"Ich experimentiere leidenschaftlich gerne", sagt Oliver Bienert. Seit etwa drei Jahren haben historische fränkische Rebsorten den gelernten Weinbautechniker und Inhaber des Weinguts Bruno Bienert in ihren Bann gezogen. Sein jüngstes Steckenpferd beim Wein heißt Grünfränkisch. Auf einer Fläche von 25 Ar hat er am Volkacher Kirchberg die alte Rebsorte in der Mainschleifenregion wieder aufleben lassen. Das Ergebnis ist trotz starkem Frost in diesem Jahr von Erfolg gekrönt.
Bei der internationalen Wein-Trophy AWC in Wien im Oktober wurde Bienerts Grünfränkisch des Premiere-Jahrgangs 2019 gleich mit einer Goldmedaille prämiert. Ein toller Erfolg, der den Winzer in seiner Intention bestärkt, alte Rebsorten wieder zu beleben. Er bewirtschaftet eine Rebfläche von sechs Hektar im Bereich des Volkacher Ratsherrn und bei Escherndorf. Darauf baut er 15 Rebsorten an. "Das ist relativ viel für einen kleinen Betrieb", erklärt Bienert im Gespräch. Auf der Liste seiner Rebsorten finden sich neben den typisch fränkischen Artgenossen auf Exoten wie Schönburger, Morio-Muskat, Ortega oder Optima.
Die Serie der trockenen Bocksbeutelweine beschließt sein Grünfränkisch premium trocken. "Diese Rebsorte stammt ursprünglich aus der Zeit von Karl dem Großen, der über das Frankenreich herrschte", erläutert der Weinbautechniker. Die alte Rebsorte galt bis 2009 als ausgestorben. "Erleben Sie die erste Wiederbelebung des Grünfränkisch in Bayern" macht er auf der Werbeplattform des Weinguts im Volkacher Kapellenweg aufmerksam.
Inspiration am Messestand
Wie kam es zu dem Interesse an den fast vergessenen Rebsorten? "Ich war vor etwa fünf Jahren auf einer Fachmesse bei Mainz", blickt Bienert zurück. An einem Messestand konnte man mehrere alte Rebsorten, die als Versuch angebaut worden waren, probieren. "Weil ich neugierig und aufgeschlossen für Neues bin, habe ich natürlich alle probiert." Eine der alten Sorten schmeckte ihm besonders gut. Es war ein Grünfränkisch der Rebschule Martin aus Gundheim bei Mainz.
Als Bienert wieder daheim an der Mainschleife war, "ging mir der Grünfränkisch nicht mehr aus dem Kopf". Die Frage, was von alten Reben vor hundert oder tausend Jahren heute noch greifbar sei, beschäftigte ihn besonders. Das Frühere wieder zu erleben spornte den jungen Winzer an. Die Idee war geboren, Taten sollten folgen. Die Rebsorte stand in Veitshöchheim im Versuchsanbau. "Da konnte ich sie mir genau anschauen", erzählt Bienert.
Einen Grünfränkisch als Ertrag gab es noch nicht, er steckte quasi in den Kinderschuhen. "Die Reben und die Trauben haben ganz toll ausgesehen", erinnert er sich an die Tour nach Veitshöchheim. Mit dem Wissen dass "nicht alles, was alt ist, unbedingt gut ist" überlegte sich Bienert, ob der Grünfränkisch wohl zu seinem Betrieb passen könnte. Nach einem Seminar in der Pfalz zu diesem Thema war ihm dann klar: "Das probiere ich aus."
Erste Ernte fiel wenig üppig aus
Eine Muschelkalkfläche für den Anbau in Südlage unmittelbar neben dem Volkacher Kirchberg bot sich für den Anbau des Grünfränkisch an. Vor gut zwei Jahren pflanzte er die Reben. Die erste Ernte 2019 fiel wenig üppig aus. "Der Jungfernertrag waren nur ein paar hundert Liter", bemerkt Bienert. Die mangelhafte Quantität glich dann die hohe Qualität aus, welche zu der Auszeichnung in Wien führte. In diesem Jahr hatte Bienert dann eigentlich mit einem höheren Ertrag gerechnet, doch die Frosttage um die Eisheiligen herum machten seine Hoffnung zunichte. "Alle Reben waren erfroren." Weil der Grünfränkisch aber trotzdem noch viele neue Triebe ausbildete, war die Ernte im zweiten Wachstumsstadium mit 50 Prozent Ertrag noch gerettet. Und mit 91 Grad Oechsle lag dieser Wein noch im guten Kabinett-Bereich.
Grünfränkisch bedürfe keiner besonderen Pflege, erklärt Bienert. "Wie beim Weißburgunder", Gegenüber Schädlingen sei er nicht besonders anfällig. "Wir hatten heuer viel Mehltau in den Weinbergen, der Grünfränkisch hatte gar nichts." Nachdem Bienert im August die Genehmigung für die alte Rebsorte als Frankenwein erhalten hat, wird der Jahrgang 2020 ab kommendem Frühjahr voraussichtlich in Bocksbeuteln erhältlich sein. Der 2019er war noch in Schlegelflaschen abgefüllt.
Nächstes Experiment folgt 2021
Nach den Eigenschaften des Grünfränkisch gefragt, meint der passionierte Winzer: "Er hat die Kraft eines Weißburgunders, die Finesse einer Scheurebe und unterliegt einer schönen feinen Würze." Nach gut zwei Jahren Versuchsstadium zieht Bienert Bilanz: "Es ist spannend, etwas Neues auszuprobieren." Schon in seinem Ausbildungsbetrieb in Randersacker kam das Thema "historische Weinsorten" immer wieder auf. "Ausgebaut wurden sie aber leider nie." Im nächsten Jahr plant er sein nächstes Experiment in den Wengert: den Anbau eines Goldmuskateller.
Weitere Infos zur Rebsorte Grünfränkisch gibt es unter www. historische-rebsorten.de