Sie pflanzen selbst an, sie bauen selbst aus, sie verkaufen ihre Ware meist auch noch selbst: Dank vieler Direktvermarkter in der Landwirtschaft muss der Verbraucher im Landkreis Kitzingen keine weiten Wege gehen. Die Zahl derjenigen, die das Angebot nutzen, wächst. Mehr und mehr Kunden wissen Regionalität zu schätzen.
Vor dem Tor von Volkamers Hofladen in Segnitz steht ein großer Traktor. Bilder von Kartoffeln, Tomaten, Zwetschgen, Äpfeln, saftigen Fleischstücken und viele weitere Lebensmittel aus der Landwirtschaft sind darauf abgebildet. Es ist der Traktor von der Schleppertour „#EssenAusBayern“ des Bayerischen Bauernverbandes, der in diesen Tagen Station in der Region macht. Nur wenige Meter weiter, im Hofladen von Bastian Volkamer und seiner Familie, liegen viele dieser Lebensmittel zum Verkauf bereit, noch ein paar Meter weiter lässt das leuchtende Rot der Tomaten an den Sträuchern in den Gewächshäusern schon beim Anblick das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Die Schleppertour soll Einblick geben in die regionale Lebensmittelerzeugung – und da könnte der besondere Bulldog im Landkreis Kitzingen in vielen kleinen und größeren Orten Station machen. Von der Kartoffel bis zum Wein, vom Spargel bis zur Zwetschge, vom Schweinschnitzel bis zu Putenkeule reicht das Angebot und bietet damit eigentlich alles, was man zum Leben braucht. Die Produkte werden in Hofläden angeboten, auch bei den größeren Lebensmittelhändlern gibt es teilweise Obst und Gemüse aus dem Landkreis – und Wein sowieso.
Immer mehr Verbraucher beschäftigen sich mit der Frage, wo das eigentlich herkommt, was auf ihrem Teller liegt. Wie haben die Tiere gelebt? Welche Strecke hat das Produkt zurückgelegt? Wo und wie ist das Gemüse gewachsen? Ein Trend, den die Corona-Pandemie noch verstärkt hat und der auch bei immer mehr jungen Leuten zu beobachten ist, bestätigen die drei Segnitzer Erzeuger, die sich zum BBV-Termin zusammengefunden haben. Die Volkamers mit ihrem kleinen Gartenbaubetrieb mit dem Schwerpunkt auf Kartoffeln, Tomaten und Paprika, bei denen es aber auch viele andere Gemüsesorten gibt. Armin und Martina Gernet, die Rinder- und Schweinezucht sowie Ackerbau betreiben und das Fleisch in der eigenen Metzgerei verkaufen. Gertrud Kreglinger-Müller und Herbert Müller, deren Familie schon seit mehreren Generationen Wein an- und ausbaut und die Wert auf umweltgerecht erzeugten Wein legen.
Vom Rebstock bis zur Flasche, vom Ferkel bis zum Schnitzel, vom Samen bis zur prallen Tomate – die Landwirte und Winzer wissen nicht nur, wie ihre Produkte entstehen, sondern geben in ihren Betrieben auch dem Verbraucher die Möglichkeit, diesen Weg kennenzulernen. Der Kundenkontakt ist ihnen wichtig: Wer einkauft, darf Fragen stellen und bekommt Antworten. Das gehöre zum Auftrag der Erzeuger, findet Martina Gernet. Sie und ihr Mann haben festgestellt: „Die Leute fragen jetzt viel mehr als früher.“ Die anderen Anwesenden nicken. Die Pandemie habe deutlich vor Augen geführt, wie wichtig die Erzeugung in der Region sei, betont Kreisbäuerin Anette vom Berg-Erbar. Dass es in der Region eine so große Vielfalt an Erzeugern gebe, sei unendlich wertvoll, ebenso wie der direkte Kontakt zum Kunden, der dadurch möglich sei. „Hier kauft man nicht nur das Produkt, sondern auch die Seele, die jeder von uns in das Produkt hineingelegt hat“, sagt sie.
