Vier Wochen ist es her, dass Kitzingen auch überregional in den Medien war. Unter anderem bei Stern-TV ging es um die Zustände im Kitzinger Notwohngebiet. Heute Abend nun hat der Stadtrat über einen Antrag zu entscheiden, den die parteilose Stadträtin und ehrenamtliche Helferin im Notwohngebiet, Andrea Schmidt, schon im Dezember 2017 gestellt hat. Sie möchte erreichen, dass künftig keine Kinder mehr ins Notwohngebiet eingewiesen werden. Schmidt sagt, die Stadt verfüge über geeignetere Alternativen für Familien mit Kindern, die vor der Zwangsräumung stehen.
Aktuelle Zahlen
„Ich habe den Antrag nach dem Weihnachtsessen geschrieben, zu dem Marion Warschecha die Menschen aus dem Notwohngebiet eingeladen hatte“, berichtet Andrea Schmidt. „Die Gespräche, gerade mit den Familien, haben mich sehr bewegt.“ Derzeit wohnen laut Schmidt neun Minderjährige, 20 Heranwachsende und eine junge Schwangere in den vier Wohnblocks in der Egerländer Straße 22, 24 und 26 sowie der Tannenbergstraße 37. „Ohne das Entgegenkommen der Bau-GmbH wären es sogar 14 Minderjährige – aber zum Glück konnten zwei Familien anderswo eine Wohnung beziehen.“
Klima der Unsicherheit
Die „Ghettoisierung“ des Notwohngebietes habe in den vergangenen Jahren zu „unhaltbaren Zuständen“ geführt, ganz besonders für die Schwächsten in der Gesellschaft, die Kinder. Drogenhandel und -konsum, Alkoholmissbrauch, Menschen mit multiplen Problemlagen und eine erhöhte Gewaltbereitschaft: Das alles erzeuge ein Klima der Angst und Unsicherheit und sei für Kinder sowie Heranwachsende eine schädliche Umgebung, findet die langjährige Kennerin der Szene.
„Dagegen müssen wir doch endlich etwas tun – immerhin nennen wir uns ja sogar 'familienfreundliche Stadt'“, findet die Stadträtin, die sich seit Jahrzehnten speziell für eine gute Zukunft des Stadtteils Siedlung engagiert. Wenn die Behörden, Landratsamt und Stadt gut miteinander kommunizieren, blieben im Einzelfall bis zu sechs Wochen Zeit, um eine drohende Wohnungsräumung – und damit Einweisung ins „Ghetto“ – entweder abzuwenden oder sozialverträglich zu gestalten.
Antrag bislang abgelehnt
Andrea Schmidts Antrag wurde Ende Januar bereits in der AG Soziale Stadt besprochen. Deren Tenor: Der Antrag soll abgelehnt und ein konkretes Konzept für das Notwohngebiet abgewartet werden. „Aktuell sind weder die Möglichkeiten einer Unterbringung von Familien mit Kindern außerhalb des Notwohngebietes geklärt, noch sind die Konsequenzen aus einem positiven Beschluss absehbar: Reaktion der Umlandgemeinden, Verweildauer in den Wohnungen“, heißt es in der Erklärung der AG, die Bianca Tröge als Referentin für Soziale Stadt und Stadtteilförderung unterzeichnet hat.
Gesamtkonzept nötig
Andrea Schmidt sieht das anders. Sie ist sich sicher, dass das Verbot einer Einweisung von Kindern einem künftigen Gesamtkonzept nicht widerspricht – im Gegenteil. Die Siedlerin verweist außerdem auf die Wohnungen der Stadt beziehungsweise der städtischen Tochter „Bau-GmbH“ am Galgenwasen. Eine gründliche beziehungsweise eine „Pinsel“-Sanierung dieser Wohnungen ist seit längerem in Planung. Dort könnten für eine Übergangszeit „zwei einfache Wohnungen“ für Familien mit Kindern bereit gestellt werden. „Um den Menschen dann den Schritt in eine neue Wohnung zu ermöglichen, braucht es natürlich weitere Unterstützung von Seiten des Landkreises und der Stadt“, stellt Andrea Schmidt fest.
Wie ist die Rechtslage?
Rechtlich sei ein solches Vorgehen kein Problem, beruft Schmidt sich auf Aussagen der Kitzinger Rechtsrätin Susanne Schmöger. Zudem verweist sie auf die Interpretation von Bernd Adler, dem Leiter des Sozialen Dienstes am Landratsamt. In seiner Stellungnahme, die den Stadträten ebenso vorliegt wie die der AG Soziale Stadt, schreibt Adler: Allein die Tatsache, dass der Wohnsitz einer Familie im Notwohngebiet liegt, stelle noch keine Kindeswohlgefährdung dar. Gleichwohl könnten die Wohnsituation und das Umfeld „Risikofaktoren“ sein, die zu „Beeinträchtigungen und Belastungen“ führen.