Konzentriert sitzt Gerti Holl am Esstisch in ihrem Wohnzimmer in Mainsondheim (Lkr. Kitzingen). Sie schüttelt ein Einmachglas, gefüllt mit trüber Flüssigkeit. Vor ihr liegen Kastanien, einige sind zerhäckselt. "Ich versuche gerade Waschmittel herzustellen, ganz natürlich", sagt die 54-jährige Mutter. Ohne Plastikverpackung, ohne Chemikalien. Waschmittel aus Kastanien? Kein Problem, beteuert Holl. "Die Klamotten riechen danach neutral, man kann ätherische Öle für den Duft hinzugeben", sagt sie und schnuppert neugierig am Glas.
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Was nach "Öko" klingen mag, ist für Gerti Holl eine logische Folge des Klimawandels. So ist sie ständig auf der Suche nach umweltschonenden Lösungen. Tiere Schützen, CO2 vermeiden, Artenvielfalt ermöglichen. Holl ist leidenschaftliche Umweltschützerin und sieht sich als Teil einer Bewegung. "Wir haben nur diese eine Welt, deshalb müssen wir dringen alle etwas tun." Als Erzieherin versucht sie diesen Ansatz auch Kindern mit auf den Weg zu geben. Beispielsweise indem sie sie lobt, wenn das Pausenbrot nicht in Plastik verpackt ist.
"Ich versuche das auch durch meine Arbeit den Kindern mitzugeben"
Seit Jahren ist sie Mitglied in Umweltorganisationen und Tierschutzvereinen. Zum Geburtstag wünscht sie sich nur Spenden. Beispielsweise für den Regenwald. Doch mit ihren Bemühungen trifft sie nicht nur auf Zustimmung. "Natürlich gibt es auch Leute, die das übertrieben finden", so Holl. Doch da müsse man durch, wenn man etwas bewegen möchte. Und die Hoffnung, den Klimawandel noch ausbremsen zu können, hat sie nicht aufgegeben. "Ich versuche das natürlich gerade jungen Menschen mitzugeben", erklärt die Erzieherin.
Holl betont, dass sie selbst nicht fehlerfrei sei. Auch sie ist sich über eigene Schwächen im Klaren. "Ich bin in meinem Leben schon viel zu oft geflogen", sagt sie beispielhaft. Dennoch ist sie überzeugt: Jeder kann etwas tun. "Bevor ich nichts mache, leiste ich wenigstens einen kleinen Beitrag." Das sei eine Einstellungssache. Wie sie dem Klimawandel konkret entgegentreten will und welche Tipps es zudem gibt, lesen Sie in folgenden Abschnitten.
Richtig einkaufen und essen
Gerti Holl ist seit 30 Jahren Vegetarierin. Aktuell versucht sie gelegentlich vegan zu leben, auch wenn das manchmal anstrengend ist. Auf Fleisch zu verzichten fällt ihr indes nicht schwer, seit dem sie sich mit Massentierhaltung beschäftigt. "Wer es nicht schafft, vegetarisch zu leben, der kann wenigstens bewusster und seltener Fleisch essen", empfiehlt Holl. Dadurch könne der CO2-Ausstoß, der bei Haltung und Produktion anfällt, deutlich verringert werden. Zur umweltschonenden Ernährung gehöre laut Holl auch das richtige Einkaufen. "Wenn möglich kaufe ich nur noch Lebensmittel aus der Umgebung ein." Dabei achtet sie auch auf die Verpackung.
Tipp: Saisonal und regional einkaufen. Das Bundeszentrum für Ernährung empfiehlt beispielsweise, Rote Beete am Anfang und Ende des Jahres und Erdbeeren nur in den Sommermonaten zu kaufen. Außerdem muss es nicht unbedingt die importierte Banane sein. Wenn möglich unverpackte Ware kaufen oder eben Glas statt Plastik wählen. Zum Einkaufen immer einen Rucksack oder eine Baumwolltasche mitnehmen anstatt eine Plastiktüte zu kaufen.
