
Auf dem Boden liegt eine Europalette. Darauf ein dicker, gut anderthalb Meter langer Holzblock und ein Steinquader. Auf dem Stein hockt ein schlanker, kleiner Mann. Um ihn herum liegt ein ganzes Heer von Holzspänen. Mit einem eigenartigen Werkzeug in der Hand bearbeitet der Mann das vor ihm liegende Holz.
Wer vor ein paar Tagen einen Blick in die Ausstellungsräume beim Fair-Handel-Markt der Abtei Münsterschwarzach werfen durfte, dem konnte leicht der Atem stocken. Der Mann, der da am Boden die Späne fliegen ließ, schuf ein Kunstwerk von fesselnder Intensität: eine afrikanisch-deutsche Pieta.
Um den toten Jesus und seine Mutter Maria herum sind Zeichen eingeschnitzt, die das Geschehen auf Golgotha symbolisieren: die Nägel des Kreuzes, die Dornenkrone, ganz unten das Grab. Es ist leer – ebenso wie der kleine Querstollen, der dem afrikanischen Bestattungsritus entspricht. „Es ist ein Symbol dafür, dass Jesus alle Toten rettet“, sagt Norbert Mtega, emeritierter Erzbischof des Erzbistums Songea in Tansania. Er ist zu Gast in der Abtei und übersetzt die Worte des Künstlers Elias Alois Mtemela. Der Holzschnitzer gehört zum Stamm der Makonde, deren Schnitzkunst weltweit berühmt ist.
Elias hat seine Familie für ein paar Wochen in seinem Dorf Chikundi nahe der Benediktiner-Abtei Ndanda in Süd-Tansania zurückgelassen, um eine Einladung nach Deutschland anzunehmen. Zusammen mit einem tansanischen Maler war Elias Dozent eines Kunst-Workshops bei Hannover. „Die Schüler waren bass erstaunt, als er anfing, einen Holzblock in Windeseile mit seinem Teso zu behauen“, berichtet Mtega.
Mit seinem Teso? „Das ist das spezielle Makonde-Beil“, erklärt der Erzbischof und Elias hält einen langen Holzgriff hoch, an dessen Spitze ein gebogenes Eisenblatt befestigt ist. „Die Schnitzer machen ihr Werkzeug selbst. Oft verwenden sie dazu Teile alter Autos, die Stoßdämpfer zum Beispiel.“ Elias hat auch seine eigene „Kwakwa“ dabei, eine Feile mit Noppen, und sein Messer „Chipula“.
Kwakwa, Chipula und Teso sollten nicht ungenutzt in der Arbeitskiste liegen, während Elias in der Abtei Münsterschwarzach auf seinen Rückflug wartete. Dieser Meinung war jedenfalls Elias selbst. Er ist es gewohnt, immer zu arbeiten – und fragte die Benediktiner deshalb nach einem Holzstück. „Wir haben ihm Weißbuche gegeben, das ist ganz hartes Holz, ähnlich wie das Ebenholz, das die Makonde normalerweise verwenden“, berichtet Pater Joachim Witt OSB. „Es war unglaublich interessant, wie Elias innerhalb von nur einer Woche aus dem Holzklotz dieses Kunstwerk geschaffen hat.“
Bruder Joachim deutet auf den ausdrucksstarken „afrikanischen“ Christus in den Armen seiner Mutter. Elias hat sein Werk der Abtei überlassen. Neben zahlreichen anderen Makonde-Schnitzereien kann man es in den Ausstellungsräumen beim Fair-Handel-Markt betrachten.
Elias Mtemela ist 61 Jahre alt. Er hat das Makonde-Handwerk von seinen Eltern gelernt. Sie sind, ebenso wie vier seiner Kinder, bereits gestorben. Eines seiner sechs lebenden Kinder ist blind; es hat die Missionsschule der Abtei („Ndanda“) besucht.
Einer seiner Söhne, Alois, wird die Makonde-Tradition fortführen. „Er ist sehr begabt“, übersetzt Norbert Mtega Elias‘ Worte. Allerdings sei es schwer, mit der Kunst eine Familie zu ernähren. In Dar es Salaam, der größten Stadt Tansanias, gibt es zwar einen guten Markt für die Schnitzereien, aber die Stadt ist 600 Kilometer von Elias‘ Heimatdorf entfernt. Deshalb bauen Elias und seine Frau Bernadetta Mais, Hirse und Maniok an – damit sie auch dann etwas zu essen haben, wenn kein Kunstwerk verkauft wurde. Zum Glück findet Elias auch bei Pater Severin in der Abtei Ndanda Arbeit – in der Landwirtschaft und als Künstler.
Trotz aller Bescheidenheit träumt Elias davon, dass er einmal genug Geld haben wird, um für seine Familie ein Haus zu bauen. „Wir leben in einer Hütte. Aber ich möchte ein Haus aus Stein errichten“, übersetzt der Erzbischof. In Deutschland hat Elias noch etwas erlebt, was er sich auch für Tansania wünscht: „Es ist so friedlich in Deutschland und so sicher.“
Außergewöhnliche Kunst
Die Makonde sind ein Bantuvolk, das im Südosten Tansanias sowie im Norden Mosambiks lebt. Die Makonde sind stolz auf ihre kulturelle Eigenständigkeit und ihr außergewöhnliches Kunsthandwerk, die Holzschnitzerei, die international in bedeutenden Sammlungen vertreten ist.

