Knapp ein Jahr nach einer großen Razzia des Zolls im Ruhrgebiet und in Unterfranken wird klar: Zwei Häuser im Raum Kitzingen waren wohl Teil eines internationalen Netzwerks von Pillenschmugglern. Sie machten – wie ein erster Prozess in Essen zeigte – mit illegal verkauften Medikamenten deutschlandweit Millionen. Besonders heiße Ware waren Potenzmittel, die eigentlich verschreibungspflichtig sind.
Seit zwei Jahren ermittelte der Zoll gegen die internationale Bande
Zollfahnder aus Essen waren der internationalen Bande aus Deutschen, Polen und Albanern nach eigenen Angaben schon zwei Jahre auf der Spur, ehe sie Anfang November 2021 zur finalen Razzia schritten. Die Medikamente wurden laut einer Zoll-Sprecherin von Asien über Ungarn eingeschmuggelt und von Deutschland aus per Internet angeboten und verschickt.
Dazu gehörte ein deutschlandweit breit aufgestelltes Netz mit Lagermöglichkeiten und Komplizen, die als "Läufer" zu Übergaben eingesetzt wurden. Ein Sprecher der federführenden Zollfahnder aus Essen hatte auf Anfrage der Redaktion am 5. November 2021 bestätigt, dass auch im Raum Kitzingen zwei Häuser durchsucht worden seien.
Die Arzneimittel wurden illegal im Internet angeboten
Der Schwerpunkt lag im Ruhrgebiet: Da gab es Durchsuchungen in Essen, Duisburg, Kamp-Lintfort, Krefeld, Moers, Wuppertal und in den Niederlanden. "Die Angeklagten sollen damit einen Gewinn von rund fünf Millionen Euro erzielt haben", sagt Pressesprecher Thomas Kliegel vom Landgericht Essen.
Mehr als 26.000 Packungen illegaler Arzneimittel wurden beschlagnahmt. Über 45.000 Bestellungen sollen sieben Verdächtige verschickt haben. Der Verkauf ging über angebliche Online-Apotheken, die mit günstigen Preisen locken, aber keinen Apotheker beschäftigen.
Heimliche Angebote im Internet beunruhigen heimische Apotheker
Auch hier in der Region registrieren besorgte Ärzte, Apotheker und Ermittler seit längerem, dass via Internet "unterstützende" Medikamente verschiedener Hersteller dubios angeboten werden: "Potenzmittel frei Haus in Kitzingen", heißt es etwa auf einer Internetseite, auf die ein Fachmann hinweist.
"Der vermeintlich günstige Preis, die einfache Bestellung ohne Rezept im Internet, formlose Zahlung per Onlinedienst und die Lieferung 'frei Haus' verleiten viele Verbraucher dazu, diese Medikamente im Internet zu bestellen“, sagt die Pressesprecherin des Zollfahndungsamtes Essen, Heike Sennewald. Sie warnt: "Tatsächlich riskieren Sie aber ihre Gesundheit, denn über die Inhaltsstoffe und die Dosierung weiß niemand Bescheid! Außerdem unterstützen die Käufer damit unbewusst die Organisierte Kriminalität."
Gericht verhängt Haftstrafen in ersten Prozessen
In einem ersten Prozess am Landgericht Essen kassierten vor kurzem vier Hauptverdächtige Haftstrafen bis zu fast fünf Jahren. Die Urteile sind aber noch nicht rechtskräftig, sagt Oberstaatsanwältin Anette Milk, weitere Prozesse sind noch im Gange.
Die Ermittler äußern sich nicht dazu, was sie in den zwei Häusern in Kitzingen zu finden hofften. Im ersten von mehreren Prozessen spielten sie bisher keine große Rolle, sagte ein Gerichtssprecher auf Nachfrage.