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MAINBERNHEIM
Nach Silber in Peking: Wie Bob-Pilot Christian Rasp die Olympia-Blase erlebt hat
„Ganz schön schweres Ding!“: Die Mainbernheimerin Ludmilla Eisenbraun durfte Christian Rasps Silbermedaille hautnah begutachten, ebenso wie zuvor Bürgermeister Peter Kraus (Bildmitte, im Hintergrund).  Fotos: Diana FUCHS
Foto: Diana Fuchs | „Ganz schön schweres Ding!“: Die Mainbernheimerin Ludmilla Eisenbraun durfte Christian Rasps Silbermedaille hautnah begutachten, ebenso wie zuvor Bürgermeister Peter Kraus (Bildmitte, im Hintergrund).
Diana Fuchs
 |  aktualisiert: 09.03.2022 02:21 Uhr

Lauter fröhliche Menschen! Wer am Dienstagabend in Mainbernheim den Veranstaltungssaal betrat, spürte etwas, das in Corona-Zeiten rar geworden ist: ein gemeinschaftliches Stimmungshoch.

Christian Rasp, ein waschechter Mainbernheimer, hatte wenige Tage zuvor bei den Olympischen Spielen in China im Viererbob die Silbermedaille gewonnen. Am Tag nach seiner Landung in Deutschland trug er sich nicht nur ins Goldene Buch seiner Heimatstadt ein, sondern erzählte auch von einer Party mit der Boing-747-Crew, einer Socke auf der Überwachungskamera und davon, was Bobfahrer „drunter“ tragen.

Mit am meisten – neben Rasps Eltern Ute und Dieter – strahlte Ludmilla Eisenbraun. Die Stadtführerin durfte ausprobieren, wie sich so eine Medaille auf der Haut anfühlt. Das runde Silber war größer als Eisenbrauns Handfläche „und schwer, richtig schwer“, stellte die Mainbernheimerin staunend fest. „550 Gramm sind's“, sagte Christian Rasp grinsend, „hab's frisch gewogen“.

„Wir freuen uns mit Dir!“ – dieser Satz schallte dem 32-Jährigen immer wieder entgegen. Auch aus dem Mund von Peter Kraus. Der Bürgermeister zollte dem Sportler großen Respekt sowohl für seine überragende Leistung als auch dafür, dass er trotz aller Erfolge nicht die Bodenhaftung verliert. „Wir sind stolz und froh darüber, dass Du den Namen Mainbernheims mit in alle Welt trägst.“

„Alle Welt“ ist durchaus wörtlich zu verstehen. „In den sieben Jahren, in denen ich im Bob-Team bin, habe ich Orte kennengelernt, an die ich sonst wohl nie gekommen wäre: vom kanadischen Whistler bis ins extravagante St. Moritz in der Schweiz“, stellt Christian Rasp fest. „Und gestern, beim Heimflug, ins Cockpit einer fliegenden Boing 747.“ Die ganze Crew an Bord habe sich mit den Bobfahrern gefreut und spontan eine kleine Party „über den Wolken“ inszeniert.

Auch China und die Olympischen Winterspiele haben bei Rasp bleibenden Eindruck hinterlassen – trotz oder gerade wegen des Lebens in einer abgeschotteten „Olympia-Blase“. Rasp, von Beruf Polizeibeamter, beschreibt es so: „Man hat sich ein bisschen gefühlt wie im offenen Vollzug.“

Kontakt zur normalen Bevölkerung sei schon im Oktober nicht möglich gewesen, „leider“. Damals, während der Vorbereitungsphase auf Olympia, wohnten die Bobfahrer in einem chinesischen Hotel. Eines Abends feierte das gesamte Team ein bisschen: „Wir sind ja nur auf der Bahn Konkurrenten, ansonsten haben wir mit Francesco Friedrich, dem jetzigen Goldmedaillen-Gewinner, und seinen Anschiebern ein freundschaftlich-respektvolles Verhältnis und auch immer einen Haufen Gaudi.“

Als eine umhergeworfene Socken auf einer Überwachungskamera liegen blieb, dauerte es „keine fünf Minuten, bis wir freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen wurden, dass die Kamera frei bleiben müsse. Das ist eben China.“

Eine Narbe an der Schulter

Bei diesem ersten Aufenthalt in Peking haben sich die Sportler vegetarisch ernährt. „Es hieß, dass Fleisch in China hormonbehandelt sein kann, was uns bei Dopingkontrollen zum Verhängnis werden könnte.“ Während der Spiele sei das Essen im olympischen Dorf getestet gewesen. „Da durften wir alles essen. Und es hat auch echt gut geschmeckt.“

