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KITZINGEN
Notwohngebiet: „Menschen wie du und ich“
Diana Fuchs
 |  aktualisiert: 03.12.2019 11:20 Uhr

Cristina Flurschütz und Tamara Licheva arbeiten dort, wo derzeit 105 Menschen wohnen: am Rand der Gesellschaft, im Kitzinger Notwohngebiet. Hier stehen die beiden Sozialpädagoginnen täglich neuen Herausforderungen gegenüber.

Frage: Wie genau können Sie den Menschen helfen?

Christina Flurschütz: Im Gespräch betrachten wir die Lebenssituation jedes Einzelnen und schlagen Brücken zu Fachstellen, die Hilfe anbieten. Wir sind mit Kirchen, Behörden und Initiativen vernetzt. In aktuellen Krisensituationen sind wir Ansprechpartner. Und wir unterstützen Menschen bei der Suche nach Mietwohnungen.

Was ist Ihnen bei den Gesprächen besonders aufgefallen?

Tamra Licheva: Dass oft eine Hemmschwelle da ist, sich Hilfe zu holen.

Flurschütz: Und dass die Leute das Gefühl haben, nicht so wichtig zu sein. Manche haben schon zu mir gesagt: Naja, Ihre erste Kollegin ist ja schon wieder weg, da werden sie bald auch nicht mehr da sein.

Warum ist die Hürde, aktiv zu werden, so hoch?

Flurschütz: Da kommen viele kleine Probleme zusammen. Das fängt schon mit der Anfahrt an. Wer nicht gut zu Fuß ist, kann zum Jobcenter nicht laufen. Vom Kleistplatz aus kostet die einfache Fahrt mit dem Sammeltaxi kostet 2,20 Euro. Wenn jemand zum Beispiel zum Jobcenter muss und dann noch Bankgeschäfte zu erledigen hat, summiert sich das Fahrtgeld auf 6,60 Euro. Das können und wollen viele nicht investieren.

Was wäre Ihrer Meinung nach eine geeignete Lösung?

Flurschütz: Ehrenamtliche Sozialpaten! Das sind Menschen, die speziell dafür ausgebildet werden, anderen Menschen mit Lebensproblemen unter die Arme zu greifen. Sie zum Beispiel beim Gang zum Amt an die Hand zu nehmen.

Also eine praktische Weiterführung Ihrer Tätigkeit?

Flurschütz: Die Ergänzung dazu, ja. Zudem wäre es sinnvoll, wenn es eine Art Präventionsstelle gäbe. Jemanden, der informiert wird, wenn eine Räumungsklage ansteht, und der dann gleich Kontakt zum Vermieter, Amtsgericht, Gerichtsvollzieher und so weiter aufnimmt. So könnte man verhindern, dass manchen Leuten eine Unterkunft im Notwohngebiet zugewiesen wird.

Oft wird kritisiert, dass Menschen mit unterschiedlichen Problemen im Notwohngebiet „ghettoisiert“ werden. Wie empfinden Sie das?

Flurschütz: Manchmal wäre es sinnvoller, Menschen dezentral unterzubringen, aber auch dort bräuchten sie dann eine engmaschige sozialpädagogische Betreuung, die dezentral natürlich schwerer zu leisten ist. Ich denke, es gibt kein Patentrezept. Da muss jede Stadt individuell schauen, was sie macht, je nach räumlicher Struktur. Ein Vorteil des „Ghettos“ ist die Tatsache, dass es hier fast schon familiär zugeht. Die Menschen achten aufeinander und helfen einander.

Können Sie in solchen Fällen nicht auch direkt helfen?

Flurschütz: Nein, leider nicht. Zum Glück arbeiten wir Hand in Hand mit dem „Wegweiser“-Team, das immer einen Notvorrat an Nahrung und Kleidung da hat.

Tamara Licheva
Foto: Fuchs | Tamara Licheva
 
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