranstalter eine Provision erhalten. Wenn nun die Reise storniert wird und der Kunde sein Geld zurück erhält, verlangen bestimmte Veranstalter die bereits gezahlte Provision vom Reisebüro zurück. Kerstin Wirsing macht das sauer.
Reisebüros haben die Arbeit und die Kosten
In ihrem Büro beläuft sich der Umsatzverlust mittlerweile auf rund 50 000 Euro. "Ich kann jeden Kunden verstehen, der jetzt sein Geld zurück möchte. Viele haben ja selbst unter Kurzarbeit und ähnlichem zu leiden und sind froh, wenn sie das Geld für den Urlaub jetzt einsparen können. Trotzdem muss ich das ausbaden", sagt sie. Was sie besonders ärgert: Die Reiseveranstalter gingen sehr unterschiedlich vor; mancher würde die Büros nur wenig unterstützen. Was sie dreist findet: dass ein Reiseveranstalter den Kunden anbiete, die Abwicklung bequem über die eigene Website zu erledigen und dort noch satte Rabatte auf den Reisepreis gewähre. Damit würden die Kunden bewusst von den Reisebüros weggelockt. Wirsing überlegt sich, ob sie solche Veranstalter nach der Krise noch buchen wird: "Wir haben uns einiges viele zu lange gefallen lassen", fasst sie zusammen.
Aus Wirsings Sicht perfide: Die vielgepriesene Gutscheinlösung sei noch gar nicht von der EU-Kommission genehmigt, werde den Kunden aber bereits als Ideallösung dargestellt, mit der man dem Reiseveranstalter noch einen Gefallen tue. Dass dies aber auf dem Rücken der Büros geschehe, merken die Kunden in der Regel gar nicht. Zusammen mit anderen unabhängigen Reisebüros hat sie inzwischen eine Kooperation ins Leben gerufen, um sich gegen Großkonzerne zu wehren. Unter anderem möchten sie die angefallene Arbeit mit Beratung zur Stornierung, Aufklärung über die Gutscheine und ähnliches den Reiseveranstaltern in Rechnung stellen.
Gutscheine als Mogelpackung?
Grundsätzlich empfänden die Betreiber von Reisebüros die Gutscheine als Mogelpackung, erklärt Wirsing: Denn sie können noch bis Mitte nächsten Jahres in Geld ausgezahlt werden, wenn Kunden ihre Reise doch nicht antreten. Zum anderen wollen die meisten Kunden das gar nicht. 80 Prozent von Kerstin Wirsings Kunden wollen gleich ihr Geld zurück. "Die Gutscheine sind ein zinsloses Darlehen für die Veranstalter", meint sie.
Demgegenüber seien die Reisebüros gerade jetzt für ihre Kunden da. Kerstin Wirsing hofft vor allem darauf, dass nach der Krise die Kunden ihre Solidarität auch hier zeigen und ihren nächsten Urlaub im örtlichen Reisebüro buchen und nicht auf Online-Plattformen. Zwar gehe sie im Moment nicht davon aus, dass zum Beispiel Flugreisen so bald wieder möglich sein werden, aber es gebe auch in Deutschland wunderschöne Gegenden zum Urlaub machen. Eine bundesweite Plattform für Hotels, Vermieter und Gastgeber sei gerade im Aufbau, auf der Reisebüros die schönsten Ziele für ihre Kunden finden könnten. Denn das gibt sie zu: "Deutschland als Reiseziel haben wir in den letzten Jahren vernachlässigt; da haben wir Nachholbedarf."
Und noch einen Wunsch hat die Reisebüro-Inhaberin: dass politische Entscheidungen erst getroffen werden, wenn Fachleute gehört wurden, die sich mit der Materie auskennen. Und dass nicht über die Köpfe derer hinweg entschieden wird, die dann damit arbeiten müssen.