Richtige Mülltrennung will gelernt sein
Die richtige Müllentsorgung gehört für Gerti Holl zum Alltag dazu. "Ich versuche, den Abfall so gut es geht zu trennen." Viele Abfälle könnten durch eine falsche Entsorgung nicht wiederverwertet werden. Das läge häufig alleine am fehlenden Wissen der Menschen. So komme es nicht selten vor, dass die 54-Jährige sogar eine einzelne Pralinenverpackung auseinander pfriemelt, um ein Recycling der verschiedenen Materialien optimal zu gewährleisten. "Auch im Kleinen sind oft unterschiedliche Materialen, die man trennen muss."
Tipp: Müll so gut es geht vermeiden. Biomüll, wenn möglich, komplett auf einen Komposthaufen werfen. Wer einen Tetrapack wegwirft, sollte den Verschluss abschrauben. Grundsätzlich rät das Umweltbundesamt zur Nutzung von Produkten, die nicht aufwändig verpackt sind. Dies mache auch eine eindeutige Müllentsorgung einfacher.
Was man bei der Kleidung beachten sollte
"Ich versuche nur das zu kaufen, was ich wirklich brauche", sagt Gerti Holl. Dabei trage sie die meisten Klamotten so lange, bis sie ihren Geist aufgeben. Auch wenn ihr Mann darüber manchmal schimpft. Natürlich habe auch Holl schon "Billigklamotten" eingekauft. "Das bereute ich dann aber immer", sagt sie und begründet dies mit einer mangelnden Qualität und schlechten Herstellungsbedingungen.
Tipp: Klamotten möglichst lange nutzen. Beim Einkaufen möglichst auf "fairtrade" achten und in Secondhand-Läden gehen, um die Nachhaltigkeit zu fördern. Alte Kleider nicht wegschmeißen, sondern an Altkleidersammlungen geben. Der Naturschutzbund Deutschland empfiehlt außerdem, Kleidung bei maximal 40 Grad zu waschen und die Waschmaschinentrommel vollständig zu befüllen, um einen erhöhten Energieverbrauch zu vermeiden.
Wie kann ich umweltfreundlich mobil sein?
Da Autoabgase große Umweltverpester sind, versucht die Erzieherin möglichst viel Fahrrad zu fahren. "Auf die Arbeit sind das einfach 8,5 Kilometer. Auch im Winter", sagt Holl. Nur bei Glatteis oder Regen verzichtet sie auf den Drahtesel. "Dann fahre ich mit dem Elektro-Auto", so Holl. Dass auch E-Autos in die Kritik geraten sind und eine Diskussion über schädliche Akkus entfacht ist, trifft die Mainsondheimerin. "Das hat mich echt schockiert, als ich davon hörte. Jetzt bin ich mir natürlich auch nicht mehr sicher, was richtig ist."
Tipp: Wenn möglich auf das Auto verzichten und zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren. Ansonsten Fahrgemeinschaften gründen oder öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gibt trotz kontroverser Diskussionen an, dass ein heute gekauftes Elektroauto "aus Klimagesichtspunkten besser als ein verbrennungsmotorisches Fahrzeug abschneidet". Berechnungen zeigten, dass ein Elektrofahrzeug, das 2025 neu zugelassen wird, über seinen Lebensweg 32 Prozent weniger CO2-Emissionen als ein moderner Diesel verursachen wird. Verglichen mit einem Benzinauto seien es sogar 40 Prozent.
Was bei Strom und Heizung wichtig ist
Gerti Holl hat auf ihrem Dach eine Photovoltaikanlage. Damit lädt sie ihr E-Auto – wenn möglich – nur dann wenn die Sonne scheint. Dann ist genügend eigener Strom vorhanden. "Im Winter ist es schwierig, alles mit Sonnenenergie zu machen", sagt sie. Da die Sonne dann für die Stromspeicherung nicht ausreicht, lädt sie das Auto vorzugsweise, wenn der Wind weht. "In dieser Zeit ist eben Überschuss im Netz vorhanden", erklärt Holl. Beim Heizen achtet sie vor allem darauf, nicht unnötig Energie zu verschwenden.
Tipp: Lichter und Geräte nicht unnötig einschalten. Elektronik ist nicht immer gefragt. Auch eine Brotmaschine mit Kurbel erfüllt den Zweck. Zum Heizen Türen und Fenster schließen. Auch ein dicker Pullover und flauschige Socken können Wärme spenden und Energieverbrauch reduzieren. Der Naturschutzbund Deutschland rät außerdem dazu, die Heizkörper nicht mit Möbeln oder Vorhängen zu verdecken. Diese Barrieren würden den Wärmefluss in den Raum verhindern und die Heizkosten erhöhen.
