
Landrätin Tamara Bischof und Oberbürgermeister Stefan Güntner wollen mit dem Zug nach Hamburg. Zumindest theoretisch. Es ist so etwas wie eine Trockenübung, die die beiden führenden Kommunalpolitiker im Landkreis am Mittwoch im neuen Video-Reisezentrum absolvieren. Ihr Urteil: Ein super Service für alle, die mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren wollen – und ein weiterer wichtiger Baustein für die Belebung des Bahnhofs in Kitzingen.
Mittwochnachmittag, Bahnhofshalle. Da stehen Männer und Frauen in der Runde, erzählen, erklären – und danken. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern immer wieder. Man könnte nun meinen, das Wort „Dank“ gehöre zu öffentlichen Reden wie die Gabel zum Messer, wäre so etwas wie eine verpflichtende Floskel, die in jeder Ansprache unterzubringen ist. An diesem Nachmittag aber ist in dem Wort die Erleichterung zu spüren darüber, dass es geklappt hat mit dem neuen Video-Reisezentrum am Kitzinger Bahnhof, und zwar außergewöhnlich schnell.
Es habe viele kritische Nachfragen gegeben, weil am Kitzinger Bahnhof seit langem niemand mehr vor Ort war, um Karten zu verkaufen, Verbindungen herauszusuchen, zu beraten und alle Fragen rund um eine geplante Bahnfahrt zu beantworten, erinnerte Landrätin Bischof. Um diesen Mangel zu beseitigen, war die Bahn zunächst mit örtlichen Agenturen und Reisebüros in Kontakt getreten. „Aber wir haben niemanden gefunden, der Interesse hatte“, sagte Harald Hillemeier, Projektleiter für DB-Vertrieb in Bayern, am Mittwoch. Daraufhin stellte die Stadt als Eigentümerin des Bahnhofs dort Räumlichkeiten für ein Video-Reisezentrum zur Verfügung und schon am 1. April konnte das neue Angebot starten.
„Wir haben schon viele solche Zentren gebaut, aber so schnell ging es noch nie“, erklärte Hillemeier, der gemeinsam mit Anja Stiebeling, Projektmanagerin für die Video-Reisezentren, nach Kitzingen gekommen war. „Anderswo kämpfen wir ein Jahr, manchmal sogar eineinhalb Jahre.“ Oft hapere es mit den technischen Voraussetzungen.
Diese Anforderungen waren in Kitzingen leicht zu erfüllen, was natürlich daran liegt, dass die Stadt das Bahnhofsgebäude, das sie im Januar 2021 erworben hat, möglichst zügig wiederbeleben will. Schon kurz nach dem Erwerb wurden erste Maßnahmen ergriffen, damit das Gebäude innen wieder freundlicher aussieht. Auch Toiletten wurden eingebaut. Er sei glücklich darüber, dass jetzt auch so rasch eine Lösung für einen Ticketschalter gefunden werden konnte, betonte Oberbürgermeister Stefan Güntner. „Und hier“ – er klopfte kurz auf eine weiße Trennwand neben dem DB-Terminal – „kommt der Durchgang zum neuen Bistro mit Versorgung für Reisebedarf.“ Ein Pächter ist gefunden, das Bistro wird zum 1. Juli öffnen. „Das ist der nächste Baustein, damit wieder mehr Leben hier reinkommt“, so Güntner. Und auch die Planungen für die Umgebung des Bahnhofsgebäudes laufen.
Was dann noch fehlt und dringend erledigt werden muss, ist die Barrierefreiheit des Bahnhofs, was die Gleise angeht, betonten sowohl der Oberbürgermeister als auch die Landrätin. Sie sei nötig, um den Öffentlichen Personennahverkehr zu stärken, sagte Bischof. Denn das Bahnhofsgebäude ist zwar erreichbar, ohne Treppen nutzen zu müssen, und auch das neue Video-Reisezentrum ist barrierefrei, doch wer einen Zug nehmen will, steht vor einem bislang unlösbaren Problem. Bischof und Güntner gaben diese Barrierefreiheit der Gleise den beiden Vertreter der Bahn als „Hausaufgabe“ mit. „Es wäre doch schlecht für die Bahn, wenn wir unsere Hausaufgaben erledigt haben und von Barrierefreiheit am Gleis ist nichts zu sehen“, meinte der Oberbürgermeister.
Wie das Video-Reisezentrum funktioniert, probierten die Landrätin und der OB dann gemeinsam aus. Letztendlich drückt man nur auf einen Knopf in einer mit Bildschirm, Mikrofon, Lautsprecher und Fahrkartendrucker ausgestatteten Kabine, die durch eine Glastür von der Halle abgetrennt ist. Dann schaltet sich ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin über einen Bildschirm aus Schweinfurt zu und berät den Kunden. Drei Arbeitsplätze gibt es in Schweinfurt dafür, besetzt von acht Mitarbeitern, die in Schichten im Einsatz sind. Denn auch das ist ein großer Vorteil des neuen Zentrums: Die Öffnungszeiten sind weitaus länger als bei einem normalen Schalter, 70 Stunden pro Woche steht ein persönlicher Ansprechpartner zur Verfügung. Wohin man fahren möchte und wann, welche Verbindungsmöglichkeiten es gibt, ob und wo umgestiegen werden muss, wo man sitzen möchte....
Frage für Frage wird gemeinsam mit den Kunden abgearbeitet. Der Bahn-Mitarbeiter übernimmt die Eingaben in den Computer – alles ist jederzeit über den Bildschirm mitzuverfolgen. Der Kunde kann sich nur informieren lassen, kann aber auch gleich die Fahrkarte kaufen und bezahlen, bar oder mit Karte. Der Service ist der gleiche wie an einem Schalter, lediglich Fahrkarten, die mit einem Bild versehen sind wie die Stammkarten für die Schülerbeförderung, können dort nicht erworben werden. Die anderen Angebote von Bahn, VGN und VVM aber schon – und das ist eine Besonderheit, denn Kitzingen ist als einziger Kreis in zwei Verkehrsverbünde integriert: den Verkehrsverbund Großraum Nürnberg und den Würzburger Verkehrsverbund Mainfranken.
Interessant ist das Video-Reisezentrum nicht nur für Leute, die eine längere Reise planen oder selten Bahn fahren, sondern auch für all diejenigen, die mit den teils doch recht komplizierten Fahrkartenautomaten nicht zurecht kommen. So will die Landrätin auch den VdK und den Seniorenbeauftragten des Landkreises gezielt auf das neue Angebot aufmerksam machen.
Öffnungszeiten: Persönliche Beratung und Verkauf im Video-Reisezentrum im Kitzinger Bahnhof gibt es montags von 7 bis 19 Uhr, dienstags bis freitags zwischen 7.30 und 19 Uhr, samstags von 8 bis 15 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen von 9 bis 14 Uhr.