Betritt man das Atelier von Fritz Herrmann, sieht man viele Farbtuben, Lappen und Staffeleien mit angefangenen Ölbildern, doch nach Pinseln sucht man vergebens. Der Künstler malt ganz wenig mit Pinseln oder anderen Hilfsmitteln. Er trägt die Farben am liebsten mit den bloßen Fingern auf: Abstrakte Kunst, was auch immer das heißen möge, sagt der Künstler. Dabei fällt auf, wie ausdrucksstark seine Farben sind.
Die Bilder sind wandfüllend. Ein sehr großes Bild in einem leuchtenden Orange durchzogen von schwarzen Linien, fast wie Schnitte, sticht dem Besucher sofort ins Auge. Der 73-Jährige ist künstlerisch sehr aktiv und arbeitet fortlaufend an seiner Zukunftsidee: "Meine Vision ist es, Bilder im gesamten Farbspektrum zu malen."
Professioneller Ehrgeiz
Herrmann malt mit professionellem Ehrgeiz sehr lange an seinen Bildern. Doch dafür braucht er viele Räume: "Am besten für jeden Farbton einen Raum", lautet seine Vorstellung. Im Dettelbacher Kulturzentrum KuK hingen kürzlich orange und rote Bilder von ihm, in seinem Haus, der alten Posthalterei Dettelbachs, hängen blaue, graue und grüne. Wenn Herrmann dabei ist, ein Bild zu malen, herrscht Unordnung. "Da habe ich Chaos, ich male drauf los, fange irgendwie an und schaue dann, wie es weitergeht."
Wer sich in der alten Posthalterei in seinem Ausstellungsraum umschaut, erkennt, dass bei den Bildern oft verschiedene Farbschichten übereinander liegen. Manchmal scheint die untere Farbschicht durch. Seine Bildidee wandelt sich oft; der Maler denkt viel über die Farben nach.
Herrmann sieht sich nicht als Hobbykünstler; er legt einen professionellen Ehrgeiz an den Tag: "Bis mir die Bilder gefallen, dauert es. Da muss alles Hand und Fuß haben. Als Künstler braucht man viel Geduld." Geduld hat er auch von Berufs wegen aufbringen müssen. Er war über 30 Jahre Psychiater in Werneck. Dort arbeitete auch seine Ehefrau, mit der er vier Kinder hat. Die Kunst hat ihn trotzdem sein ganzes Leben lang begleitet, mal mehr, mal weniger.
Immer wieder zur Kunst zurückgekehrt
In der Schule nahm er bei seinem engagierten Kunsterzieher zusätzlich Stunden und vor seinem Medizinstudium studierte er ein Semester an der Kunstakademie in München. Während des Medizinstudiums begann er nebenher zu zeichnen. Und später als Psychiater pausierte er der Kunst zuliebe fünf Jahre in seinem Hauptberuf, bis er wieder an den alten Arbeitsplatz zurückkehrte.
Ein Wendepunkt in Herrmanns Leben war der Kauf der alten Posthalterei 1996. Durch die Renovierung des alten Gebäudes bekam er viel Inspiration für seine Kunst. "Bei aller modernen Kunst habe ich nämlich auch ein Faible für alte Sachen", sagt der Maler. Neben Zeichnungen, Collagen und Ölbildern, die er an verschiedenen Orten Unterfrankens ausstellte, arbeitet er auch mit Gegenständen. Während der Renovierung entstanden viele Plastiken aus alten Gegenständen des Hauses.
Diese Vielfalt an künstlerischen Formaten zeichnet ihn als Künstler aus, der nicht nur malt und zeichnet, sondern auch gießt, mal die Kettensäge ansetzt oder bildhauerisch tätig ist. Herrmann sammelt vieles und verarbeitet das dann weiter zu Kunst. Sein jüngstes Werk steht im Garten. Der Künstler hat eine Güterlore aus dem ehemaligen Steinbruch bei Mainstockheim mit Fundament sowie einer seitlichen Öffnung versehen.
Posthalterei gekauft und renoviert
Seinen künstlerischen Ehrgeiz steckte er genauso in die Renovierung der Posthalterei. "Das Haus war in einem katastrophalen Zustand. Doch ich habe Mut gefasst und Glück gehabt mit guten Architekten und Statikern", erinnert sich Herrmann.
In die Gestaltung brachte er sich ein. Dabei war es ihm wichtig, das Haus mit modernen Elementen anzureichern, ohne den alten Stil zu negieren. Das neue Glastor ist von der Gestaltung an das alte Holztor angelehnt. Auch bei der Renovierung hat er wie in der Kunst alte Gegenstände wiederverwendet und selbst mit angepackt.
"Ich habe ein Händchen für solche Renovierungen. Vorher habe ich in Dettelbach schon ein altes Haus auf Vordermann gebracht." Das letzte Renovierungsjahr war für ihn allerdings die Hölle. Wegen der Fördermittel musste der ältere Teil des Hauses aus dem 16. und 18. Jahrhundert innerhalb von drei Jahren renoviert werden. Ein hoher Zeitdruck.
Außerdem war es mehr Arbeit als gedacht, und dann drohten noch die Holzsäulen des Vorderhauses, in den Boden zu sinken. Herrmanns ganze Freizeit floss in dieses Haus. Viel Arbeit bereitete beispielsweise das Freikratzen der Renaissance-Stuckdecke. Das alleine beschäftigte ihn etwa 400 Stunden. Doch mit Unterstützung der Familie gelang das Projekt – fast auch schon wieder ein Kunstwerk.