In Christine Löb schlagen zwei Herzen: das der Ökonomin, die einen Milchviehbetrieb möglichst effizient betreiben möchte, und das der Landwirtin, der das Wohl ihrer Tiere alles bedeutet. Auf dem Betrieb in Reupelsdorf, den sie mit ihrem Vater Hugo Löb führt, beweist sie, dass sich beides nicht ausschließt. Im Gegenteil: "Tierwohl und Wirtschaftlichkeit passen zusammen", stellt sie fest. Oder anders ausgedrückt: Je besser es ihren Kühen geht, desto runder läuft der Betrieb.
Für die Art und Weise, wie die 37-Jährige ihre Arbeit managt und dabei das Wohl der Tiere, speziell das der Kälber in den Fokus rückt, hat sie Ende September in Berlin einen "Preis der Tiergesundheit" erhalten. An dem Wettbewerb, den das Pharmaunternehmen MSD, das im Bereich der Veterinärmedizin forscht, ausgeschrieben hat, hatten sich 55 Betriebe aus Deutschland und Österreich beteiligt. Löb belegte den 3. Platz. Die Landwirtin aus Reupelsdorf – ehemalige Bayerische Milchkönigin von 2001/02 – stellt nach Ansicht der Fachjury "das Zusammenspiel von Tier, Mensch und Natur eindeutig in den Mittelpunkt", wie es in einer Pressemitteilung des Ausrichters heißt.
Die Beratung kommt von Fachleuten
Auf dem Aussiedlerhof der Löbs zwischen Reupelsdorf und Laub zeigt sich, was der Jury so imponiert hat. Zu Besuch ist auch Agraringenieurin Ulrike Stibbe von der HCS Herdenmanagement GmbH. Tierarzt Dr. Georg Eller aus Hofheim (Lkr. Haßberge) hat diese vor 19 Jahren mit Rudolf Keller gegründet. Löbs Milchviehhof ist einer von über 300 Rinder haltenden Betrieben, die HCS in puncto Tiergesundheit berät und begleitet.
"Viele Betriebe", beschreibt Stibbe eine Beobachtung, die sie und ihre Kollegen machen, "erkennen nicht, dass gesunde Tiere dem Halter Zeit sparen." Das ist wirtschaftlich gedacht. Es drängt sich der Vergleich mit einer Maschine auf: Ein Motor läuft dann optimal, wenn nichts ruckelt und er 100 Prozent Leistung bringt. Und Christine Löbs Milchkühe (circa 100 Milchkühe plus 90 in der Nachzucht) sind – das verhehlt sie auch nicht – in gewisser Hinsicht Maschinen. Jede von ihnen produziert durchschnittlich 34 Liter Milch am Tag. Im Jahr sind das pro Kuh 10 500 Kilogramm.
"Ich spiele in der Bundesliga", umschreibt Löb, was ihre Milchkühe leisten. Und wie im Leistungssport setzt sie alles daran, ihr Team fit zu halten. Sie möchte unbedingt gesunde Kühe. Das beginnt schon, bevor sie als Kälbchen auf die Welt kommen. Für hoch trächtige Kühe, die Löb sechs bis acht Wochen vor der Niederkunft nicht mehr melkt, hat sie einen extra Bereich am Stall. Dort sind die werdenden Muttertiere separat untergebracht. "Mutterschutz" nennt sie das. Dort bleiben die Kühe bis zu zwei Wochen nach dem Abkalben.
"Ottila" heißt eine der Kühe, die sich gerade im Mutterschutz befindet. Die schwarz-weiße Kuh hat zwar noch drei Wochen bis zur Geburt, schätzt Löb, doch erwartet sie, dem Bauchumfang nach zu schließen, wohl Zwillinge. Und obwohl "Ottila" zum siebten Mal trächtig ist, sieht sie topfit aus, wie Stibbe mit Kennerblick bestätigt. "Sie ist meine Marathonläuferin", erklärt Löb. 14 000 Liter Milch produziert das Tier pro Jahr. Doch gerade genießt sie besonders viel Komfort und Ruhe und erhält spezielles Futter.
Wärmelampe trocknet das Fell der Kälbchen
Wenn Löb im Betrieb auf etwas stößt, was nicht optimal läuft, dann lässt sie nicht locker, bis es in ihren Augen passt. Deshalb steht bei ihr auf dem Hof auch eine Spülmaschine für die Eimer, mit denen sie die Kälbchen tränkt. Die Maschine reinigt die Nuckel-Eimer voll automatisch – schneller und hygienischer als dies mit Hand möglich ist. Es ist ein Beispiel dafür, wie sich die Tiergesundheit verbessern und zugleich Zeitaufwand reduzieren lässt. Marke Eigenbau ist die mit Hilfe einer gespannten Leine frei verschiebbare Wärmelampe über den Kälber-Boxen. "Nach der Geburt ist das Fell feucht", schildert Löb das Problem. Die Infrarotlampe trocknet und verhindert, dass die Jungtiere bei kühlen Temperaturen erkranken.
Die Zusammenhänge zwischen den Ursachen und den gesundheitlichen Folgen seien Landwirten oft bekannt. Aber: "Der Wille zur Veränderung ist entscheidend", meint Ulrike Stibbe und spricht in manchen Fällen von "Betriebsblindheit". Löb, die als 18-Jährige begonnen hat, ihre Kühe homöopathisch zu behandeln, berät auch gerne Berufskollegen. Einem hat sie etwa empfohlen, seinen Rindern zur Stärkung von deren Immunsystem Vulkangesteinsmehl als Futterzusatz zu geben. Zwei Wochen später war diese ganz begeistert: Seinen Tieren ging's von Tag zu Tag besser.
Der Grundsatz gilt für jede Form von Betrieb
"Es liegt allein am Menschen, ob es den Tieren gut geht", fasst die 37-jährige Trägerin des "Preises für Tiergesundheit" ihr Erfahrungen zusammen. Dies gelte für jede Form von Betrieb, egal er ob – wie sie – konventionelle Landwirtschaft betreibt oder als Bio-Betrieb läuft.
Was sie mit dem Preisgeld von 10 000 Euro anstellt, weiß Löb bereits: Sie steckt das Geld in einen neuen Tränke-Automaten für ihre Kälber. Der bisherige ist 22 Jahre alt und funktioniert einwandfrei. Doch mittlerweile gibt es Geräte, die noch besser für die Tiere sind. Für Löb ist das eine sinnvolle Investition.