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Ebrach
Kunstwerke aus dem Gefängnis: Die etwas andere Aufarbeitung
Häftlingen der Justizvollzugsanstalt Ebrach entdecken die Künstler in sich.  Projekt fördert bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche unter Anleitung von Profis.
Beim Kunstprojekt entstanden auch Collagen.
Foto: Jul Zureck | Beim Kunstprojekt entstanden auch Collagen.
Jul Zureck
 |  aktualisiert: 01.11.2020 02:14 Uhr

Abwechslung im Gefängnis-Alltag: Roger Bischof und Jul Zureck haben mit ihrem Kunstprojekt "From Inside! – Kunst im Knast" einer Gruppe von Häftlingen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Ebrach ermöglicht, ihr Inneres mittels Kunst auszudrücken. Während die Werke derzeit noch drinnen ausgestellt sind, ist später geplant, sie auch in Dettelbach und Leipzig zu zeigen.

Der Bildende Kunstler Roger Bischoff (73) aus Dettelbach und Jul Zureck (31) aus Leipzig starteten zusammen mit dem Gefängnis-Seelsorger Hans Lyer Anfang Oktober ein Kunstprojekt in der JVA Ebrach. Jul Zureck ist oft in Dettelbach, kennt Roger Bischof schon länger und fährt am Gebäude der JVA oft dabei.

Dann stieß Jul Zureck auf die Ausschreibung des Bundesverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler als Programmpartner des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Unter dem Titel "Wir können Kunst. Kultur macht stark" sollten Kunstprojekte lokaler Bündnisse für Bildung für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche gefördert werden, die von professionellen Bildenden Künstler und Künstlerinnen geleitet werden.

"Wertvolle Tage"

Das Projekt von Bischof und Zureck mit jugendlichen Inhaftierten der JVA kam in den Genuss der Förderung. Das Thema des Projekts "From Inside!" gab den jugendlichen Inhaftierten die Möglichkeit, sich mit ihrer Lebensrealität "drinnen" im Knast, und ihrem eigenen inneren Erleben kreativ und experimentell auseinanderzusetzen.

Zwei Wochenenden lang jeweils Freitag bis Sonntag beschäftigten sich Bischof und Zureck an den Kurstagen sechs Stunden lang mit der Kunst im Knast. "Das waren sehr volle Tage", sagte Roger Bischof im Gespräch mit dieser Zeitung. Zumal unter Corona-Bedingungen gearbeitet werden musste. "Es war interessant, wie sich die Gruppe zusammengefunden hat." Bischof war auch überrascht, dass sie so schnell alle mitgemacht haben. "Die gingen zügig an ihre Arbeit," freut er sich.

"Eine Materialschlacht!"

Mit einer Collage begann laut Jul Zureck die Arbeit. "Ich war baff, wie gut die gestaltet wurden", ist Bischof voll des Lobes. Porträts und Selbstporträts folgten. Gearbeitet wurde auch mit Zeichnung, Text und Druckgraphik. Sechs Tage lang erforschten die Teilnehmer gemeinsam die verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten dieser Medien. Dann wurden Werke für die Ausstellung und ein Heft gesucht. "Das war eine Materialschlacht", erzählt Jul Zureck.

Das Heft, oder "Zine" wie es genannt wird, ist laut Zureck ein selbstangefertigtes und per Kopierer vervielfältigtes Heft, in dem Themen aus einer persönlichen, politischen und/oder künstlerischen Perspektive behandelt werden. Damit werde ein Zugang zum eigenen Erleben ermöglicht, für den es im sonstigen Gefängnis-Alltag wenig Raum gibt.  

Das Heft begleitet die Jugendlichen weiter, wird aber auch nach "draußen" weitergegeben. Für Jul Zureck ist das ein wichtiger Bestandteil des Projekts. Die Werke würden von anderen gesehen und bekämen Anerkennung. Und schließlich gehe es auch darum, Klischees zu brechen, die man von Gefangenen im Kopf habe.

Mit Kunst ausdrücken

Auch für Gefängnis-Seelsorger Hans Lyer war das Projekt etwas ganz Besonderes. Es gehe nicht so sehr darum, "den Jungs Techniken beizubringen", sondern dass sie sich selbst mit ihrer Biographie, ihren Befindlichkeiten beschäftigen. "Es sind zum Teil schwierige Dinge, die sie bewegen", erzählt Lyer. Diese hätten sie in der Gruppe eingebracht und dann mit der Kunst ausgedrückt. Es sei darum gegangen, wie es mir denn eigentlich wirklich gehe. Nicht über die Jugendlichen sprechen, sondern sie sich zeigen lassen, wie sie sind, ergänzt

Zum Abschluss wurde zusammen eine Ausstellung mit den Originalen in der Anstalts-Kapelle gestaltet. Diese ist für Insassen und Beamten geöffnet. Später sollen die Arbeiten in Kunsträumen in Dettelbach und Leipzig gezeigt werden. Hier wird Kunst zu einem Sprachrohr, mit dem die Gefangenen ihr Erleben über die Gefängnismauern hinweg thematisieren. Die Isolation der Haft wird nach der Überzeugung von Jul Zureck und Roger Bischof ein Stück weit aufgebrochen. "Kunst macht frei", wie ein Teilnehmer sagte.

Beim Kunstprojekt entstanden auch Collagen.
Foto: Jul Zureck | Beim Kunstprojekt entstanden auch Collagen.
Noch sind die Werke der Jugendlichen nur in der Anstalts-Kapelle in der JVA Ebrach zu sehen, sie sollen aber auch in Dettelbach und Leipzig ausgestellt werden.
Foto: Jul Zureck
Gefängnis-Seelsorger Hans Lyer, Jul Zureck und Roger Bischof (von links) halten das Heft in Händen, das Werke der Jugendlichen aus der JVA Ebrach nach Außen bringt.
Foto: Gerhard Krämer | Gefängnis-Seelsorger Hans Lyer, Jul Zureck und Roger Bischof (von links) halten das Heft in Händen, das Werke der Jugendlichen aus der JVA Ebrach nach Außen bringt.
 
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