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Kitzingen
Krankenpflegerin erhielt Kündigung wegen kritischer Internet-Kommentare über ihren Arbeitgeber
Eine Angestellte der Klinik Kitzinger Land hatte Berichte dieser Zeitung über ihren Arbeitgeber in der Online-Ausgabe kritisch kommentiert und erhielt eine fristlose Kündigung. Jetzt ging es vor Gericht.
Das Kreiskrankenhaus Klinik Kitzinger Land in Kitzingen.
Foto: Silvia Gralla | Das Kreiskrankenhaus Klinik Kitzinger Land in Kitzingen.
Christian Ammon
 |  aktualisiert: 08.02.2024 16:37 Uhr

Kritische Kommentare über ihren Arbeitgeber in der Online-Ausgabe dieser Zeitung hatten für eine Krankenpflegerin Konsequenzen: Die Klinik Kitzinger Land hat sie zum 16. August fristlos entlassen. Gegen diese außerordentliche Kündigung hat sie sich nun vor dem Würzburger Arbeitsgericht zur Wehr gesetzt. Die Güteverhandlung endete mit einem Teilerfolg; die fristlose Kündigung ist vom Tisch. Auch ist ihr gelungen, eine Gehaltsfortzahlung zu erstreiten.

Die Frage, ob der Kündigungsgrund trägt oder ob die kritischen Kommentare noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind, blieb dagegen ungeklärt. Damit hätte sich das Gericht erst nach einem Scheitern des Einigungsversuchs befassen müssen. Beide Parteien haben noch die Möglichkeit, den geschlossenen Vergleich binnen zweier Wochen zu widerrufen.

Die Frau, die derzeit von ihrem Ersparten lebt, erhält ihr Gehalt samt Nachtzuschlägen noch bis zum Jahresende fortgezahlt und zudem eine in ähnlichen Fällen übliche Abfindung. Auch hat sich der Arbeitgeber dazu verpflichtet, ein allein auf die vorherige Arbeitsleistung bezogenes Arbeitszeugnis anzufertigen. Die Klinik muss sie wohl dennoch verlassen.

Anwälte handeln einen Kompromiss aus

Ihr Anwalt Matthias Degelmann geht zwar davon aus, dass die Kommentare für die seit 2019 beschäftigte Krankenpflegerin keinen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen und größtenteils als private Einschätzung auch von der Meinungsfreiheit gedeckt sind. Eine ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Fristen hält er dagegen für "denkbar" und räumt ein: "Man kann schon rausfliegen wegen so etwas, aber nicht fristlos."

Warum der Arbeitgeber dennoch auf das Mittel der außerordentlichen Kündigung setzte, erklärt er damit, dass dieser wohl keine andere Wahl hatte, die unerwünschte Mitarbeiterin loszuwerden. Sie hatte sich zur Betriebsratswahl im April als Kandidatin aufstellen lassen und genoss damit noch bis Anfang November Kündigungsschutz. Seine Mandantin sei "halbwegs gut rausgekommen" und habe nun die Chance, etwas Neues zu beginnen, so das Fazit ihres Anwalts. In derartigen Situationen sei ein Kompromiss das Beste. Komme es zu einer weiteren Prozessrunde, gerieten die Kläger oftmals in eine emotional sehr schwierige Lage. Er habe daher auch Verständnis dafür, dass seine Mandantin der Verhandlung fern geblieben war.

Der Rechtsanwalt des Kitzinger Kreiskrankenhauses, Marc Doßler, bestätigt im Wesentlichen die Einschätzung des Kollegen. Vieles sei zwar durch die Meinungsfreiheit gedeckt, allerdings sei die Pflegerin vor allem mit ihrer Behauptung, dass die einzelnen Abteilungen gegeneinander aufgehetzt würden, zu weit gegangen. Dies ließe sich objektiv betrachtet nicht belegen. Schwierig sei zudem die große Reichweite, die die Kommentare über die Online-Ausgabe der Zeitung erreichten. "Was im Kumpelkreis geht, ist bei einer Zeitung was anderes", relativiert Doßler die Wirkung. In Detailfragen, etwa bei den Zuschlägen, zeigte er sich entgegenkommend und kompromissbereit.

Zeitungsberichte online mit kaum verschlüsseltem Namen kommentiert

Den Anlass für die Kündigung boten zwei Online-Kommentare. Zum Verhängnis wurde der Pflegerin offensichtlich, dass sie diese unter ihrem kaum verschlüsselten Klarnamen abgegeben hatte. Diese Redaktion hatte im Juni und Juli in zwei Artikeln über Personalengpässe in der Klinik Kitzinger Land berichtet. In einem Fall ging es um die Notaufnahme, die wegen Personalmangels eine Nacht lang geschlossen geblieben war.

