zurück
Kitzingen
Mit dem Zittern nicht allein: Wie sich Parkinson-Kranke gegenseitig unterstützen können
Reinhold Marchot aus Kitzingen ist an Parkinson erkrankt. Was ihm fehlt, ist der Austausch mit anderen Betroffenen. Das soll sich jetzt ändern.
Oft eines der ersten deutlichen Symptome bei Parkinson: Eine Hand beginnt plötzlich unkontrolliert zu zittern.
Foto: Adobe Stock | Oft eines der ersten deutlichen Symptome bei Parkinson: Eine Hand beginnt plötzlich unkontrolliert zu zittern.
Daniela Röllinger
 |  aktualisiert: 15.07.2024 13:24 Uhr

Vor etwa zwei Jahren fing es an: Die rechte Hand zitterte ein bisschen. Das wird an seinen Krankheiten liegen, vermutete Reinhold Marchot. Schließlich litt er schon länger an Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dass es mehr sein könnte, zog er nicht in Erwägung. Bis die Diagnose des Neurologen vorlag: Der Kitzinger hat Parkinson.

Schauspieler Michael J. Fox, Moderator Frank Elstner, Kabarettist Ottfried Fischer – das sind die Namen, die einem einfallen, wenn es um Parkinson geht. Es sind nur drei von rund sechs Millionen Betroffenen weltweit. Etwa 400.000 sind es in Deutschland, über 60.000 in Bayern. Schätzungen gehen von bis zu 0,5 Prozent der Bevölkerung aus.  

Parkinson wurde 1817 erstmals erwähnt – bis heute ist die Krankheit nicht heilbar

Reinhold Marchot sitzt in seiner Küche und erzählt vom Anfang seiner Krankheit. Mit der linken Hand unterstreicht er gestikulierend seine Aussagen. Der rechte Arm liegt auf dem Tisch. Erst ruhig, dann fängt die Hand plötzlich an, heftig zu zittern. "Das ist der Tremor", sagt der 72-Jährige. Ein typisches Symptom und das bei Laien bekannteste.

Schüttel-Lähmung wird Parkinson umgangssprachlich genannt. James Parkinson, der Namensgeber, hat die Symptome 1817 erstmals beschrieben. Heute weiß man:  Bei Parkinson sterben Nervenzellen im Gehirn ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Die Symptome, die auftreten, sind Folge dieses Dopamin-Mangels. 

Behandlung mit Medikamenten gleicht den Dopamin-Mangel aus

Heilbar ist Parkinson auch über 200 Jahre nach der ersten Erwähnung nicht. "Aber es gibt verschiedene Therapieoptionen, mit denen die Krankheit über Jahre gut kontrolliert werden kann", schreibt Prof. Dr. Jens Volkmann, Direktor der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Würzburg und 1. Vorsitzender der Deutschen Parkinson Stiftung in einer Pressemitteilung zum Welt-Parkinson-Tag am 11. April. So ist die Behandlung mit Medikamenten wichtig, um den Dopamin-Mangel auszugleichen, und das möglichst frühzeitig. 

Auf die Bedeutung der möglichst frühen Erkennung der Krankheit macht auch die AOK anlässlich des Aktionstags aufmerksam. "Es ist wichtig, dass Menschen, die typische Symptome an sich feststellen, zum Arzt oder zur Ärztin gehen", so Alexander Pröbstle, Direktor bei der AOK in Würzburg. Das Zittern einer Hand. Steifheit. Langsamkeit. Eine monotone, leise Stimme. Ein ausdrucksloses Gesicht. Schwierigkeiten beim Gehen und mit dem Gleichgewicht. 

Rein statistisch müsste es im Landkreis etwa 450 Betroffene geben

Jens Volkmann hat mit Frank Elstner ein Buch über die Krankheit des zentralen Nervensystems geschrieben. Reinhold Marchot es hat gekauft – die deutlichen Gebrauchsspuren zeigen, wie oft er darin liest. Es ist derzeit eine der wenigen Möglichkeiten für ihn, zu erfahren, wie es anderen Betroffenen geht.

