Michael Völker füllt seinen naturbelassenen Silvaner aus dem Dekanter in die Schoppengläser. Seine Gäste schauen gespannt zu. Einige sind irritiert: Kein klarer Wein ist zu sehen, sondern eine trübe Flüssigkeit, die eher an Traubensaft erinnert und auch ganz anders riecht, als es die fränkische Nase gewohnt ist.
Das Erlebnis der etwas anderen (Wein-)Art war Teil der Sommer-Tour von Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel. Sein Ziel waren besondere Weingüter: Das Weingut von Michael Völker in Kitzingen, das Weingut Kreglinger in Segnitz, wo sich alles um die Trockenplatte Franken dreht, oder der Winzerhof von Otto Schenk in Randersacker, der einen veganen Wein produziert.
Einen Fan hat der Naturwein bereits: Kristin Langmann, die Fränkische Weinkönigin, findet „den Geschmack anders als gewohnt, aber sehr, sehr lecker.“ Der Bullenheimerin gefällt auch die Kombination von Pioniergeist und Heimatverbundenheit. Der Wein sei innovativ, das Etikett aber klassisch: „Es betont die Wurzeln von Michael Völker.“
Der junge Winzer hat vor zwei Jahren das Weingut seines Vaters Bernhard übernommen. Seitdem lenkt er den Betrieb peu a peu in Richtung Naturwein. Darunter kann sich nicht jeder etwas vorstellen, sagt der Winzer: „Eine allgemeine Definition von Naturwein gibt es nicht. Aber die französische Vereinigung von Naturwein-Winzern hat einige Kriterien festgelegt, zum Beispiel: biologischen Anbau, Spontangärung und kein Filtern der Weine.“
Als Michael mit seiner Frau Melanie Drese noch in London wohnte, wurde er von seinem Lieblings-Weinladen dort „angefixt“, wie er es nennt: „Erst dort kam ich zum ersten Mal mit ungeschwefeltem Wein in Berührung. In Deutschland macht naturbelassener Wein nur eine kleine Nische aus.“
Der studierte Philosoph war derart begeistert, dass er sich entschloss, es auch einmal selbst zu probieren. Deshalb gründete er zusammen mit seiner Frau das Label „2 Naturkinder“: Weils es im Weingut Völker nach wie vor auch traditionell hergestellten Wein gebe, „haben wir uns auch für ein anderen Namen entschieden, damit niemand durcheinander kommt.“
Um den leichten Kulturschock, den so ein fremdartiger Wein gerade auf die Franken ausübt, weiß der junge Mann. Als ein Gast verwundert über den ungewohnten Geschmack ist, erklärt Völker: „Das ist wie beim Käse: Wenn man ein Leben lang nur abgepackten Edamer und Gouda aus dem Supermarkt gegessen hat, ist man auch erst mal verwundert, wenn man einen richtig ausgereiften Camembert vorgesetzt bekommt.“
Der Naturwein also der Camembert der Weine? Immerhin: Nach einigen weiteren Probierversuchen fällt das höchste fränkische Kompliment: „Ungewohnt. Aber man kann's trinken.“
Noch eine Eigenart hat der naturbelassene Biowein. Er schmeckt von Jahrgang zu Jahrgang anders, so Michael Völker: „Das liegt unter anderem daran, dass wir nichts am Säuregehalt der Naturweine verändern.“ Normalerweise versuchten die Winzer, dass sich die Weine geschmacklich ähneln. Der Verbraucher habe ja auch eine gewisse Vorstellung, wie beispielsweise sein Silvaner schmecken muss, so Sauere: „Auf Naturwein muss man sich einlassen und sich immer auf neue Überraschungen einstellen.“
In Deutschland ist der Markt mit dem Naturwein eine Nische, aber es gibt Tendenzen: Immer mehr Winzer steigen auf biologischen Weinbau um. Die Frage aller Fragen stellt am Ende Weinbau-Fachberater Hermann Mengler: „Wir wissen noch nicht, ob der Konsument einfach immer mal wieder etwas Neues möchte, oder ob sich hier wirklich tief greifende Veränderungen anbahnen. Wir Franken sollten diesen Trend auf jeden Fall beobachten, denn warum sollen gerade wir hintenanstehen?“