
Sie saß dort, wo sonst Könige oder Präsidenten Platz nehmen. Maruška Hofmann-Šircelj gehörte zu den 29 Bürgern, die Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue in Berlin mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland auszeichnete. Die 71-jährige Kitzingerin erhielt das Bundesverdienstkreuz am Bande für ihren jahrzehntelangen Einsatz in der Flüchtlingshilfe.
Maruška Hofmann-Šircelj: Er hatte keine Berührungsängste, sondern war total menschlich und hilfsbereit. Er hat eine wunderbare Ruhe und Wärme an sich. Beim Fototermin mit Urkunde und Verdienstkreuz hat er ganz unauffällig meine Hand so gehalten, dass nichts runterfallen konnte.
Maruška: Wenn ich das wüsste! Für das Bundesverdienstkreuz wird man vorgeschlagen. Ich habe keine Ahnung, wer mich vorgeschlagen hat. Vielleicht meldet sich ja durch diesen Artikel jemand, das wäre super.
Maruška: Ich habe Post bekommen. Mit dem Bundesadler auf dem Umschlag. Vor circa fünf Wochen.
Maruška: Erst mal hab' ich einfach weitergemacht wie immer. Ich musste es erst setzen lassen, dass ich zum Bundespräsidenten eingeladen bin.
Maruška: Freude muss man teilen – in meinem Fall mit meiner Tochter Sabine und meiner Helfer-Bande. Ohne mein Team wäre ich eine Null, da könnte ich nichts erreichen. Deswegen war auch klar: Ohne die Bande fahre ich nicht nach Berlin!
Maruška: Ja! Ich war die Einzige, die ihre Bande mit angemeldet hat, also meine treuesten Helfer Sina Sadat, Martin Hering und Petra Nellen. Meine Tochter Sabine ist zuhause geblieben, weil jemand auf meine beiden Hunde aufpassen musste.
Petra Nellen: Nach dem Sicherheits-Check ging es in den Festsaal. Der Bundespräsident hat dort eine tolle Rede gehalten.
Martin Hering: Danach wurden die Geehrten nach vorne gerufen. Gauck hat sie vorgestellt.
Petra Nellen: Es waren beeindruckende Leute dabei, die Unglaubliches leisten. Man ist gerührt, wenn man das hört.
Maruška: ...war das unglaublich bewegend!
Petra Nellen: (lacht) In der Tat! Maruška kann nicht gut still stehen. Man musste zehn Fotos machen, damit eins davon scharf wurde. Maruška stach aus der Menge heraus. Sie war die Einzige, die sich sichtbar gefreut hat.
Maruška: Es ist eine wahnsinnige Ehre, gerade für mich, die ich ja keine gebürtige Deutsche bin. Ich werde das nie vergessen.
Maruška: 2001 hab' ich vom damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau die Verdienstmedaille der BRD bekommen. Aber damals hatte ich kein Geld, nach Berlin zu fahren, also hat die Landrätin sie mir stellvertretend verliehen.
Maruška: Ganz einfach: Toleranz – von beiden Seiten. Ich versuche; die Menschen zu respektieren und zu tolerieren – dann müssen sie das bei mir auch. Auch Männer: Ich schreibe ihnen nicht vor, was zu tun ist, sondern lebe es vor, zeige ihnen einen Weg. Gehen müssen sie ihn selbst.
Maruška: Das Wort Integration geht mir auf den Geist! Eins gilt überall auf der Welt: Wie man in den Wald schreit, so hallt es zurück. Wenn ich jemanden zu etwas zwingen will, wird er mich auch zwingen wollen. Das heißt aber nicht, dass ich alles akzeptieren muss, nein, im Gegenteil. Man muss auch Grenzen setzen, freundlich und bestimmt.
Maruška: In der Notunterkunft im Innopark ist einmal ein Muslim angekommen, der offenbar Einfluss hatte, immer waren „Bewunderer“ um ihn herum. Er weigerte sich, mir die Hand zu geben, weil ich eine Frau bin; er wollte sich auch nicht hinten in der Reihe anstellen. Ich habe ihn ignoriert und weiter gearbeitet. Offensichtlich brauchte er Zeit , um zu verstehen. Später kam er und streckte mir die Hand entgegen.
Maruška: Wir hätten es letztes Jahr, als Merkel das gesagt hat, schaffen können. Deutschland hat selbst eine lange Flüchtlingsgeschichte – wenn wir alle uns daran erinnert hätten und jeder sein Scherflein beigetragen hätte, dann hätten die Emotionen nicht ausufern müssen. Mittlerweile ist die Stimmung vielerorts schlecht.
Maruška: Weil viele die Situation verallgemeinern. Natürlich gab es unschöne Szenen, aber: „Die“ Flüchtlinge gibt es nicht. Manche haben schlimmstes Leid erlebt, andere nicht. Viele Deutsche hatten falsche Erwartungen – und umgekehrt genauso. Viele Flüchtlinge denken, dass alle Deutschen BMW fahren und eine tolle Arbeit haben. Dass die Deutschen aber oft auch besser ausgebildet sind und vergleichsweise viel arbeiten, das sehen sie erst vor Ort.
Maruška: Wir müssen unsere Denkweise ändern. Wir reden immer von traumatisierten Flüchtlingen, die keine Perspektive sehen. Jeder, der es nach Deutschland geschafft hat, hat allein dadurch eine Perspektive. Es gibt Berufe, die auch ein schlecht Ausgebildeter erlernen kann. Außerdem gibt es viele Bildungsmöglichkeiten. Wir alle, auch die Flüchtlinge, müssen lernen, erst mal kleinere Brötchen zu backen. Neben Toleranz ist Geduld tatsächlich das Allerwichtigste. Integration dauert länger, als beide Seiten sich das wünschen.
71-jähriges Energiebündel




