Alma hat ihren eigenen Kopf. Bevor sie endlich die Hebebühne betritt, leckt die braun-weiße Milchkuh erst einmal in aller Gemütsruhe die grasgrünen Gitterstäbe ab, die für sie Spalier stehen und ihr den Weg zu Peter Käb weisen. Der 55-Jährige bleibt geduldig. „Jede Kuh hat ihren eigenen Charakter“, stellt der Klauenpfleger fest. „Manche kommen schnurstracks her, andere sind zögerlich.“
Die Kühe, die schon länger auf Franz-Josef Haupts Bauernhof am Willanzheimer Ortsrand leben, kennen Peter Käb. Etwa alle sechs Monate fährt er mit einem gelben Van und großem Anhänger auf den Hof. Auf dem Anhänger befindet sich ein vollhydraulischer Klauenpflegestand. Das ist quasi eine Hebebühne für Kühe, die direkt in den Stall transportiert werden kann. Mittels dicker Bauchgurte werden Alma und ihre Kolleginnen sachte in die Luft gehoben. Die vier Hufe werden seitlich festgeschnallt. Peter Käb und sein Mitarbeiter können sich nun an die Pediküre der Kühe machen.
Wie die Finger- und Fußnägel bei uns Menschen, wächst das Klauenhorn der Kühe ständig. Im Gegensatz zu den Frauen auf zwei Beinen, für die eine Pediküre Wellness und Schönheitspflege bedeutet, ist die Klauenpflege bei bis zu 800 Kilo schweren Rinderfrauen schlicht eine Notwendigkeit.
Wichtig für das Wohlbefinden
Die verhornten Zehen-Enden der Wiederkäuer wachsen pro Monat etwa fünf Millimeter. Die Hornschicht von Innen- und Außenklaue sollte sich möglichst gleichmäßig und nicht einseitig abnutzen. „Der Zustand der Klauen wirkt sich auf das gesamte Wohlbefinden der Tiere aus“, erklärt Bauer Franz-Josef Haupt. „Nur ein gesundes, fittes Tier, dem es gut geht, hat auch viel und gute Milch.“
Deshalb prüft er in seinem Laufstall regelmäßig den Laufstil seiner Kühe und greift bei Unregelmäßigkeiten selbst zum Hornmesser.
Etwa alle sechs Monate holt Haupt sich zudem ein Team der Höchstädter Klauenpflege GmbH in den Stall. „Das sind Profis, die unsere 70 bis 80 Milchkühe in einem Tag schaffen.“ Würde Haupt alle Klauen eigenhändig ausschneiden, bräuchten er, seine Frau Monika und Sohn Matthias dazu deutlich länger. „Außerdem lasse ich das gern die Fachmänner machen. Die kennen jeden Handgriff und wissen genau, wie sie hinlangen müssen.“
Peter Käb kann das nur bestätigen. Lange bevor es die Ausbildung zum staatlich geprüften Klauenpfleger in Deutschland gab, hat er sie in Österreich absolviert. Seit 30 Jahren betreibt er schon Pediküre bei Kühen, seit acht Jahren hauptamtlich – und zwar in der ganzen Bundesrepublik sowie im angrenzenden Ausland. Er kennt die Anatomie der Tiere genau und garantiert, dass er weder zu viel noch zu wenig Horn wegschneidet. „Wenn man zu tief kommt und die Lederhaut verletzt, blutet das Tier und es kann zu Entzündungen und Geschwüren kommen“, erklärt der 55-Jährige, während er die Flex anschaltet. Die ist mit einer speziellen Klauenscheibe bestückt. Gekonnt zieht Käb das surrende Gerät über die Hornschicht und formt in der Mitte die natürliche Wölbung nach. Hornfunken fliegen in alle Richtungen.
Sieht der Experte eine Anomalie, dann schaltet er den elektronischen Helfer aus und arbeitet per Hand vorsichtig mit dem Klauenmesser nach. „Ich kann an den Klauen erkennen, ob die Kühe gutes Futter bekommen und anständig gehalten werden“, erklärt er.
Frisch pedikürt und glücklich
Bei Alma und ihren Kolleginnen passt alles. Nach gerade mal zehn Minuten lösen der 55-Jährige und sein Helfer Almas Fußhalterungen und setzen die Milchkuh, die große Augen macht, sanft wieder auf dem Boden auf. Erst vorsichtig, dann mit neuem Esprit spaziert die frisch Pedikürte aus dem Stall hinaus und gesellt sich auf der Weide nebenan zu den anderen Holsteinern und dem Fleckvieh, denen die Klauen ebenfalls ausgeschnitten worden sind. Der gelernte Landwirt Matthias Haupt, 19 Jahre, beobachtet Alma und freut sich: „Die schaut doch richtig glücklich aus.“
Dieses Glück ihrer Kühe ist den Haupts jährlich um die 2000 Euro wert. „Die Kühe sind unsere Brötchengeber und so wollen wir sie auch behandeln. Uns ist es wichtig, dass unsere Tiere gesund sind und nicht lahm werden. Die Profi-Klauenpfleger arbeiten zügig und sind sehr kompetent.“ Die gesteigerte Gehlust der Kühe nach der Pediküre sei zudem sehr positiv und habe sogar eine lebensverlängernde Wirkung – das ist die Erfahrung der Haupts, in deren Stall bei einem Schautag vor zirka 17 Jahren einer der ersten Klauenpflegestände vorgestellt und ausprobiert wurde.
Ob Alma die positiven Aspekte ahnt und künftig ohne Zögern den Klauenpflegestand betritt? Peter Käb ist gespannt, was bei seinem nächsten Besuch passiert. Mit einem Augenzwinkern blickt er nach vorn und kann sich einen kleinen Witz nicht verkneifen: „Milchkühe sind weiblich. Und bei Frauen musst du immer mit einer Überraschung rechnen.“
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