Wie der eigene Garten dem Klima hilft
Gerti Holl ist leidenschaftliche Gärtnerin. Zusammen mit ihrem Mann pflanzt sie Obst und Gemüse an. "Regionaler geht es ja nicht", sagt sie und nennt nur ein paar eigene "Produkte". So gehören beispielsweise Zucchini, Tomaten, Zwiebeln oder Salat zum Sortiment aus dem heimischen Garten. "Wir wollen den Garten möglichst naturnah gestalten", ergänzt Holl. Damit möchte sie einen geeigneten Lebensraum für Tiere schaffen. Es gehe nicht nur um Schönheit, sondern darum, die Artenvielfalt zu fördern. Einen alten Baumstumpf hat sie absichtlich stehen gelassen, um etwa Spechten einen Ruheplatz zu bieten.
Tipp: Eigens gepflanztes Obst und Gemüse schmeckt nicht nur frisch, es reduziert auch Lkw-Transporte und damit den Kohlendioxid-Ausstoß. Für den eigenen Garten empfiehlt der Naturschutzbund auch einen Kompost. Dafür sind Küchen- und Gartenabfälle wie Gemüsereste, Kaffee- und Teefilter, Eierschalen, Rasenschnitt oder Ernterückstände geeignet. Bei Regen sollte der Kompost abgedeckt werden, um Fäulnis zu vermeiden.
Haushalt: "Kochen mit Deckel"
Im Haushalt will Gerti Holl möglichst vieles lange verwenden und möglichst wenig Strom verbrauchen. Die elektrische Zahnbürste hat sie längst in eine hölzerne eingetauscht. Durch verschiedene Bücher holt sie sich Tipps und versucht beispielsweise Waschmittel oder Klarspüler selbst herzustellen. Und auch der Plastikverbrauch sei steuerbar. "Die letzte Plastiktüte habe ich vor fünf Jahren gekauft", sagt Holl.
Tipp: Die Verpackung von Klopapier muss nicht im Müll landen, sondern kann optimal als Abfalltüte genutzt werden. Selbstgemachter Klarspüler lässt sich aus 500 Milliliter Wasser und drei Esslöffeln Zitronensäure selber herstellen. Damit kann man wieder auf eine neue Plastikverpackung verzichten. Der Naturschutzbund hat eine weitere Empfehlung: Klingt banal, aber wer beim Kochen immer einen Deckel auf den Topf setzt, vermeidet einen erhöhten Energieverbrauch.
Chapeau!
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Manche Leute scheinen davon genervt.
Vernünftiges Handeln verspotten sie als „Umwelt-Hype“ und „Vorschriften“ sind ihnen ein Grundübel.
Das ist ein Ausflug in archaische Zeiten, vor Immanuel Kant, als ein unaufgeklärt-mystisches Weltbild noch als vorteilhaft für die Beteiligung an öffentlichen Debatten gelten durfte.
Damals half ein strenges Regime sozialer Normen und Kontrollen bei der Gestaltung des Tagesablaufes und zur Orientierung in Lebensfragen.
Im 21ten Jahrhundert gibt es diese Kontrollen kaum noch, tägliche Routinen dürfen wir in eigener Verantwortung selbst einrichten und die Freiheit der eigenen Lebensgestaltung gilt als Grundlage unserer bürgerlich verfassten Gesellschaft.
Zum Glück!
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Das Geschenk der Freiheit ermöglicht auch heldenhafte Dummheiten.
Solchem Heldentum hat Josef Hader ein Lied gewidmet.
www.youtube.com/watch?v=C5e6y2OBYuU
das so eine konsequente haltung nicht überall auf zustimmung stößt kann ich nachvollziehen.
Sie wollen es natürlich nicht verstehen, die Fr. Holl nützt natürlich moderne Technologien. Um die Umwelt zu schützen ist es ja nicht sinnvoll 60 oder 80 Jahre in der Zeit zurück zu gehen, sondern es ist natürlich viel sinnvoller moderne ökologische Produkte zu nutzen. Aber Sie wollen das natürlich nicht verstehen, sondern lästern lieber sinnfrei herum.