Der Opa von Bastian Volkamer hat seine Erzeugnisse noch über den Großmarkt vermarktet. Irgendwann hat er dann eine Kiste Kartoffeln vor die Scheune gestellt und einfach mal ausprobiert, ob jemand sie kauft. „Das wurde angenommen und das haben wir nach und nach ausgebaut“, erzählt Bastian Volkamer. Wer jetzt den Hofladen in der Scheune betritt, findet dort ein vielfältiges Angebot von der Kartoffel bis zum Pak Choi, einem Kohlgemüse, das gern in der asiatischen Küche verwendet wird – man könnte auch sagen von A wie Auberginen bis Z wie Zuckerhutsalat. Dazu kommen Produkte von anderen Segnitzer Gärtnern sowie aus Sommerhausen und Albertshofen. Trotzdem sind die Volkamers ein kleiner Gartenbaubetrieb – die Arbeit ist von Bastian und Nicole Volkamer und deren Eltern gerade so zu schaffen. Vergrößern will die Familie den Betrieb nicht: „Wir wollen klein bleiben, damit wir authentisch bleiben“, sagt Bastian Volkamer. „Wenn jemand etwas sehen will, können wir ihm alles zeigen.“
Ein Aspekt, der auch Armin und Martina Gernet wichtig ist. Im Ortskern von Segnitz betreiben sie ihre Metzgerei, ein Stall ist direkt nebenan, ein anderer ein Stückchen entfernt. „Bei uns darf jeder in den Stall schauen“, sagen auch sie. Häufig gehen Kinder in den Kuhstall, während die Eltern im Laden einkaufen. Die Gernets züchten Rinder und Schweine, legen dabei Wert auf alte Rassen, aber auch deren moderne Kreuzungen. Die Kälber wachsen in der Mutterkuhherde auf, haben täglich Auslauf auf der Weide, die Aufzucht bis zur Schlachtung erfolgt im eigenen Stall. Die Schweine leben in einem Außenklimastall mit viel Licht und frischer Luft. Zur Viehzucht kommt Ackerbau: Getreide, Mais und Grünfutter, das meiste wird als Futter für die eigenen Tiere genutzt. „Wir pflanzen selbst, wir ernten selbst, wir bauen selbst aus“, sagt auch Herbert Müller vom Segnitzer Weingut Kreglinger-Müller. Gespräche über die Weine, über den Anbau, die Ernte, den Ausbau gehören für ihn und seine Frau Gertrud Kreglinger-Müller zum Alltag, sie stehen ständig in Kontakt zum Käufer, zum Touristen, zur Gastronomie. „Der Kontakt zu den Kunden macht Spaß – und wir können dem Kunden die Wertigkeit des Weines deutlich machen“, so Müller.
Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie arm Deutschland geworden sei, was die Produktion im eigenen Land angeht, findet BBV-Kreisobmann Alois Kraus. Durch die Direktvermarktung sei es möglich zu zeigen, dass man bei den Lebensmitteln ein ganzes Stückweit unabhängig sein könne vom Ausland. Klimafreundlich sei die Direktvermarktung noch dazu: Die Wege zum Kunden sind kurz, die Produkte müssen nicht erst von weither zum Kunden transportiert werden. An diesem Punkt der Veranstaltung entspinnt sich eine Diskussion über Bio und Regional, über fehlende zuverlässige Unterstützung der Politik, darüber, dass immer mehr eigentlich hochmotivierte Leute wegen der vielen Hürden aus der Landwirtschaft aussteigen. Über Vorwürfe gegen die Landwirte in der Diskussion um den Klimaschutz. Und darüber, dass es nicht richtig sei, „immer nur der Stimmung auf der Straße hinterher zu rennen“, wie es BBV-Kreisobmann Alois Kraus ausdrückt. „Das ist keine Politik für die Zukunft.“ Es sind wenige Minuten, in denen überdeutlich wird, wie vielfältig, umfassend und kompliziert das Thema Landwirtschaft geworden ist, während früher die Landwirte dafür geschätzt wurden, dass sie Lebensmittel produzieren, um die Bevölkerung zu versorgen. Das also, was die Direktvermarkter machen und worin sie Einblick geben – so der Verbraucher ihr Angebot denn annimmt.
„Ein Paradetermin“ für das Motto „#EssenAusBayern“ ist daher für Dr. Andreas Becker, Leiter des Bereichs Landwirtschaft im Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen, das Treffen in Segnitz. „Wo in Deutschland hat man das alles noch so nah beieinander?“, fragt er. Besser als in Franken könne es der Verbraucher eigentlich nicht haben. In Betrieben wie denen in Segnitz gebe es keine „No-Name-Produkte“, sondern „Produkte mit Herz, hinter denen die Erzeuger stehen“.