
Es ist kein schöner Befund, auch wenn es erst einmal danach klingt: Die Zahl der Schlaganfall-Patienten ist während der Pandemie gesunken. Viele Betroffene trauten sich anscheinend nicht in die Kliniken – und damit ist ihr Risiko für schwerwiegende Folgeerscheinungen nicht gerade gesunken. Aufklärung tut Not.
Normalerweise veranstaltet die Klinik Kitzinger Land einmal pro Jahr einen Schlaganfalltag. Mehr als 100 Interessierte informierten sich in den vergangenen Jahren über neue medizinische Erkenntnisse und die richtigen Schritte beim Auftreten der ersten Symptome. Mit Beginn der Pandemie war nichts mehr normal. Zweimal musste die Informationsveranstaltung abgesagt werden, auch heuer konnte keine Präsenzveranstaltung in der Klinik stattfinden. Dr. Wolfgang Karmann sieht das mit Sorge. „Ich befürchte, dass viele Menschen die Anzeichen für einen Schlaganfall gar nicht mehr kennen und falsch reagieren.“
Jede Minute zählt
Falsch reagieren heißt vor allem: Nicht reagieren. Dabei sind die Anzeichen klar: Taubheit im Arm oder Bein, vorübergehender Sprachverlust, das Lächeln oder Zähne zeigen fällt schwer. Wer solche Symptome hat, sollte keine Sekunde zögern, sondern sofort den Notarzt rufen. Steffi Eib vom Team der Klinik Kitzinger Land berichtet von Patienten, die sich während der Pandemie erst nach vier Tagen gemeldet haben. „Das Hirngewebe war dann schon längst kaputt“, sagt sie. „Deshalb zählt jede Minute“, betont Neurologe Michael Möllers. Er ist einer von vier Fachärzten, die sich in der Klinik Kitzinger Land um Patienten mit neurologischen Krankheitsbildern kümmern. „Wir haben die Abteilung erst kürzlich erweitert“, freut sich Chefarzt Dr. Karmann. Ab sofort steht den Patienten tagtäglich ein neurologischer Facharzt zur Seite, auch samstags und sonntags.
Überdies ist die Klinik seit neun Jahren im so genannten STENO-Netzwerk eingebunden. 21 Kliniken aus ganz Franken arbeiten eng zusammen und tauschen sich in den Nachtstunden – wenn kein eigener klinikinterner neurologischer Facharzt im Hause ist – über eine Videoverbindung aus, wenn es um die richtige Diagnose und Vorgehensweise beim Schlaganfallpatienten geht. Bilder und Laborbefunde können gemeinsam eingesehen werden. „Danach erfolgt eine Empfehlung für die weitere Versorgung“, erklärt Michael Möllers.
Nur circa fünf Prozent der Patienten müssen unter laufender Lyse-Therapie an die Uniklinik in Würzburg verlegt werden, um mit Hilfe eines Katheters das verstopfte Gefäß wieder frei zu bekommen. Fast alle Patienten können in der Klinik Kitzinger Land aber behandelt werden. Die Ausrüstung ist da: MRT, CT, eine schnell reagierende zentrale Aufnahme und die sogenannte „stroke unit“, die auf die Behandlung von Schlaganfallpatienten eingerichtet ist. „Wir verlieren dabei keine Zeit“, versichert Dr. Teresa Küntzig, die das Team seit Oktober dieses Jahres komplettiert und vorher in München gearbeitet hat. Ihr erster Eindruck: „Die Akutversorgung hier in Kitzingen ist sehr gut.“
Das liegt auch an einer interdisziplinären Zusammenarbeit, die Dr. Karmann initiiert hat. Neurologen und Kardiologen tauschen sich regelmäßig aus, arbeiten eng zusammen. „Herz und Hirn in einer Abteilung. Das war mir schon immer sehr wichtig“, sagt der Chefarzt, der in einer optimalen Nachbetreuung im Falle eines Schlaganfalles einen weiteren wichtigen Baustein der Behandlung sieht.
Ambulante neurologische Reha
Logopäden, Ergo- und Physiotherapeuten gibt es bereits, sie nehmen sich schon jetzt der Schlaganfallpatienten an. Eine ambulante neurologische Rehabilitation in der Klinik Kitzinger Land gibt es zwar (noch) nicht, ist aber in Planung. Der Bedarf ist da, darüber sind sich alle Beteiligten einig. Die Bevölkerung wird immer älter, Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck, Herzerkrankungen oder Bewegungsmangel spielen in der Gesellschaft eine immer größere Rolle. „Die Zahl der Schlaganfallpatienten wird weiter steigen“, prognostiziert Dr. Wolfgang Karmann.
Die Klinik Kitzinger Land will darauf bestens vorbereitet sein – und die Betroffenen ermutigen, sich schnellstmöglich auf den Weg zu machen.
Schlaganfall
Definition: Ein Schlaganfall ist die Beschreibung einer plötzlichen Verschlechterung der Gehirnfunktion. Am häufigsten ist der Hirninfarkt. Durch eine Verstopfung von Gefäßen kommt es zu einer Minderdurchblutung des Gehirns und anschließend zu einem Funktionsausfall. Bereits nach wenigen Minuten sterben Gehirnzellen ab. Es kommt zu einer dauerhaften Schädigung mit bleibenden Einschränkungen. Davon unterschieden wird die Hirnblutung. Ein Blutgefäß platzt und es kommt zu einer Blutansammlung im Gehirn.
Die Behandlung unterscheidet sich komplett: Bei der Hirnblutung geht es um ein schnelles Stoppen der Blutung. Bei einem Hirninfarkt kann die Verstopfung eines Gefäßes durch Medikamente oder einen Katheter-Eingriff behoben werden.
Symptome: Beim Lächeln besteht eine Schwäche, im Arm gibt es Kribbeln, das Sprechen ist undeutlich oder es werden keine Worte gefunden. All diese Symptome treten ohne Vorwarnung und plötzlich auf.
Schnell reagieren: Im Gegensatz zum Herzinfarkt ist ein Schlaganfall nicht schmerzhaft. Dennoch sollte sofort der Notruf abgesetzt werden. Tel. 112.
Weitere Infos: www.schlaganfall-hilfe.de