Ärgerlich ist es immer. Aber eben auch notwendig. Und außerdem bald digital: das Knöllchen an der Windschutzscheibe. Seine Zeiten als wehendes und klebendes Papierfähnchen gehören der Vergangenheit an. Wer falsch parkt, kann sich in Zukunft online informieren, was er wo zu bezahlen hat und bis wann. Dabei stellt nicht nur die Polizei um – auch die Verkehrsüberwachung der Kommunen wird papierfrei.
Für Peter Krauß war die Digitalisierung bisher noch kein großes Thema – die Verkehrsüberwachung an sich hingegen schon. Als eine der Vorreiterinnen im Landkreis Kitzingen kontrolliert die Stadt Mainbernheim schon seit Jahrzehnten sowohl den fließenden als auch den ruhenden Verkehr. „In der Altstadt herrscht eine prekäre Parksituation“, sagt der der Bürgermeister und sieht die Notwendigkeit, Falschparker auf ihr Fehlverhalten hinzuweisen. „Bei den Einheimischen ist die Sensibilität zwar da, viele Auswärtige nehmen es aber oft gar nicht wahr, dass sie an manchen Stellen nicht parken dürfen.“ Auf die Überwachung des ruhenden Verkehrs könne man darum nicht verzichten, sagt Peter Krauß – auch wenn sie eigentlich immer ein Defizit in der Stadtkasse bedeutet.
In der Übergangsphase
Das wird sich auch nicht ändern, wenn die Knöllchen in digitaler Form ausgestellt werden. Im Moment verwendet die Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft (NWS), die im Landkreis Kitzingen fast ausnahmslos für die kommunale Verkehrsüberwachung verantwortlich zeichnet, auch in Mainbernheim noch die „Verwarnvordrucke“. Raimund Steckermeier, Leiter der Verkehrsüberwachung bei der NWS Sicherheitssservice GmbH, sieht die Digitalisierung allerdings als „wichtigen Baustein“. „Wir haben schon 2017 damit begonnen, unsere Parkraumüberwacher sukzessive mit outdoor-geeigneten Smartphones, entsprechender App und mobilen Druckern auszustatten“, erklärt der Prokurist. Damit war die NWS als privater Anbieter von Verkehrssicherheitstechnik der Polizei ein Stück voraus. Innenminister Herrmann stellte erst vor einigen Wochen das digitale Knöllchen vor, das seit Mitte Dezember flächendeckend zum Einsatz kommen soll. Laut Andy Laacke von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Unterfranken stellt das neue System sowohl für die Beamten als auch für die Bevölkerung eine deutliche Erleichterung sowie eine große Zeitersparnis dar und sei umweltfreundlich – zumal die noch vorhandenen Zettelblöcke nicht einfach weggeschmissen, sondern zunächst aufgebraucht werden.
Auch die NWS steckt in der Übergangsphase. Zwar sind die Mitarbeiter mit Hard- und Software ausgestattet und die Schnittstellen zwischen den Anbietern von digitalen Parkscheinen und den Bußgeldstellen der Städte und Gemeinden funktionieren – in Mainbernheim gibt es aber derzeit noch Papier-Knöllchen. Raimund Steckermeier weist außerdem darauf hin, dass die Parkraumüberwacher es bei Verstößen in den Kommunen schwerpunktmäßig mit gerade einmal 30 Tatbeständen zu tun haben und demnach, außer in den großen Städten, auch meist nur ein bis drei Mitarbeiter tätig seien. „Diese mit Technik und einer maßgeschneiderten App für den eingeschränkten Bereich zu versorgen ist für unser Unternehmen unvergleichbar einfacher und günstiger zu realisieren als für alle Polizeibeamten“, sagt der Sicherheitsexperte. „Jeder, der einmal für die Einführung eines neuen Systems verantwortlich war, kann sich vorstellen was es bedeutet, zigtausend Anwender mit Technik auszustatten, zu schulen und die Systeme zu warten, ganz abgesehen von den Hürden des Datenschutzes“, gibt Steckermeier zu bedenken. Mit der Einführung des überregionalen Bürgerportals habe die Polizei mit Weitblick eine Möglichkeit geschaffen, Ressourcen zu sparen, Abläufe zu erleichtern und letztendlich die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.
