zurück
KITZINGEN
Kitzinger Museum: Es bleiben Fragezeichen
Ralf Dieter
 |  aktualisiert: 09.02.2024 18:59 Uhr

Die Entscheidung war deutlich. Und sie beendet eine Ära. Seit 125 Jahren gibt es in Kitzingen ein Städtisches Museum. Ab dem 29. Juni 2020 nicht mehr.

Das Museum bleibt dauerhaft geschlossen. Der Museumsbetrieb wird vollständig eingestellt. Die Verwaltung wird beauftragt, alle erforderlichen Maßnahmen zur endgültigen Abwicklung des Museums zu ergreifen. Das sind die Eckpunkte, denen am Donnerstagabend 21 von 30 Stadträten zustimmten. Einen Tag später erklären OB Stefan Güntner und Hauptamtsleiter Ralph Hartner die Hintergründe – und die weitere Vorgehensweise.

2007 ist das Museum im eigens dafür umgebauten „Kastenhof“ in der Landwehrstraße eröffnet worden. Viele Hoffnungen ging damit einher. „Die Hoffnung auf viele Besucher hat sich nicht bewahrheitet“, sagt Stefan Güntner. Obwohl – und das gesteht Ralph Hartner der Museumsleiterin Stephanie Falkenstein durchaus zu – einige sehenswerte Ausstellungen konzipiert wurden. Rund 23.000 Einwohner hat Kitzingen mittlerweile. „Mein Anspruch ist es schon, dass zehn bis zwanzig Prozent wenigstens einmal pro Jahr das Verlangen spüren, ins Museum zu gehen“, sagt Güntner. Tatsächlich kamen im Schnitt weniger Besucher pro Jahr. 2018 waren es von Januar bis zur Schließung im September rund 1100 – plus Schul- und Arbeitsgruppen zählten Falkenstein und ihre Team 1930 Gäste.

Die Einnahmen waren über Jahre hinweg übersichtlich, dem gegenüber standen Personal- und Betriebskosten, Abschreibungen und andere Ausgaben. „Pro Jahr mussten wir rund 250.000 Euro zuschießen“, erklärt Güntner. 2018 entschied der damalige Stadtrat, dass es so nicht weitergehen könne. Das Museum wurde vorerst geschlossen, Leiterin Stefanie Falkenstein beauftragt, ein neues Konzept vorzulegen. Die Historikerin lieferte. Im Januar 2019 erhielt jeder Stadtrat 120 Seiten mit drei Varianten. In zwei Sitzungen der Fraktionsvorsitzenden wurde das Konzept besprochen. „Wir haben uns ausführlich damit beschäftigt“, betont Güntner. Sein persönliches Fazit: „Das Konzept hat mich nicht überzeugt.“

„Die Hoffnung auf viele Besucher hat sich nicht bewahrheitet.“
Stefan Güntner, Oberbürgermeister

Was Güntner – und offensichtlich auch der Mehrheit der Stadträte fehlte: ein Alleinstellungsmerkmal. Ein Anreiz für die Kitzinger Bevölkerung, das Museum zu besuchen. „Auch im neuen Konzept war der größte Raum für archäologische Funde vorgesehen“, sagt Güntner. Ein Durchbruch sehe anders aus, ergänzt Hartner.

Er wird sich schon an diesem Montag mit Stephanie Falkenstein im Museum treffen, um die Übergabe des Museums zu regeln. „Es gibt noch viele Unklarheiten“, gibt er zu. Werden die Ausstellungsstücke ausgelagert? Kommen sie ins Depot im Dachboden? Was wird aufgehoben und was weggegeben?

In Professor Klaus Reder, Heimatpfleger und Leiter der Kulturabteilung im Bezirk Unterfranken will Hartner professionelle Hilfe anfordern. „Die meisten Objekte befinden sich im Besitz der Stadt“, sagt OB Güntner. Ob alle Objekte erhaltenswert sind, sei eine der Fragen, die es zu klären gilt. Eine Tendenz lässt sich aus seinen Worten heraushören. „Fünf Leiterwagen brauchen wir sicher nicht.“

Einige Leihgeber sind schon in den vergangenen Wochen auf die Stadt zugekommen und haben um die Rückgabe ihrer Objekte gebeten. Auch das wichtigste Artefakt, die Paul-Eber-Bibel, wird in Kürze abgeholt und ins Landeskirchliche Archiv nach Nürnberg gebracht. Falls das Museum doch irgendwann wieder einmal öffnet, könne die Bibel jederzeit wieder zurückgebracht werden, heißt es von dort.