Nicht so schnell vergessen werde er die „teils absurden Hygienevorschriften“, sagt Rasp. „Hinter uns wurde immer alles sofort desinfiziert – von Leuten, die komplett in weiße Plastikschutzanzüge gehüllt waren.“ Einen dieser Anzüge hat Christian Rasp „als Souvenir mit heimgebracht“, erzählt er grinsend. „Ich habe das Teil zum Abschied von einem Chinesen bekommen. Einmal hatte ich es schon an. Nach ein paar Minuten schwitzt man darin total.“

Eine ganz neue Erfahrung für einen, der viele Stunden in eisiger Umgebung verbringt? Christian Rasp lacht. „Auch wenn man es vielleicht kaum glaubt: Ich habe an der Schulter eine kleine Brandnarbe. Und ein Kollege hat sogar schon eine Hauttransplantation gebraucht, weil er sich auf der Bahn verbrannt hatte.“ Verbrannt im Eis? „Ja, wenn du mit 130 Stundenkilometern aufs Eis fällst, verbrennt dir die Haut.“ Deshalb tragen Bobfahrer unter den dünnen Rennanzügen auch nie synthetische Unterwäsche, sondern „was aus Baumwolle“.

Im Bauch des Bobs

Als hinterster Anschieber ist es die Aufgabe des früheren Leichtathleten und Sprinters, dem Vierer-Schlitten von Pilot Johannes Lochner beim Start möglichst viel Tempo mitzugeben. Und dann? Was macht ein Anschieber während der Fahrt, tief hineingeduckt in den Bauch des Schlittens? „Ich versuche, exakt hinter dem Vordermann eine möglichst aerodynamische Position beizubehalten. Mit geschlossenen Augen spüre ich den Kurvenverlauf mit und ziehe am Schluss, hoffentlich nicht zu früh und nicht zu spät, die Bremse.“ Das eine oder andere Mal habe er den „Stachel“ tatsächlich zu spät ins Eis gerammt, weshalb der Bob übers Ziel hinausschoss. „Wir sind dann ein bisschen geschanzt. Sind aber alle unverletzt geblieben.“

Dass ein guter Schutzengel nie schadet, weiß auch Pfarrer Paul Häberlein. Er bat Christian Rasp, ihm eine Autogrammkarte zu überlassen, die er ganz hoch hinaus schicken werde: in die Kirchturmkugel. Die wird nämlich im Zuge der Kirchensanierung demnächst vom Turm geholt und ihr Inhalt vervollständigt.

Die Verbundenheit mit der Kirche gefällt Christian Rasps Vater Dieter besonders gut. In einer ruhigen Minute am Ende des Empfangs verrät er: „Ich bin vor allem froh, dass Christian wieder heil heimgekommen ist. Immer, wenn er fortfährt, denke ich an diese Zeile im Segenslied: '...und halte Gott Dich fest in seiner Hand'.“

Wie lange Christian Rasp noch international als Bobfahrer unterwegs sein wird, weiß er selbst noch nicht genau. „Dass ich noch einen kompletten olympischen Zyklus mitmache, glaube ich eher nicht“, meint er. Die WM nächstes Jahr hat er aber fest im Visier: „Ich steh' schon noch im Saft!“

Christian Rasp

Der erfolgreiche Olympionike Christian Rasp, geboren im September 1989, wuchs in Mainbernheim auf. Schon als Kind war er ein talentierter Leichtathlet. Als Sprinter wurde er 2010 deutscher U23-Meister über 100 m und 200 m.

Vor sieben Jahren wechselte er zum Bobsport und startete fortan als Anschieber im Viererbob von Johannes Lochner.

Zweimal wurde er Weltmeister, viermal Europameister und einmal Sieger des Gesamtweltcups.

Bei den Olympischen Spielen in Peking krönte er seine Bob-Karriere nun mit der Silbermedaille. Der Mainbernheimer lebt und trainiert in Berchtesgaden. Er arbeitet als Ausbilder bei der Polizei.

Ihre Gesichter sprechen Bände: Ute und Dieter Rasp aus Mainbernheim freuen sich sehr mit ihrem Sohn, dem erfolgreichen Sportler Christian Rasp.
Foto: Diana Fuchs | Ihre Gesichter sprechen Bände: Ute und Dieter Rasp aus Mainbernheim freuen sich sehr mit ihrem Sohn, dem erfolgreichen Sportler Christian Rasp.
550 Gramm Silber über der Brust: So sieht die Medaille aus, die Christian Rasp aus Peking mitgebracht hat.
Foto: Diana Fuchs | 550 Gramm Silber über der Brust: So sieht die Medaille aus, die Christian Rasp aus Peking mitgebracht hat.
Das C für Christian sieht aus wie ein Bob: So hat sich Olympionike Rasp im Goldenen Buch der Stadt Mainbernheim verewigt.
Foto: Diana Fuchs | Das C für Christian sieht aus wie ein Bob: So hat sich Olympionike Rasp im Goldenen Buch der Stadt Mainbernheim verewigt.
 
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