Der Autofahrer lässt die Seitenscheibe herunter. "Cool sieht das aus!", ruft er aus seinem Wagen heraus, winkt und biegt dann von der Äußeren Sulzfelder Straße auf die Südtangente ab. Jotty winkt mit dem Pinsel in der Hand zurück, grinst und wendet sich wieder ihrem Werk zu. Aus Grau  mach'  Bunt – das ist ihre Passion und zugleich der Auftrag, den sie von den Kitzinger Licht-, Kraft- und Wasserwerken (LKW) erhalten hat. 

Hinter Künstlerin Jotty steckt die 39-jährige Kitzingerin Judith Rasp, ihres Zeichens "Murel Artist", Wandmalerin. Sie hockt vor einem Stromverteiler-Kasten neben der Kreuzung beim städtischen Bauhof. Auf der Farbpalette in ihrer linken Hand leuchten blaue, violette und türkisgrüne Kleckse. Mit dem Pinsel in ihrer rechten Hand verrührt sie die Farben und trägt ihre Mischungen auf die Türen des Panzerschranks auf. Immer wieder schwingt sie den Pinsel. Am Ende wachsen auf dem orangerot grundierten Stromhäuschen zwei Riesenblumen, deren Blütenblätter rund um einen sonnengelben Kern so brillant glänzen wie Schmetterlingsflügel. 

Eine Liebe im doppelten Sinn: Künstlerin landet in Kitzingen

"Ich möchte die Menschen durch meine Kunst wieder mehr mit der Natur verbinden", sagt Jotty, während sie voller Hingabe malt. Die gebürtige Nordrhein-Westfälin hatte in Holland Textilmanagement studiert, Fachrichtung Objekteinrichtung. Danach lebte sie ihr Interesse für Raumausstattung und Innenarchitektur bei einem großen Möbelhaus in Würzburg aus, ehe sie sich als Illustratorin selbstständig machte. Nach Kitzingen kam sie durch ihren Mann Kai Rasp, der hier aufgewachsen ist. "2019 habe ich die Liebe zur Wandmalerei entdeckt, als ich mit rundem Babybauch das Zimmer für unseren heute vierjährigen Sohn gestaltet habe", erzählt Jotty.

Auf das Kinderzimmer folgten Privatwohnungen sowie Firmengebäude und schließlich zauberte die Künstlerin Dschungelmotive an die Wand des Ruheraums im Kitzinger Schwimmbad Aqua-Sole. Schließlich fielen ihr die "langweiligen grauen Kästen" im Stadtgebiet ins Auge.  

Kurzerhand schrieb Jotty eine Mail an den lokalen Energieversorger, die Licht-, Kraft- und Wasserwerke Kitzingen (LKW), und fragte, ob sie die Kästen nicht verschönern könne. Mit dieser Frage rannte sie bei Silke Burkard und ihrem Team offene Türen ein. "Wir hatten das schon Jahre zuvor überlegt", berichtet Silke Burkard, Leiterin der Abteilung Vertrieb und Marketing. Letztendlich war die Idee an der offiziellen Genehmigung gescheitert.  Unter Oberbürgermeister Stefan Günter ist das Ganze nun kein Problem:  "Das ist kein Thema für den Stadtrat." Letztendlich entscheide die städtische Tochter LKW selbst, was mit ihren Stromkästen passiert, lässt der OB über seinen Pressesprecher klarstellen. 

"Unser Ziel ist es, positive Energie in die Stadt zu bringen"

Das bedeutet: Nach den drei Stromkästen in der Inneren und der Äußeren Sulzfelder Straße sowie der Wörthstraße, die Jotty heuer bereits bemalt hat, werden 2025 und 2026 zahlreiche weitere folgen, blickt Silke Burkard voraus. Neben Verteilstationen anderer Unternehmen wie der Telekom gibt es allein in der Kitzinger Altstadt über 100 graue Gehäuse der LKW, von denen aus der Strom in die umliegenden Häuser verteilt wird.  "Unser Ziel ist es, positive Energie in die Stadt zu bringen", sagt Silke Burkard, "im doppelten Sinn".

Deshalb haben Burkard, ihr Team und Jotty überlegt, was neben Jottys floralem Design auf den Stromkästen zu sehen sein soll.  Schnell war man sich einig: Es sollen kleine Liebesbotschaften an Kitzingen sein. "Es gibt so viel Schönes hier in der Stadt", findet Jotty und Silke Burkard ergänzt: "Die Auswärtigen sehen das leichter. Aber auch wir Einheimischen entdecken ganz viel, wenn wir uns mal richtig umschauen." Auf den drei bereits bemalten Stromkästen heißt es zum Beispiel, Kitzingen sei wunderbar und die Alte Mainbrücke ein Ort zum Lieben.  

Wer seinen Lieblingsplatz oder Lieblingssatz in und über Kitzingen ebenfalls künstlerisch verewigt haben möchte, der kann sich einfach bei den LKW melden: per Brief oder Mail an marketing@lkw-kitzingen.de. "Wir freuen uns auf schöne, motivierende, positive Botschaften", sagt Silke Burkard. Und Jotty schwingt in Gedanken schon den Pinsel und sieht sich neue, fantasievolle Blumen und fantastische Botschaften schreiben.