Dr. Brigitte Endres-Paul muss bei diesen Worten lachen. Die Kulturreferentin ist nach eigenen Worten aus allen Wolken gefallen, als sie die Vorlage für die Stadtratssitzung erhalten hat. „Von einer dauerhaften Schließung war vorher nie die Rede gewesen.“ Sie habe in den vergangenen Monaten immer wieder versucht, das Thema anzusprechen, sei aber weder beim alten, noch beim neuen OB auf offene Ohren gestoßen. Endres-Paul befürchtet, dass dies erst der Anfang war, dass die Einnahmeverluste der Corona-Zeit nun vor allem auf dem Rücken der Kultur ausgetragen werden. „Für mich ist das der erste Axthieb gegen das kulturelle Leben in Kitzingen“, sagt sie.

Der Vorsitzende des Fördervereins des Museums, Professor Frank Falkenstein, will weiter kämpfen. So lange es noch Ausstellungsstücke im Museum gibt, wird es den Verein geben“, kündigt er an. „Und darüber hinaus.“ Jetzt gelte es, so wichtige Stücke wie den „Tucher-Schrank“, den Stadtplan von 1628 oder die Gemälde Sammlung zu bewahren. Das virtuelle Siedlungsgeschichtliche Modell kann sich Falkenstein im Landratsamt vorstellen, zeigt es doch die Entwicklung des gesamten Kreises seit der Steinzeit. Überhaupt habe das Städtische Museum in Kitzingen durchaus das Potenzial für ein Landkreis-Museum, meint er.

Vorerst wundert sich Falkenstein, dass die Stadt mit Professor Reder einen Volkskundler als Berater hinzuzieht. „Der richtige Ansprechpartner wäre eigentlich die Zentralstelle für nicht-staatliche Museen“, sagt er. Endres-Paul kann die Endgültigkeit der Entscheidung nicht fassen. „Ein großer Teil der Geschichte Kitzingens wird begraben.“ Sie befürchtet, dass weitere kulturelle Einrichtungen folgen. OB Güntner will die Vorwürfe so nicht stehen lassen. Die Kultur sei auch für ihn ein wichtiger Faktor im Leben der Stadt. Er habe bereits im April alle Abteilungen im Rathaus gebeten, mögliche Einsparpotenziale aufzuzeigen. „Natürlich auch die Kultureinrichtungen.“ Das heiße aber keinesfalls, dass er die Kultur in Kitzingen zerschlagen wolle. „So einen Gedankengang zu konstruieren, ist nicht fair.“

Seit 2018 geschlossen, ab sofort dauerhaft. Das Städtische Museum in Kitzingen wird abgewickelt.Fotos: Ralf DIETER
Foto: Ralf Dieter | Seit 2018 geschlossen, ab sofort dauerhaft. Das Städtische Museum in Kitzingen wird abgewickelt.Fotos: Ralf DIETER
Das Archiv bleibt geöffnet, die Öffnungszeiten fürs Museum sind ab sofort hinfällig.
Foto: Ralf Dieter | Das Archiv bleibt geöffnet, die Öffnungszeiten fürs Museum sind ab sofort hinfällig.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Kitzingen
Ralf Dieter
Brigitte Endres-Paul
Bürgermeister und Oberbürgermeister
Fördervereine
Museumsleiter
Professoren
Stadtpläne
Stadträte und Gemeinderäte
Stefan Güntner
Städte
Unterfranken
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Veraltete Benutzerkennung
    Welches Museum oder welche Kultureinrichtung ist schon „wirtschaftlich“ tragbar oder erwirtschaftet sogar ein finanzielles Plus?
    Soweit mir bekannt ist, sind ziemlich alle kulturellen Einrichtungen ein „Minusgeschäft“ für eine Gemeinde/Stadt.
    Es muss jedoch im Sinne aller Bürger, sowohl der vergangenen Generationen als auch unserer Kinder & Enkelkinder sein, die Vergangenheit zu bewahren und dies in die Zukunft weiterzutragen.
    Alle Dinge an „finanziellen Maßstäben“ zu messen finde ich persönlich viel zu kurz gedacht. Kitzingen ist sicherlich keine „reiche“ Stadt, sollte sich aber ein Museum leisten können. Wir finanzieren in Volkach unsere Barockscheune - unser Heimatmuseum - mit sehr überschaubaren Besucherzahlen, mit einem Minusbetrag im Verwaltungshaushalt ohne Investitionen mit jährlich 15.000,-- € bis 40.000,-- €. Das sollte uns Kultur & Erinnerung wert sein !
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten