
Die meisten Australier legen jedoch deutsche Pünktlichkeit an den Tag. Das Schiff mit dem schönen Namen Amadante hatte gegen halb 8 in Kitzingen festgemacht. Nach dem Frühstück an Bord sind die Besucher von der anderen Seite der Welt nun gestärkt, um Punkt neun Uhr die einstündige Stadtführung samt anschließender Weinprobe in Angriff zu nehmen.
150 Besucher sind es am Dienstagmorgen, die auf einen schönen Vormittag in Kitzingen hoffen. Bis auf ein paar ganz Sportliche, die zu einer Radtour nach Dettelbach aufbrechen, teilen sich die überwiegend älteren Herrschaften am Mainkai in fünf farblich strikt getrennte Gruppen auf. Zur Pünktlichkeit gesellt sich eben gerne auch die Ordnung.
Feuer und Flamme für die Führungen
Die gelbe Führung übernimmt heute Dieter Märkert. Der Mann ist längst Rentner und könnte mit seinen 65 Jahren – was die Zielgruppe anbelangt – selbst irgendwo auf Flüssen umherschippern. Aber als er hörte, dass Kitzingen Anlegestelle für Flussschiffe wird und noch englischsprachige Fremdenführer gesucht werden, war er Feuer und Flamme.
Märkert ist vom ersten Tag an dabei, als vor sieben Wochen das Premiere-Schiff in Kitzingen festmachte. Bis heute, die Amadante ist auf ihrem Weg von Budapest nach Amsterdam mittlerweile Nummer 27, hat er kein Flussschiff verpasst. Und es wartet weitere Stadtführer-Arbeit, bisher ist gerade ein Drittel der angekündigten Schiffe in Kitzingen angekommen. Am Jahresende – die letzten Taue machen am 29. Dezember fest – werden es 90 Schiffe gewesen sein, zu zwei Drittel davon mit erlebnishungrigen Australiern gefüllt.
Gruppe gelb ist abmarschbereit. Ein bisschen Small-Talk, wie es denn so geht und warum in Kitzingen „so much to see“ ist. Allgemeines Richten der Sonnenbrillen, die Fotoapparat im Anschlag – es kann losgehen. Kitzingen in 60 Minuten. Erster Anlaufpunkt: die Synagoge. Die 22 Australier sind gut drauf – und interessiert: Über ihre Kopfhörer lauschen sie, was der Stadtführer zum Wiederaufbau der Synagoge ins Mikro plaudert.
Arbeit der Stadtgärtner einfach "lovely"
An der Polizei vorbei geht es zur Stadtmauer entlang der B 8. Die Arbeit der Stadtgärtner wird mit „lovely“ gewürdigt. Die Digitalkameras saugen die üppigen Beete geradezu auf, begleitet von weiteren Lauten der Verzückung.
Nächster Punkt: Durch die Schreibersgasse geht's schnurstracks auf den Falterturm zu. Märkert weiß, was er seinen Zuhörern schuldig ist. Für die schiefe Turmspitze muss selbstverständlich die Geschichte herhalten, dass beim Bau Wasser mit Wein vertauscht wurde.
Nachdem es gerade schief war, wird's wenige Meter weiter schräg: Der Besuch auf dem Friedhof ist sicher kein allzu häufiger Programmpunkt für Fluss-Touristen. Doch in Kitzingen ist das Pflicht, weil die Geschichte vom angeblichen Dracula-Grab erzählt werden will.
In der Rosengasse erfahren die Australier alles über Kitzingens wilde 60er-Jahre-Kneipen-Zeit, ehe es über das Karneval-Museum langsam zum Rathaus geht, um die Figur des versoffenen Kätherle entsprechend zu würdigen.
Auf dem Marktplatz – der bei Märkert zum „Kitzinger Times Square“ wird und sich ebenfalls über das eine oder andere „lovely“ freuen darf – endet die Führung. Was umgehend zu einem Massen-Huschen aufs Klo im Rathaus-Untergeschoss und danach zum Einkaufsbummel führt. Eine Stunde Gucken-und-Shoppen-Zeit, ehe es vor der weiterfahrt am Mittag auf dem Platz der Partnerstädte mit einem Empfang weitergeht: Hofrat Walter Vierrether, der den Ball der Stadtführer aufnimmt und sich ausdrücklich vom versoffenen Kätherle distanziert, bittet zur Weinprobe in den alten Klosterkeller.
Wie gut das alles ankommt, merkt Märkert oft noch Wochen später, wenn „Danke-Mails aus Australien“ bei ihm eintreffen. Die Begeisterung ist auch heute wieder zu spüren – Kitzingen kommt an. Wohl auch, weil hier alles dicht beieinander und fußläufig zu erreichen ist. Was man ab einem gewissen Alter scheinbar sehr zu schätzen weiß.
Und wer zufrieden ist, zückt auch leichter den Geldbeutel: Modegeschäfte und Gastronomiebetriebe erleben regelmäßig an Schiffstagen ebenso einen Ansturm wie Friseure oder auch Apotheken. „Man merkt richtig, dass die Leute Geld dalassen wollen“, freut sich Walter Vierrether. Und: „Der Stadt bringt das enorm was!“
Enormer Aufwand: 15 neue Stadtführer, Weinproben ohne Ende
Enorm ist allerdings auch der Arbeitsaufwand: 15 neue Stadtführer, Weinproben ohne Ende – und dazu noch Gartenschau. Weshalb der Hofrat inzwischen zwei Stellvertreter hat und trotzdem als Tourismuschef oft genug auf dem Zahnfleisch geht. Zumal es auch einiges nachzubessern gibt: „Wir sind noch in der Lernphase“, betont Vierrether. An der Anlegestelle soll beispielsweise demnächst noch groß „Kitzingen“ prangen. Dazu gesellen sich Infotafeln, die über die Schiffsankünfte informieren.
Und dann laufen gerade auch die Verhandlungen mit den Reedereien fürs kommende Jahr. Wobei sich bereits jetzt andeutet: 2012 werden weit mehr als 90 Schiffe kommen. Während dann auch wieder die Schlafmützen mit einer verspäteten Stadtführung eine Chance haben, zeigt sich Kitzingen beim Flusstourismus weiterhin ganz besonders ausgeschlafen.
(O-ton eines Stadtrates)
Na dann lassen wir doch die anderen Städte die Umsätze machen und schlafen in Volkach weiter!
also scheinbar zieht die gartenschau
doch mal was richtig gemacht
nun hoffe ich nur, dass die gastronomie, die einheimischen und alles drumherum das richtige tun, damit ein kitzingenbesuch keine eintagsfliege bleibt, sondern, dass diese menschen gerne wieder kommen oder "uns" einfach empfehlen.....
Anlegestelle zu verdanken UND dem Engagement 'Eurer' Tourismus-Experten.
Wer das Bild der Anlegestelle WÜ / Löwenbrücke vor wenigen Tagen in der 'M-P'
gesehen hat, wundert sich nicht. Baustelle.....