Wenn Ulrike und Mario Pierl zu Mittag essen, schauen ihnen fast 600 Jahre alte Balken auf die Teller. Der älteste Teil des Fachwerkhauses, das das Paar 2002 in einem völlig maroden Zustand gekauft hat, stammt aus dem Jahr 1450 – der etwas jüngere wurde in der Renaissance um 1663 angebaut. Das haben spezielle Untersuchungen des Holzes ergeben.
Lage war Trumpf
Dabei wussten die Pierls gar nicht, was sie sich da eingeheimst hatten. Die Balken drohten sogar, einzustürzen. „Nicht weil uns das Haus so gut gefiel, haben wir es gekauft, sondern wegen der Lage“, erinnert sich Mario Pierl. Nur 50 Meter sind es zum Volkacher Marktplatz, das Rathaus steht in direkter Nachbarschaft.
Der Kaufvertrag war rasch unterschrieben. Erst dann begann das eigentliche Überlegen, Umbauen und vor allem Rechnen. „Wir haben ganz schnell kalte Füße bekommen, als uns klar wurde, welcher Aufwand auf uns zukommt“, sagt der Bauherr. Das Ergebnis einer Zustandsanalyse ergab eine katastrophale 5,5 auf einer Skala von eins bis sechs. Mehr Arbeit geht kaum. Ein Neubau mit den gleichen 450 Quadratmetern Wohnfläche hätte nur die Hälfte gekostet. Da halfen auch die Zuschüsse von Stadt, Bezirk und bayerischem Denkmalschutzamt nur bedingt.
Allein 50 Container Schutt wurden entsorgt. Doch in jedem Stein konnte womöglich das Geheimnis über den ursprünglichen Zweck des Gebäudes stecken. Als ein Bauarbeiter schließlich eine „versteinerte Kartoffel“ findet, ist klar: Badgasse 4 diente früher als Wellnesstempel. Öffentlich zugänglich ist die Adresse heute nur noch in Ausnahmen.
Seit September 2011 wohnen die Pierls in ihrem Haus, fertig ist es trotzdem noch nicht. Das Dachgeschoss mit seinen besonders hohen Decken soll noch zum Arbeitszimmer ausgebaut werden. Mit viel Platz für fliegende Gedanken, von denen die Balken einmal erzählen können.
Ehrung: Das Volkacher Ehepaar Pierl bekommt heute in München mit 20 anderen Preisträgern von Kunstminister Wolfgang Heubisch die Bayerische Denkmalschutzmedaille überreicht. Aus dem Landkreis wird außerdem der Markt Willanzheim für die Instandsetzung der Kirchenburg Herrnsheim ausgezeichnet.