Überwachung im Verbund
Das sei schließlich das erste Ziel, findet auch Christian Sturm. Als Geschäftsleiter der Verwaltungsgemeinschaft (VGem) Wiesentheid hat er die Verkehrsüberwachung nicht nur für die Mitgliedsgemeinden Abtswind, Castell, Rüdenhausen und Wiesentheid mit den jeweiligen Ortsteilen hoheitlich in der Hand, sondern auch für die VGem Dettelbach, Geiselwind, Großlangheim und Marktbreit. Der Zusammenschluss bedeutet für die einzelnen VGem nicht nur die Ersparnis eines erheblichen organisatorischen Aufwands, sondern spart auch Geld und deckt in diesem Fall vor allem den fließenden Verkehr ab – womit das Thema des digitalen Knöllchens für Christian Sturm bislang noch nicht aufgetaucht sei. Einzig Abtswind habe mit Beschluss im Gemeinderat auch die Überwachung des ruhenden Verkehrs angefordert. „Um die Umsetzung kümmert sich die Verwaltungsgemeinschaft.“
Grundsätzlich arbeiten Kommunen, Polizei und die NWS Hand in Hand. Im Vorfeld werden Gefahren- und Unfallschwerpunkte gesichtet, anhand derer ein Kriterienkatalog erstellt wird, der individuell für Verkehrssicherheit sorgen soll. „Wir sehen uns als Dienstleister für die Bürger“, erklärt der Geschäftsleiter – appelliert aber wie Mainbernheims Bürgermeister Peter Krauß, Sicherheitsexperte Reimund Steckermeier und die unterfränkische Polizei an die Verkehrsteilnehmer. „Der Einsatz von digitalen Erfassungsgeräten wirkt sich dahingehend auf die Sicherheit aus, dass im gleichen Zeitfenster eine größere Verkehrsfläche überwacht werden kann“, sagt zum Beispiel Steckermeier. „Ein Smartphone mit App alleine ändert aber noch nichts an der Verkehrssicherheit.“
Das weiß auch Andy Laacke. Der Polizeioberkommissar erinnert an den überarbeiteten Bußgeldkatalog und damit die Erhöhung zahlreicher Verwarnungs- und Bußgelder. „Auch die Unterfränkische Polizei wird mit intensiven Kontrollen und spürbaren Sanktionen für die Einhaltung der Vorschriften eintreten“, warnt er die Bevölkerung schon einmal vor. Und so werden die Knöllchen, egal in welcher Form, auch weiterhin ärgerlich sein. Aber – im Zeichen der Verkehrssicherheit für alle – eben auch notwendig.
Für die Sicherheit
Überwachung Die Verkehrsüberwachung ist, zusätzlich zur staatlichen Überwachung durch die Polizei, Hoheitsrecht der Kommunen, bzw. der Verwaltungsgemeinschaften, denen sie angehören. Der Stadt- oder Gemeinderat kann die Überwachung beschließen und private Anbieter beauftragen, diese zu übernehmen.
NWS Seit 18 Jahren zeichnet die Sicherheitsservice GmbH in der Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft für die Verkehrssicherheit in den Kommunen des Landkreises Kitzingen verantwortlich. Diese mieten Personen und Technik für einen bestimmten Zeitraum an, die NWS übernimmt die Abwicklung mit den Verkehrsteilnehmern – und verteilt auch bald flächenübergreifen Knöllchen in digitaler Form.
Digitales Knöllchen Polizeibeamten können mit der von der Polizei entwickelten „mOWi-App“ auf ihrem dienstlichen Smartphone seit Mitte Dezember digitale Strafzettel verteilen. Der Verstoß wird ins Handy eingegeben, wenn erforderlich ein Foto dazu gestellt und dann ins Bürger-Infoportal weitergeleitet, wo der ermahnte Verkehrsteilnehmer das Knöllchen dann einsehen und bezahlen kann. Über einen QR-Code, der an den Scheibenwischer geheftet wird, gelangt er auf die entsprechende Homepage, die nach höchsten Datenschutz-Richtlinien gesichert ist. Wer diese Möglichkeit nicht hat, bekommt den Strafzettel aber auch noch einmal per Post.