Wo er ist, sind die interessanten Motive. Wenn man in Sichtweite der berühmten Hill-Billy-Bar aufgewachsen ist, zwölf Jahre bei der Luftwaffe war, danach bei der Mordkommission und beim hessischen Landeskriminalamt – dann kann man wohl auch im Ruhestand nicht ohne „Action“ leben. Helmut Beer hat die Mord-Ermittlungen zwar gegen Main-Idylle getauscht. Aber noch immer hält er „große Fische“ fest – auf den Speichern von Kamera und Rechner.
Helmut Beers Blick ist durchdringend – trotz Sonnenbrille. Man kann sich gut vorstellen, wie ungemütlich er werden konnte, wenn er illegalen Waffenhandel, Falschgeld und Sprengstoff witterte. „Fast 30 Jahre bei der Polizei – das war schon interessant“, sagt Beer und grinst, wenn er an seine spektakulärsten Fälle denkt. Da ging es zum Beispiel um eine sechsstellige Anzahl Kalaschnikows und zwei MIG-Kampfflugzeuge; auch aufgrund von Beers Aussage konnten die illegalen Händler in New York verurteilt werden.
Spitzbübisch freut sich der Kriminalhauptkommissar a.D. noch immer darüber, wie es ein anderes Mal gelang, einen Waffenverkäufer zu überführen. Eine hübsche Kollegin sowie eine ebenfalls ansehnliche Staatsanwältin mimten Kundinnen, die sich zum Selbstschutz bewaffnen wollten. „Der Typ war ganz eifrig, dem is' der Geifer schon aus dem Mund gelaufen.“ An den Blick des Mannes, als er die wahre Identität der „Käuferinnen“ erfuhr, erinnert sich Beer besonders gern.
Dabei sah sein Lebenslauf zunächst gar nicht nach Kriminalkarriere aus. Als junger Mann machte der Kitzinger zunächst eine Lehre als Maschinenschlosser, die er mit der Facharbeiterprüfung beendete; danach kam er als Mitglied der Luftwaffe zwölf Jahre lang in der ganzen Welt herum. „Diese Erfahrungen und vor allem die Maschinenschlosser-Lehre haben mir im Polizeidienst sehr geholfen“, stellt er fest.
Warum? Beer berichtet von einem jungen Mann, der eine Flinte besaß, die nur für Salut-Schüsse gedacht war; dieses Modell allerdings schoss wieder scharf. Ein Waffenhändler hatte es umgebaut. Der junge Mann wollte den Händler schützen und gab vor, er habe selbst Hand angelegt. „Aufgrund meiner Ausbildung wusste ich, dass das, was er da erzählte, technisch unmöglich funktioniert hätte. So konnten wir ihn überführen. Und den Händler kriegten wir auch.“
„Kitzi ist besser
als sein Ruf.“
Nach einem so aufregenden Berufsleben – ist es da nicht manchmal langweilig im beschaulichen Kitzingen? Helmut Beer schüttelt entschieden den Kopf. „Nee, hier tut sich genug!“ In der Marktstraße – gegenüber vom Geschäftshaus „Pelz plus Design“, das seine Frau und sein Sohn führen – hat er vor nicht allzu langer Zeit eine Ladendiebin gestellt. „Im einstigen Kupsch-Markt hab' ich mal einen Ladendieb kassiert. Der hatte eine richtige Gaunerweste unter der Jacke, um das geklaute Zeug reinzustecken.“
Lob für Tatort-Fotos
Doch lieber, als Gauner jagen, widmet sich der 67-Jährige der Fotografie. Zu diesem Hobby kam er freilich auch durch seinen Beruf. „Bei komplizierten Delikten habe ich damals die Tatort-Fotos gemacht. Da habe ich viel Lob bekommen – und immer die modernste Kamera!“ Irgendwann wollte er auch mal etwas Schönes verewigen. Lachend bemerkt Beer: „Je mehr ich im Dienst fotografiert habe, desto besser sind dann auch meine Urlaubsfotos geworden.“
Heute hat er – statt Handschellen – immer eine seiner Kameras in Reichweite. „Die kleine Ixus trage ich immer am Gürtel. Und wenn sich's lohnt, hole ich die große Canon.“
Sehr gern ist Helmut Beer auf dem Gartenschau-Gelände unterwegs. „Das ist einer meiner Lieblingsorte, weil hier deutlich wird, wie grün unsere Stadt ist.“ Vieles sehe man, durch die Linse betrachtet, plötzlich in neuem Licht. „Ich habe mal ein Fotobuch von Kitzingen gemacht. Viele Leute haben mir nach dem Durchblättern gesagt, sie hätten gar nicht gewusst, wie schön die Stadt ist.“
Beer bezeichnet dieses Phänomen auch als „Aborigines-Effekt“, dem er mit der Kamera entgegenwirke: „Die Touristen zum Beispiel gehen mit offenen Augen durch die Stadt. Wir hetzen oft nur vorbei.“ Betriebsblind, quasi.
Allerdings gibt es auch so einiges, was Beer gar nicht gefällt. „Die ganzen Leerstände zum Beispiel.“ Dafür verantwortlich macht er „zum Teil horrende Preise der Immobilien-Besitzer“. Ein zentrumsnahes Hotel fehle aus diesem Grund ebenso.
Nicht angenehm findet er auch, „dass viele, vor allem junge Leute ihren Müll oft auf dem Stadtbalkon liegen lassen“. Da werde abends zum Beispiel ganz romantisch Pizza gegessen – und die Schachtel danach achtlos liegen gelassen. „Manche fahren sogar mit ihren Autos direkt bis an den Picknickplatz“, kritisiert Beer egoistisches Verhalten Einzelner.
Zahlungskräftige Kreuzfahrer
Generell ist er jedoch sicher: „Kitzi ist besser als sein Ruf.“ Radtouristen und Kurzurlauben brächten neues Leben in die Stadt – ebenso wie die Hotelschiffe. Die zahlungskräftigen Kreuzfahrer seien für viele Geschäftsleute ein Segen. „Meine Frau und mein Sohn haben gute Erfahrungen mit den 'Boat-People' gemacht“, erzählt der 67-Jährige. „Eine Australierin zum Beispiel hat hier eine Lederjacke anprobiert. Die Ärmel passten aber nicht perfekt. So sei das immer, hat sie geklagt. Da mein Sohn Kürschnermeister ist, konnte sie die Jacke mit exakt passenden Ärmeln noch am selben Tag mitnehmen.“
Dass Kitzingen für die Gäste überhaupt attraktiv ist, das liege vor allem auch an der aktiven Stadtgärtnerei um Johannes Lindner und dem Stadtmarketing-Verein (STMV). Beides sind laut Beer Super-Teams, die viel fürs Kitzinger Image tun. „Was Claudia Biebl in die Hand nimmt, ist einfach gut“, lobt er die STMV-Vorsitzende. „Dafür kriegt sie jede fotografische Unterstützung von mir.“