Wer häufig Sitzungen des Kitzinger Stadtrats verfolgt, kann sich eines Eindrucks nicht erwehren: Die mittlerweile neun politischen Gruppierungen, die darin vertreten sind, sprechen selten eine Sprache. Noch schlimmer: Sie können sich bei wichtigen Zukunftsfragen der Stadt oft nicht einigen. Anträge einzelner Gruppen werden häufig von der Mehrheit der anderen niedergestimmt. Als gönne man dem politischen Gegner keinen Erfolg.
In Wahlkampfzeiten entdecken viele Räte allerdings, dass sie letztlich für die Bürger arbeiten sollen und dafür von den Bürgern gewählt sind. Folglich werden in großem Aktionismus Themen aufs Schild gehoben, die seit Jahren, mitunter seit Jahrzehnten durchs Gremium geistern, ohne befriedigend abgearbeitet worden zu sein.
Zwei Beispiele für den aktuellen Aktionismus
Beispiel 1: Der Stadtrat weiß seit Jahren, dass die Große Kreisstadt keine angemessene Veranstaltungshalle hat. Alle Vorschläge, das zu ändern, sind gescheitert – unter anderem wegen der Kosten. Nun einigt sich das Gremium auf eine Zwischenlösung. Die kostet aber auch Geld: 510 000 Euro sind schon eingeplant; mindestens 300 000 Euro werden folgen. Damit hat Kitzingen längst noch keine Stadthalle. Das Geld soll gerade mal reichen, die Zeit bis zu einer dauerhaften Lösung zu überbrücken. Kann man machen. Wäre aber nicht notwendig, wenn der Stadtrat schon früher seine Verantwortung wahrgenommen hätte.
Beispiel 2: Der Stadtrat trifft sich demnächst in einem nichtöffentlichen "Workshop" zum Thema Wohnungsbau, weil eine offizielle Sitzung öffentlich hätte sein müssen. Dort will man sich unter anderem von Vertretern der Regierung anhören, welche staatlichen Förderprogramme es für sozialen Wohnungsbau gibt. Kann man machen. Den Zugang zu diesen Informationen hat der Stadtrat aber schon lange. Man hätte sich nur damit beschäftigen müssen.
Wenn nun endlich in wichtigen Fragen der Stadtpolitik etwas vorangeht, sind diese Spätzündungen im Rat trotzdem positiv. Aber vielleicht geht's beim nächsten Mal etwas früher.