Wer in der Binnenschifffahrt den Namen Johannes Kepler hört, denkt nicht an den im 16. Jahrhundert lebenden Astronom und Physiker, der die Dimensionen des Planetensystems erforscht hat. Vielmehr verbindet man den Namen mit dem hochmodernen Peil- und Vermessungsschiff des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamtes (WSA) Main in Schweinfurt. Dieses Schiff garantiert zusammen mit seiner Besatzung, dass Main und Donau, die zu den wichtigsten Fahrrinnen der Frachtschifffahrt gehören, Tag und Nacht befahrbar sind. "Wir sind quasi wie eine Autobahndirektion an den Bundesfernstraßen", sagt Gerhard Schraut-May, Leiter der Gewässervermessung im Fachbereich Schifffahrt. Oberstes Ziel von ihm und seiner Crew: "Der Verkehr muss laufen!"
Im Januar geht es los in Passau, im August ist man in Kitzingen
Über 800 Kilometer weit reicht der Dienstbereich des überregional tätigen Schiffes. Die Behörde garantiert eine durchgehende Wassertiefe von in der Regel 2,90 Meter und eine Fahrrinnenbreite von 40 Meter. Mitte August hat das Schiff Kitzingen erreicht und dort festgemacht. Begonnen hat der Dienst im Januar des Jahres in Passau auf der Donau. Von dort ging es weiter über den Main-Donau-Kanal über Bamberg in den Main.
Die Besatzung besteht aus drei Mann: Schiffsführer ist der in Frankfurt wohnende Andreas Tarrona, Peilleiter der aus Nürnberg stammende Geologe Markus Keller. "Mädchen für Alles" und Herr über zwei kräftige Dieselmotoren ist der Bootsmann Michael Ohmer aus Landau an der Isar. Das Trio wohnt und arbeitet die Woche über auf dem 33 Meter langen Schiff. Jeder besitzt dort eine kleine Kajüte, dazu kommen eine gemeinsame Küche und das Bad. Ein ausgeklügelter Plan garantiert, dass alle Drei per Dienstauto oder Bahn am Wochenende nach Hause kommen. Sonntagabend trifft man sich wieder am jeweiligen Ankerplatz.
Unebenheiten am Flussgrund werden sofort erkannt
Jetzt wird der Main zwischen Kitzingen und Schwarzach vermessen. Der Peilleiter sitzt an seinem Arbeitsplatz mit mehreren Bildschirmen hinter dem Steuerplatz des Kapitäns. Die beiden können direkt miteinander kommunizieren. Mit maximal 10 km/h startet das Boot auf einer genau vorgegebenen Route. Ein Fächer-Echolot mit drei Schwingköpfen tastet Meter für Meter exakt die Fahrrinne ab. Mehrere GPS-Systeme protokollieren den genauen Standort. Jede noch so geringe Unebenheit am Flussgrund wird sofort erkannt.
Zuerst wird flussaufwärts die eine Hälfte der Rinne ausgemessen, dann folgt flussabwärts die andere Rinnenhälfte. Notfalls erfolgt ein weiterer Messgang. Alle Daten werden protokolliert und elektronisch an das WSA weitergegeben. Auftretende Untiefen meldet die Besatzung sofort den jeweils zuständigen Außenbezirken des Amtes.
Verlässt der Kapitän den Kurs, kommt umgehend Protest
Still ist es im Arbeitsbereich des Bootes. Die Crew arbeitet konzentriert. Ab und zu kommt vom Peiler ein Kommando an den Schiffsführer: "Mehr rechts!", "Mehr links!", "Langsamer!" und so weiter. Dazwischen knarren Funksprüche entgegenkommender Frachtschiffe. Jeder einzelne Begegnungsverkehr wird zwischen den Schiffsführern genau abgesprochen. Kommt Kapitän Taronna dabei nur etwas vom Messkurs ab, folgt vom Peilmann sofort der Protest: "Stopp! 100 Meter zurück und das Ganze nochmal von vorne!" Dadurch dass die Schiffsschrauben 360 Grad drehbar sind (Schlottenantrieb genannt), kann das Schiff quasi auf der Stelle wenden.
"Gerade in Bereichen größerer Städte finden wir des öfteren auch entsorgte Gegenstände bis hin zu Fahrzeugen, die fast an die Fahrrinne herangespült wurden", sagt Amtsleiter Schraut-May. "Da kann es dann schon vorkommen, dass wir die Strecke kurzfristig sperren müssen." Im Gesamten gesehen gibt es auf dieser "Haltung", wie der Bereich zwischen zwei Schleusen genannt wird, keine größeren Probleme. Am späten Nachmittag ist die Crew fertig.
Drei Mann auf einem Boot – und das so lange. Geht das gut? Die Frage beantworten die Drei unisono mit Ja. Sie kennen einander schon über Jahre. Trotz der Tagesroutine ist die Arbeit anstrengend, von der vorbeiziehenden Landschaft nehmen sie nicht viel wahr. Dafür freuen sie sich auf die kommenden Ankerplätze, in diesem Streckenabschnitt etwa auf Würzburg. Der erfahrene Schiffsführer kennt viele schöne Zielhäfen, von denen man zu Fuß in kurzer Zeit den Ortsbereich erreicht. Ein gemeinsames Abendessen oder etwas Kultur ist dann der Ausgleich für den harten Tag.
Außerdem sind alle Drei sehr sportlich. Ob Walken, Laufen oder Radfahren – jeder hat da sein Hobby gefunden. Der Kapitän übrigens ein ganz besonderes: Gleitschirmfliegen! Sein Equipment nimmt im Rumpf des Schiffes ganz schön viel Platz in Anspruch. Bis etwa Oktober werden sie noch gemeinsam auf Tour sein. Es geht mainabwärts den Spessart hindurch, an Frankfurt vorbei bis nach Mainz, wo dann Endstation sein wird.