
Eingeschlagene Glasscheiben, zerbrochene Blumenkübel, verkohlte Sitzbänke. Die kleine, graue Holzkapelle inmitten der Sommeracher Weinberge bietet einen traurigen Anblick. Zum dritten Mal ist sie das Ziel von Vandalismus geworden. Während Mitte Februar der oder die Täter eine Scheibe einschlugen und das Kapellenbuch verbrannten, wurden am Freitag vergangener Woche erneut Scheiben zerstört und Blumentöpfe zerbrochen. In der Nacht auf Sonntag ereignete sich der bisherige, traurige Höhepunkt der Serie: eine mutmaßliche Brandstiftung. Ein Augenzeuge berichtet, was er erlebt hat.
Es ist kurz nach Mitternacht. Ein 69-jähriger Mann aus Sommerach beschließt, weil ihn ein Atemwegsinfekt quält, eine kurze Runde durch die Weinberge zu drehen, die unweit seines Hauses liegen. Er befindet sich auf Höhe der Marienkapelle, als er gegen 0.30 Uhr in der Ferne ein helles Licht sieht und sich wundert. Die Fenster der Stiftskapelle sind hell erleuchtet. "So viele Kerzen können doch dort nicht brennen", denkt er und geht näher in Richtung Kapelle. Er erkennt: Das ist Feuer! Auf dem schnellsten Weg rennt er durch die Weinberge dorthin.

Als der Sommeracher zur Kapelle kommt, sieht er im Türrahmen zwei Gestalten mit schwarzen Kapuzenpullis stehen. In der Kapelle brennen die Holz-Sitzbänke. "Halt! Was macht ihr da!", ruft der Sommeracher laut. Die beiden Angesprochenen verlassen daraufhin fluchtartig den Ort in Richtung Dorf. Der 69-Jährige verfolgt sie kurz, kehrt dann aber zur Kapelle zurück.
Schnell erkennt er, dass er Hilfe holen muss. Da er kein Handy bei sich hat, rennt er ins Dorf und klopft am ersten Haus, in dem noch Lichter brennen, um Feuerwehr und Polizei zu alarmieren. Anschließend geht er nach Hause, schnappt sich sein Rad sowie einen Besen und fährt zurück zur Kapelle. Mithilfe des Besens zieht er das Brandgut aus der Kapelle.
"Dank des beherzten Eingreifens eines aufmerksamen Sommeracher Bürgers konnte das Schlimmste verhindert werden", lobt der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, Andreas Drescher, die Aktion des 69-Jährigen. "Als wir eingetroffen sind, mussten wir nur noch ablöschen und nach Glutnestern suchen. Wäre der Brand nicht entdeckt worden", ist er sich sicher, "wäre die Holzkapelle abgebrannt."
Welche Motive hatten der oder die Täter?

"Warum?" – Das fragen sich die Eigentümer der kleinen Kapelle, Ruth Sauer und Rupert Weickert, seit Beginn der Zerstörungsserie täglich. "Der entstandene Sachschaden und die Aufregung ist die eine Sache. Der emotionale Wert, den die Kapelle für uns hat, wiegt jedoch höher", erklären sie. Denn Bauherr und Stifter der Kapelle war ihr Vater Josef Weickert, der Architekt ihr Bruder Bertram Weickert.
Gemeinsam setzten Vater und Sohn 2001 das Vorhaben um, aus Dankbarkeit eine Kapelle zu bauen. Seitdem ist die kleine Holzkapelle für Einheimische und Besucher der Winzergemeinde nicht nur ein Unterschlupf bei schlechter Witterung, sondern vor allem ein beliebter Ort der Ruhe und Andacht, der von der Familie liebevoll gepflegt wird. Sie hofft daher sehr, dass die Täter bald ermittelt werden. "Man richtet die Kapelle mit keinem guten Gefühl wieder her, bis die Täter nicht gefasst sind. Woher wissen wir, dass dann nicht wieder alles mutwillig zerstört wird?", schildern sie ihre Sorgen.

Vielleicht hat die Zerstörungswelle bald ein Ende: Die Pressestelle des Polizeipräsidiums Würzburg teilte am Montag mit, dass zwei "dringend tatverdächtige" Jugendliche im Zuge der Fahndung noch in der Tatnacht festgenommen worden seien. Die Polizei überprüft nun, ob ein Zusammenhang zwischen den Taten besteht. Die Kripo Würzburg leitet hierzu die Ermittlungen.