Reinhold Marchot ist an Parkinson erkrankt. Er würde sich gerne mit anderen Betroffenen austauschen, eine Selbsthilfegruppe gibt es aber bislang in Kitzingen noch nicht.
Foto: Daniela Röllinger | Reinhold Marchot ist an Parkinson erkrankt. Er würde sich gerne mit anderen Betroffenen austauschen, eine Selbsthilfegruppe gibt es aber bislang in Kitzingen noch nicht.

Wie viele Parkinson-Patienten es wohl im Landkreis Kitzingen gibt? Legt man die Durchschnittszahl 0,5 Prozent zugrunde, wären es etwa 450. Statistisch gesehen ist Reinhold Marchot also nicht alleine mit seiner Krankheit. Trotzdem fühlt er sich manchmal so.

Am familiären Umfeld liegt das nicht. Seine Lebensgefährtin ist für ihn da und hilft ihm, allein schafft er den Haushalt nicht. Auch die medizinische Versorgung stimmt. Er nimmt Medikamente, die ihm helfen, die Symptome zu kontrollieren. Er geht zum Arzt, zur Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie. 

Wie gehen andere damit um, wenn sie die richtigen Worte nicht finden?

Was Marchot fehlt, ist der Austausch mit anderen Betroffenen. "Es gibt hier in Kitzingen keine organisierte Gruppe, die sich gegenseitig hilft und pusht", bedauert der 72-Jährige. Er will dazu beitragen, dass sich das ändert. Beim Erklären kommt er ins Stocken, pausiert. "Manchmal ist es nicht einfach, das Wort zu finden, das man braucht", sagt der Siedler. Manchmal kommt es noch, manchmal nicht.

Marchot wüsste gern, wie andere mit den Wortfindungsstörungen umgehen. Würde sich gern mit anderen Betroffenen einfach nur unterhalten. Karten oder Schach spielen mit Menschen, deren Hände zittern wie seine rechte. Die vielleicht Schwierigkeiten haben, ein gefülltes Glas zum Mund zu führen. Marchot hat damit kein Problem. Sobald er ein Glas nimmt, ist die Kontrolle wieder da, das Zittern hört auf. Aber er weiß, dass sich das jeden Tag ändern kann.

Der leidenschaftliche Jäger musste sein Hobby aufgeben

Schon länger Schluss ist dagegen mit seinem Hobby. Marchot war leidenschaftlicher Jäger. Aber eine Waffe führen, wenn die Hand jederzeit unkontrolliert zu zittern beginnen kann? Undenkbar. "Ich habe meinen Jagdschein nicht verlängert", sagt er. "Es hat keinen Sinn." Bedauern schwingt in diesem Satz, Trauer ist im Blick zu lesen. Es sind Folgen der Krankheit, gegen die es keine Medikamente gibt.

Aber der Austausch, das gegenseitige "Pushen", wie Reinhold Marchot gesagt hat, könnte schon helfen. Er hofft, dass sich andere bei ihm melden, dass man sich treffen kann, dass ein regelmäßiger Kreis sich findet, der vielleicht sogar in einer Selbsthilfegruppe mündet. 

Herbert Köhl von der Fachstelle für Bürgerschaftliches Engagement und Seniorenfragen am Landratsamt, in dessen Arbeitsbereich auch Selbsthilfegruppen fallen, hat seine Unterstützung zugesagt. Wer Interesse hat, kann sich bei Reinhold Marchot melden, Tel. 01577/4334822. 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Daniela Röllinger
AOK
Diabetes
Frank Elstner
Logopädie
Michael J. Fox
Neurologinnen und Neurologen
Ottfried Fischer
Parkinsonpatienten
Physiotherapie
Universitätsklinikum Würzburg
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top