Sie kommen in zwei großen Weidekörben und sind bestens eingebettet. Vorsichtig schält Dr. Claudia Lichte jede einzelne Figur aus der luftdichten Verpackung. Dr. Katrin Hesse nimmt sie freudig entgegen. Ein würdevoller Platz ist schon gefunden. Im Erdgeschoss des Fastnachtmuseums, gleich im Eingangsbereich. Wer das Museum besucht, kommt an den sieben Steingutfiguren nicht vorbei.
Das Gemeinschaftsprojekt „Kunst geht fremd“ gibt es seit zehn Jahren, 16 unterfränkische Museen beteiligen sich daran. Das Kitzinger Fastnachtmuseum ist traditionell mit dabei, auch unter der neuen Leiterin Dr. Katrin Hesse. „Unsere Besucher bekommen einen Eindruck davon, was es in anderen Museen der Region so alles gibt“, erklärt sie. Die Idee und Hoffnung: Besucher des einen Museums werden auf die Exponate eines anderes Museums aufmerksam und planen auch dort einen Besuch ein.
Claudia Lichte ist die Direktorin des Würzburger Museums für Franken. Dort hat sie eine riesige Auswahl an Exponaten, die sie für das Projekt „Kunst geht fremd“ zur Verfügung stellen kann. Sie wählte sieben Steingutfiguren aus dem 19. Jahrhundert, die als „Türkenkapelle“ bekannt sind. Die Figuren zeigen musizierende Knaben, die sich mit Pluderhosen, Bauchbinden und Turbanen als Türken verkleidet haben.
Die Formen für die Figuren wurden in den 1770er Jahren von Johann Peter Melchior für die Porzellanmanufaktur Höchst geschaffen und 1840 von der Steingutfabrik Damm bei Aschaffenburg übernommen. Die Ausformungen wurden dem Zeitgeschmack entsprechend angepasst. „Seit dem 18. Jahrhundert übte alles Fremdländische und insbesondere die orientalische Farbenpracht einen besonderen Reiz aus“, erklärt Dr. Lichte. Die Steingutfiguren, ursprünglich in Porzellan für die herrschaftliche Tafel gedacht, erfreuten sich daher auch bei bürgerlichen Sammlern großer Beliebtheit. Die Formen selbst sind seit 1960 verschollen.
Die Figurengruppe hat in Kitzingen einen würdigen Platz gefunden. Sie findet sich im Fastnachtmuseum mit Illustrationen und Buchausgaben zu Nasreddin Hoca zusammen. „Einer Art türkischem Till Eulenspiegel, der um 1200 in Anatolien geboren wurde“, erklärt Dr. Hesse. Zudem spiegele sich in der Villinger Maskentradition des Barock und Rokoko die Orientbegeisterung: Ab 1700 versehen die Fassmaler ihr Zeichen an den Schläfen der Masken mit einem Halbmond. „Damit fügen sich die Gäste aus Würzburg perfekt in die Präsentation des Fastnachtmuseums ein“, freut sich dessen Leiterin. Das Fastnachtmuseum hat mit dem „Freiburger Fasnetsrufer“ ebenfalls ein Exponat nach Würzburg geschickt – allerdings in den Kulturspeicher.
Nach den Schließungen während der Hochphase der Corona-Zeit ist das Fastnachtmuseum mittlerweile wieder seit ein paar Wochen geöffnet. Führungen im Erdgeschoss werden wieder angeboten, allerdings nur für maximal zehn Personen. „Die anderen Räume können per Audioguide besichtigt werden“, erklärt Hesse, die sich zur „Wiederbelebung“ des Museums ein Sommerprogramm ausgedacht hat.
Seit Anfang Juli finden im Fastnachtmuseum wieder jeden Sonntag um 15 Uhr offene Besucherführungen für bis zu zehn Personen statt. Ab Ende Juli bis Anfang September findet ein Kinderprogramm statt. Dabei können die Kinder beispielsweise bei einem „Chaosspiel“ das Museum erkunden, einen eigenen Film drehen oder Sommerdrinks aus selbst gestalteten Gläsern schlürfen. Außerdem gibt es am 29. August einen Trickfilmworkshop, bei dem die Kinder und Jugendlichen ihre eigene Version von Till Eulenspiegel drehen können, einen Bastelworkshop am 13. August, bei dem eigene Mosaiken aus Konfetti entstehen, und einen Termin für das Basteln von Gipsmasken. Natürlich kann in dieser Zeit auch die „Türkenkapelle“ betrachtet werden. Die Rückgabe der Exponate ist im November geplant.
Die Teilnahme am Sommerprogramm ist mit Anmeldung bis eine Woche vor Termin beim Fastnachtmuseum möglich, entweder persönlich, per E-Mail an info@deutsches-fastnachtmuseum.de oder telefonisch unter 09321 - 2 33 55.