1919 gegründet, hat sich der kleine Kräuterhändler Kräuter Mix in dem 850-Seelen-Dorf Abtswind zum weltweit tätigen Industrieunternehmen in der Lebensmittel- und Pharma-Branche entwickelt. Einer der „Global Player“ ist Otmar Singer, der in 40 Jahren die enorme Veränderung der Firma mitgestaltet hat.
Singer hat das starke Wachstum von 18 Mitarbeitern auf heute rund 330, die Internationalisierung von Einkauf und Vertrieb, die stetig steigenden Anforderungen an Dokumentation und Analysen sowie die ständige Vergrößerung der Produktions- und Lagerflächen in Abtswind und Wiesentheid hautnah miterlebt. Nach dem geschäftsführenden Gesellschafter Christoph Mix ist der 63-Jährige am längsten im Unternehmen tätig, das unter anderem Küchenkräuter, Gewürze, Trockengemüse, Kräuter- und Früchtetees sowie Arzneitees herstellt. Otmar Singer ist ein Unikat, hat sich fundiertes Wissen über Pflanzen angeeignet – und liebt die Natur.
Umwelt und Kräuter auch in der Freizeit ein Thema
Über seine Berufstätigkeit im Wareneingang hinaus widmet er sich auch in seiner Freizeit der Umwelt und den Kräutern. Der gelernte Elektriker aus Prichsenstadt, der im Alter von 24 Jahren in die Firma kam, hätte bereits in den Ruhestand gehen können, wollte aber unbedingt die vier Jahrzehnte bei Kräuter Mix vollenden und denkt auch jetzt noch nicht wirklich ans Aufhören.
Die Betriebstreue liegt in der Familie. Auch seine Frau Christine war 37 Jahre in der kaufmännischen Verwaltung der Firma beschäftigt. Otmar Singer führt eine Zweitehe: „Ich bin seit 40 Jahren mit Kräuter Mix verheiratet“, sagt er und lächelt. Oftmals falle ihm nachts oder am Wochenende ein, wie sich ein Problem lösen lasse.
Singer erlebte viele Entwicklungen
Angefangen hat er 1977 in der Produktion in der Bandtrocknung, die damals in der Erntesaison im Dreischichtbetrieb lief und viel Handarbeit erforderte. „Das war schon recht heftig damals“, erinnert sich Singer. Hier wurden bis in die 90er Jahre hinein noch regional angebaute Kräuter und Gemüse getrocknet. Seitdem wurde die Trocknung zunehmend auf die Lieferpartner im In- und Ausland übertragen.
Gern erzählt Otmar Singer rückblickend von den Einsätzen im nahen Steigerwald, als er und seine Kollegen noch selbst Bärlauch, Weidenröschen und andere Kräuter sammelten. Im halben Landkreis sei man unterwegs gewesen und habe kräftig anpacken müssen. „Das war eine Knochenarbeit“, sagt Singer.
Sein Stammarbeitsplatz wurde der Wareneingang. Während es anfangs noch keine Gabelstapler gab und die schweren Säcke mit einem Flaschenzug in den dritten Stock gehievt werden mussten, sind mittlerweile durch den Einsatz moderner Lager- und Transporttechnik die körperlichen Belastungen geringer geworden.
Ein begnadeter Kräuterkenner
Nicht jedoch die fachlichen Anforderungen: Der Wareneingang muss nicht nur Mengen abgleichen – rund 22 000 Tonnen im Jahr – und Muster ziehen, sondern auch erkennen, ob die angelieferte Qualität stimmt. Und das kann Singer wie kein Zweiter. „Otmar ist ein begnadeter Kräuterkenner“, sagt Silke Wurlitzer, Geschäftsführerin und Personalleiterin bei Kräuter Mix.
Natürlich gebe es nach der Kontrolle beim Wareneingang weitere Testverfahren sowie Laboranalysen im Rahmen der Qualitätssicherung im Betrieb. Doch bevor die Waren in den Kreislauf des Unternehmens gelangen, sei es in jedem Fall besser, wenn die Mitarbeiter im Wareneingang mögliche Probleme gleich erkennen und diese sofort melden.
Otmar Singer kann aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung sein Wissen an die Kollegen weitergeben. Er trainiert sie in Warenkunde. Michael Kämmerer vom Marketing weist auch auf die Bedeutung des Betriebs als Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb hin: Rund 330 Mitarbeiter sind bei Kräuter Mix beschäftigt, Tendenz steigend.
Betrieb in dritter Generation geführt
Die Rückbesinnung der Menschen auf natürliche Rohstoffe sei gut für das Unternehmen, das zuletzt einen Jahresumsatz von rund 111 Millionen Euro erwirtschaftete. Hinzu kommt laut Otmar Singer das gute Management: „Die Entscheidungen in der Führungsetage haben immer gepasst.“ Im Betrieb, den Christoph Mix in der dritten Generation führt, sind auch dessen Söhne Bernhard und Steffen bereits in leitenden Positionen tätig.
Eigentlich soll der 31. Dezember der letzte Arbeitstag für Otmar Singer sein. Dann wäre mehr Zeit für die Familie, seine Stein- und Fossiliensammlung, das Pilzsammeln und die Arbeit beim Landesbund für Vogelschutz, wo er schon viele Jahre Exkursionen unternimmt. Das letzte Wort zu seinem Ruhestand ist allerdings noch nicht gesprochen, oder wie Singer sagt: „Schau mer mal.“