Hierzu gab die Angestellte ihre persönliche und kritische Beobachtung wieder. Mit Blick auf das Verhältnis von Klinikleitung und Belegschaft vertrat sie zudem die Meinung: Insgesamt herrsche ein "unprofessioneller und oftmals herabwürdigender Umgang" mit dem Pflegepersonal.

In einem weiteren Fall hatte sie einen Zeitungsbericht über die Erweiterung der Gynäkologie und Geburtshilfe um ein Brustkrebszentrum kommentiert und "verantwortungsvollen Schwangeren" empfohlen, in Perinatalzentren in Würzburg oder Schweinfurt zu entbinden.

 
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  • R. M.
    Da lobe ich mir die Mitarbeiterin die öffentlich das anspricht was in der Klinik schon seit vielen Jahren im Argen liegt. Nur Kostenminimierung und was noch so alles dazu gehört.
    Aber vielleicht hätte die Dame auch mal das Gesräch mit der Klinikleitung suchen sollen. Aber lieber Maul aufmachen als hintenrum ablästern. Bitte mehr solche Frauen und Männer .
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  • G. K.
    Nach meiner persönlichen Erfahrung machen die wenigsten Mitarbeiter so etwas, um ihrem Arbeitgeber zu schaden. Sondern weil sie keine andere Möglichkeit mehr sehen, auf anderem Wege eine Veränderung anzustoßen.

    Wer sich in seinem betrieblichen Umfeld nicht gehört fühlt, der greift dann eben auch mal zu anderen Mitteln …

    Ich glaube, dass sehr viele Firmen immer noch nicht verstanden haben, dass Kritik aus der Belegschaft nicht aus Böswilligkeit heraus entsteht, sondern die Situation insgesamt verbessern will.

    In agilen Modellen wie „Scrum“ zum Beispiel spielt das Feedback des einzelnen Mitarbeiters eine ganz zentrale Rolle und wird als überaus wertvoll erachtet – aber klassische, häufig tayloristische Strukturen sind von dieser Denkweise immer noch Lichtjahre entfernt.

    Bis das Kastenwesen der Unternehmensführung in diesem Land aufgebrochen sein wird, dürfte noch sehr viel Zeit vergehen …

    Ein Ruhmesblatt für das Management war DAS jedenfalls nicht!

    Hätte man anders lösen können ...
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  • H. E.
    Hmmm. "machen die wenigsten Mitarbeiter, um ihrem Arbeitgeber zu schaden.."
    Fraglich! Wer sich nicht gehört fühlt kann doch auch den AG wechseln?

    Zu Ihrer Einlassung zum Thema "„Scrum“ sei gesagt, dass das hier doch komplett daneben ist, denn es handelt sich um eine Methode des Projektmanagements und hier spielt der einzelne keine Rolle sondern der "Haufen"!

    Was bleibt den Betrieben denn anderes übrig als nach tayloristische Strukturen zu handeln?
    Das ist nicht Lichtjahre entfernt sondern der einzig richtige Weg mit den knappen Ressourcen Arbeitskraft, Energie, Verfügbarkeit von Betten, soziele Komponenten integrieren, etc. und den sehr bescheidenen Rahmenbedingungen umzugehen.
    Die Forderungen von Verdi beispielsweise werden zu was führen?
    Ihrer Meinung nach einen Arbeitskreis gründen, der sich überlegt, wen man entlassen soll damit das Unternehmen, die Klinik überlebt?
    Die Forderungen werden zu Entlassungen führen oder Schließungen!!! und da gibs keine Alternative!
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  • G. K.
    Zitat Mic_Ro: ‚Zu Ihrer Einlassung zum Thema "„Scrum“ sei gesagt, dass das hier doch komplett daneben ist, denn es handelt sich um eine Methode des Projektmanagements und hier spielt der einzelne keine Rolle sondern der "Haufen"!‘

    Au weia … wie lange haben Sie sich denn in Ihrem Leben mit der Materie beschäftigt? Da stimmt ja nix …
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  • S. O.
    Und ich persönlich erachte es nicht als "Verhängnis", dass ich Kommentare unter einem "kaum verschlüsselten Klarnamen" abgebe. Es ist ja nicht so als käme meine Meinung aus dem Nichts und ich stehe hinter ihr. Denn genau das sind die Kommentare für mich: eine Meinungsäußerung, die man nicht so sanktionieren darf.

