So viele „Besucher“ wie in diesem Jahr haben sie noch nie registriert. Frank Winterstein und Georg Günther sind sich einig: Ratten haben sich in Kitzingen und seinen Stadtteilen explosionsartig ausgebreitet. Nur gut, dass es moderne Bekämpfungsmittel gibt.
Etwa 50 Meldungen von besorgten Bürgern sind in diesem Jahr schon im Ordnungsamt der Stadt Kitzingen beziehungsweise im Bauhof eingelaufen. „Deutlich mehr als sonst“, sagt der Leiter des Ordnungsamtes, Frank Winterstein, und ruft eine Tabelle auf seinem Bildschirm auf. Georg Günther nickt und zeigt auf die Ausschläge in der Tabelle: 470 Besucher in der Oberen Kirchgasse – von März bis August. „Einer unserer Hot Spots“, sagt der Bauhofleiter.
Fischergasse, Falterstraße, Obere Kirchgasse: Diese Ecken sind seit Jahren bekannt. In diesem Jahr meldeten aber auch erstaunlich viele Menschen aus der Siedlung Ratten. Memellandstraße, Breslauer Straße, auch die Ortsteile wie Hohenfeld oder Repperndorf sind nicht ausgenommen. „Da hat sich was verschoben“, sagt Günther.
Gründe für diese Verschiebung gibt es einige. Die Winter sind milder als sonst, Ratten überleben die wenigen Frostnächte. Nach einem Hochwasser hat es auch immer wieder tote Ratten gegeben. Das letzte Hochwasser in Kitzingen hat es 2011 gegeben. Die laxe Handhabe bei der Mülltrennung macht Günther am meisten Sorgen. Wo Verpackungen von Fast-Food-Restaurants aus dem Auto geworfen oder Lebensmittelreste nicht sauber vom restlichen Müll getrennt werden, brauche man sich über den Besuch von Ratten nicht zu wundern.
So komisch es klingen mag. Auch Corona spielt eine Rolle. Weniger Gastronomie bedeutet weniger Nahrungsmittel und Fette im Kanal. „Da müssen sich die Ratten halt andere Nahrungsquellen erschließen“, erklärt Günther. Beispiel Komposthaufen. Hier finden die Tiere genug Nahrhaftes. Genauso wie in gelben Säcken, die zu früh an den Straßenrand gestellt werden und noch Verpackungsmaterial mit Essensresten beinhalten. Und wer seine Essensreste zum Klo hinunterspült, ist selber schuld, meint Frank Winterstein. „Die Tiere haben ein ganz feines Näschen. Die riechen das Essen und kommen immer wieder.“
Wer Ratten in seinem privaten Garten hat, der muss auf die Dienste eines Schädlingsbekämpfers zurückgreifen. Die Stadt Kitzingen ist für die Bekämpfung von Ratten auf städtischem Grund verantwortlich. Und dazu gehören die Kanäle. „Früher haben wir Giftköder an einem Draht befestigt und in die Kanalisation gehängt“, erinnert sich Günther. Die Methode ist verboten worden. Bei Hochwasser wurden die Köder mitgerissen und landeten in der Kläranlage. „Für die Menschen bestand keine Gefahr“, versichert Winterstein. Die Dosis sei viel zu gering gewesen. Dennoch wurden die Städte aufgerufen, ein neues System zu etablieren. In Kitzingen setzt man seit Neuestem auf „ball-b“.
Florian Lenz steht in Repperndorf und lugt in einen gerade geöffneten Kanaldeckel. Langsam fließt ein Rinnsal in drei Metern Tiefe. Lenz befestigt eine Teleskopstange an einem Behälter, der ein wenig an einen Staubsauger erinnert. In dessen Innerem befindet sich der Giftköder. An der Unterseite ist ein schwarzer „Ball“ angebracht, eine Art Schwimmer, der sich schließt, sobald das System mit Wasser in Berührung kommt. Das Gift gelang nicht in die Kanalisation. Ein weiterer Vorteil liegt in der modernen Technik. Dank einer eingebauten Lichtschranke kann jeder Besuch einer Ratte in der Box dokumentiert werden. Die Daten landen als Diagramm und Grafik auf dem Rechner im Bauhof und im Ordnungsamt. Eine gesicherte Grundlage für die Bekämpfung der Tiere.
Zurück im Büro von Frank Winterstein. Mit einem Klick kann er jede Station aufrufen, an denen eine Box platziert ist. „Wenn ein Rattenbefall gemeldet wird, fahren meine Leute raus und hängen die Boxen in den Kanal“, erklärt Günther. Neben Florian Lenz haben Norbert Muther und Willi Knötgen eine entsprechende Ausbildung durchlaufen.
Zuerst werden die Tiere mit Futter angelockt, dann wird der Giftköder ausgelegt. Zwei bis drei Tage dauert es, dann führt das Gift zum Versagen der Organe. Der Vorteil: Das Gift kann ganz gezielt ausgebracht werden und muss dort auch nicht länger als nötig sein. Nach wenigen Tagen sehen Winterstein und Günther anhand der übermittelten Daten, wie der „Besuch“ nach und nach abnimmt. Dann können sie die Box wieder entnehmen – und auf den nächsten Anruf besorgter Bewohner warten. Und der kommt in diesen Zeiten bestimmt.