
„Das ist einfach schön!“, ist ihr Lieblingssatz, wenn sie einen durch den Laden führt und ihre Arbeit beschreibt. Morgens um vier Uhr anzufangen zu arbeiten – einfach schön. Alle Sorgen und Geschichten der Kunden zu kennen – schön. Und dass ihr Kunden selbst gebastelten Weihnachtsschmuck für die Dekoration über der Wursttheke geschenkt habe, ist besonders schön.
In der 60-Jährigen scheint eine unerschöpfliche Begeisterung für ihre Arbeit in dem kleinen Laden zu stecken. „Wenn ich frühs um vier Uhr anfange und die Kühlungen überprüfe, könnt ich schon singen“, erzählt sie strahlend. Seit 1971 ist die gebürtige Mainstockheimerin in Wiesenbronn und arbeitet in dem Laden, den der Urgroßvater ihres Mannes 1907 gegründet hat. Er hieß tatsächlich Krämer mit Nachnamen – und der Name „Krämerladen“ blieb. 1996 zog der Laden von der einen Straßenseite – wo jetzt die Sparkasse ist – auf die andere in ehemalige Feuerwehrhaus, in größere Räume.
„Man darf das nicht in Stunden umrechnen.“
Edelgard Opfermann Dorfladen-Betreiberin
Edelgard Opfermann macht nie Urlaub und fehlt überhaupt nie am Arbeitsplatz. „Das hat sogar mal ein Kind gesagt: Die Frau Opfermann ist nie krank!“, erzählt sie stolz und zufrieden. Und manchmal sagen Leute zu ihr: „Bleib du nur gesund, wir brauchen dich!“ Sie brauchen sie nicht nur als Verkäuferin, sondern auch als Seelsorgerin, die immer zuhört und über niemanden richtet. „Ich kenne jeden und weiß alles vom ganzen Dorf“, sagt Edelgard Opfermann und fügt hinzu. „Viele wollen einfach nur reden!“ Aber auch wenn sie soviel weiß: Sie erzählt nichts weiter, versprochen. Manchmal allerdings wird ihr ein bisschen zu viel gelästert. Dann versucht sie zu vermitteln – oder schweigt diplomatisch.
Aber nicht nur die Leute brauchen Edelgard Opfermann, sondern auch umgekehrt sie die Leute. Sie genießt den Kontakt zu Menschen und erzählt gern aus ihrem reichen Schatz an Geschichten und Anekdoten. Wie eine Schülergruppe einmal ihren Laden als Schauplatz für einen Film nutzten und mit ihrem Werk einen Preis gewannen. Und wie ihr Kinder eine Urkunde für den besten Krämerladen verabreicht haben.
Solche Erlebnisse sind auch ein Grund, warum sie jeden Tag im Laden steht. Denn reich wird sie damit nicht. „Man darf das nicht in Stunden umrechnen“, schüttelt Edelgard Opfermann den Kopf. Die Leute kaufen heute gezielter ein als früher, hat sie beobachtet. Und gerade die Jüngeren machen ihren Wocheneinkauf nicht im kleinen Krämerladen. Und viele Leute müssen einfach mehr ihr Geld zusammenhalten als früher.
Edelgard Opfermann bietet trotzdem weiterhin alles an: von der „Mäusefallen bis zu den Wengertdrähtli“, wie sie lachend aufzählt. Dazwischen Kartoffeln aus der Region, haltbare Lebensmittel, Back- und Fleischwaren. Sie bedient am Postschalter. Und außerdem bietet sie die beliebte Sockenwolle an und hat extra ein Regal für Deko-Artikel freigemacht.
Vergangenes Jahr ist die Tante Emma aus Wiesenbronn 60 geworden. Im strahlenden Gesicht sieht man ihr das nicht an. Nur ihre kräftigen Hände sehen eben aus wie die Hände einer Frau, die seit vielen Jahren jeden Tag arbeitet. Und jeden Tag von früh morgens bis abends in ihrem Laden arbeiten, das will sie auch weiterhin machen. In Rente zu gehen kommt nicht in Frage. „Ich bleibe hier, solange mir der Herrgott die Kraft dazu gibt.“