    Und an Mic_Ro: Mir geht es hier nicht ums Geld und ich habe auch keine Probleme einen Job zu finden, ich habe zur Zeit einfach andere, mir auf persönlicher Ebene wichtige, Dinge, die meine Zeit erfordern. Und würden Sie mir all Ihre Unterstellungen auch ins Gesicht sagen?
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  • H. E.
    Ja, das würde ich, denn damit habe ich im Unternehmen die besten Erfahrungen gemacht! direkte Ansprache! Und es gab keinen Fall oder Punkt, der dann nicht geklärt werden konnte! Beide Seiten haben bzw. müssen in der derzeitigen Situation an einem Strang ziehen.
    Und sorry, wenn Sie auf auf persönlicher Ebene wichtige Dinge haben, dann ist das einem Arbeitgeber relativ egal. Solange der Betrieb ordentlich läuft und es vereinbar ist, mag das gut gehen, aber offensichtlich geht das nicht!
    Wenn Ihre Mutter 40 Jahre dort gearbeitet hat, kann auch der Laden nicht so schlecht sein...
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  • S. O.
    @Mic_Ro: Es gab nicht die letzten über 40 Jahre dieselbe Geschäftsführung. Daher kennen Beschäftigte, die den Vorgänger erlebt haben, noch eine andere Art der Führung und so gibt es eben Angestellte, die Jahrzehnte in dem Haus verbracht haben und jetzt eher am Ende ihres Arbeitslebens nicht mehr wechseln.

    Wer sagt Ihnen denn, dass ich mich mit Beschwerden, Änderungsvorschlägen etc. nicht an die Geschäftsführung und andere Stellen gewandt habe?

    Und meinen persönlichen Dingen wende ich mich jetzt eben "Vollzeit"zu, da ich aufgrund der Kündigung die Zeit habe, zuvor habe ich sie neben der Beschäftigung in der Klinik erledigt.
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  • S. O.
    Wenn Sie sich die Mühe machen und die betreffenden Kommentare lesen, dann sehen Sie, dass in den Kommentaren nur Kritik an der Geschäftsführung geübt wird und nicht am Haus an sich (bis auf die Entscheidung weiterhin Geburtshilfe anzubieten) und dass der Kommentar vom 17.06. eine Reaktion auf zwei von anderen Kommentatoren abgegebenen Beiträge ist.

    Da man aber vor allem mit Kollegen und Patienten zusammen arbeitet und nicht mit der Geschäftsführung, kann man, auch wenn man mit dieser unzufrieden ist, mit seiner eigentlichen Arbeit aber durchaus zufrieden sein ohne sich dabei den Mund verbieten lassen zu müssen.

    Und da ich die Betroffene bin, kann ich Ihnen versichern, dass ich mich mit der Klinik Kitzinger Land immer identifiziert habe, vlt. sogar mehr als manch anderer: ich bin dort geboren, bin Tochter einer dort über vier Jahrzehnte beschäftigten Pflegefachkraft und habe eben auch selbst dort gearbeitet. Und das Klima dort habe ich sicher nicht vergiftet.
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  • P. v.
    Nachtzuschlag fürs nichtstun???
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  • H. E.
    Mann muss sich schon die Frage stellen warum der Arbeitgeber hier noch zur Kasse gebeten werden soll?

    Wenn die Mitarbeiterin so unzufrieden ist und das auch öffentlich kommentiert, dann steht sie nicht zum Unternehmen und identifiziert sich nicht mit diesem!
    Warum geht sie nicht einfach von selbst?

    Das Unternehmen muss Schaden abwenden!

    Mit so einer Kollegin würde ich nicht mehr zusammenarbeiten wollen weil sie das Klima vergiftet und andere negativ beeinflussen würde!
    Zudem hat sie alle Möglichkeiten der Welt in der derzeitigen Situation sich sofort einen anderen Job zu suchen! Gerade in ihrer Branche sucht doch jeder!
    Es geht ihr nur um das Geld!

    Und gerade das wird jetzt zu ihrem Problem! Denn wer stellt so jemanden gerne ein und legt sich einen faulen Apfel in den Korb?

    Ich würde sagen: Eigentor!

    Der Arbeitgeber sollte Kante zeigen!
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  • M. F.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • M. K.
    Respekt vor dieser Dame! Endlich mal jemand der genau das sagt was im Argen liegt! Man kann nicht nur nicken! Aber leider haben wir von diesen Menschen viele. Vorne nicken und hintenrum schimpfen. Das sollte sich ändern, wäre mal ein Anfang! 👍
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  • P. S.
    Sowas kommt halt von sowas...
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