
Sie haben viel Zeit investiert, viele Hürden überwunden und etwas Großes bewerkstelligt: Sie haben die Kitzinger Schullandschaft um eine alternative Schulart ergänzt. Eva Köpf, Annika Reith-Herrmann und die übrigen Mitglieder der „Montessori Kitzingen gGmbH“ freuen sich auf die Eröffnung ihrer Montessori-Grundschule im September, die so gut wie sicher ist.
Eingerüstet bis zum Dach, aus dem Inneren dringen Bohrgeräusche, es riecht nach Beton und Putz: Noch ist die künftige Grundschule eine Baustelle. „Aber wir geben Gas“, sagt Horst Erbshäußer, Architekt im Innopark. Rund 200 Meter oberhalb der Innopark-Haupteinfahrt, direkt an einer riesigen Streuobstwiese, entsteht aktuell die Montessori-Grundschule Kitzingen. Und zwar in einer ehemaligen Fahrzeughalle, deren Stahlträger-Konstruktion der markante Blickfang an der Decke des großen Gruppenraums bleiben wird.
„Die Halle mit großen, bodentiefen Toren ist Anfang der 30er Jahre gebaut worden“, informiert der Architekt. Nach einigen Nutzungsänderungen stand der hohe, eingeschossige Bau in den damaligen Larson-Barracks im Westen Kitzingens leer. Ursprünglich wollten die Gesellschafter ihn abreißen, doch bei näherer Betrachtung „entstand eine gewisse Liebe zu dem historischen Gebäude“, stellt Horst Erbshäußer fest.
Lernen unter Obstbäumen
Mieter des Hauses wird künftig eine gemeinnützige GmbH sein: die „Montessori Kitzingen gGmbH“. Deren Geschäftsführerin Annika Reith-Herrmann erklärt: „Für unsere Zwecke ist die Situation im Innopark ideal.“ Die Infrastruktur und die Lage seien super und die geräumige Halle mit rund 250 Quadratmetern entspreche gut dem Konzept der offenen Lerngruppen. „Und dann haben wir hier auch die Möglichkeit, quasi reinzuwachsen, denn auf lange Sicht wollen wir auch eine weiterführende Schule etablieren und eine Kindertagesstätte.“ In der Umgebung sei genügend Platz für die Umsetzung dieser Pläne vorhanden.
„Die Streuobstwiese nebenan soll ein grünes Klassenzimmer werden“, stellt Eva Köpf fest. Annika Reith-Herrmann formuliert es so: „Es ist toll, dass man in Kitzingen so einen grünen Platz findet!“ Von Seiten der Innopark-Betreiber sei zudem ein ganz klares Signal gekommen, dass Kinder einfach dazugehören. „Das alles hat uns die Standort-Entscheidung leicht gemacht.“
24 Kinder pro Lerngruppe
Mit zunächst zwei Klassen – in der Montessori-Pädagogik heißen sie Lerngruppen – soll die Grundschule im September eröffnen. „Wir nehmen maximal 24 Kinder pro Lerngruppe auf“, informiert Eva Köpf. „Vom Interesse her hätten wir locker doppelt so viele Gruppen bilden können.“ Doch zum Start ist die Schule erst einmal auf maximal 50 Kinder ausgelegt, mit dem entsprechenden Fachpersonal von je zwei Lernbegleitern (Lehrern) pro Gruppe. „Einigen Eltern mussten wir absagen, was uns sehr leid getan hat, aber wir können aktuell zum Beispiel noch keine Viertklässler aufnehmen“, so Köpf. „Zum Glück wissen wir, dass wir nicht auf ewig Absagen aussprechen müssen, sondern dass wir wachsen wollen.“
Mittelfristig sei die Grundschule für vier Gruppen gedacht, also 96 Kinder. Nebst Kindergarten und weiterführender Schule könnte ein komplettes Montessori-Bildungshaus entstehen, in dem junge Menschen bis zur zehnten Klasse lernen.
Ganz wichtig ist dem Träger, dass Kinder aller Bevölkerungsschichten Zugang zur Montessori-Schule bekommen sollen. „Wir wollen keine Eliteschule sein“, stellt Annika Reith-Herrmann klar. Alle Kinder seien willkommen, auch körperbehinderte und hochbegabte. Da es sich um eine Privatschule handelt, für die Schulgeld fällig wird, ist die Sache mit dem niederschwelligen Zugang freilich eine Herausforderung. „Wir möchten ein Patenschaftssystem etablieren, das es auch einkommensschwächeren Familien ermöglicht, ihre Kinder zu uns kommen zu lassen“, sagt Reith–Herrmann. „Außerdem ist das Schulgeld nach Einkommen gestaffelt und steuerlich absetzbar.“
Regierung prüft noch
Über 30 Kinder sind für das Grundschuljahr 2022/23 schon angemeldet. „Wir haben nur noch wenige Plätze bei den Zweitklässlern frei“, weiß Annika Reith-Herrmann. Auch die nötigen Lehrkräfte sind gefunden, „ein guter Mix aus erfahrenen Montessori-Pädagogen und Quereinsteigern“. Nur die offizielle Zustimmung der Regierung von Unterfranken steht noch aus. „Die Regierung muss das pädagogische Konzept und die Lehrer genehmigen. Je ein Lernbegleiter pro Gruppe muss das 2. Staatsexamen für Grundschullehramt haben, um sicherzustellen, dass der Lehrplan eingehalten wird und der Wechsel an eine Regelschule immer möglich bleibt.“
Seitens der Regierung heißt es: „Das Prüfverfahren ist noch nicht abgeschlossen.“ Regierungssprecher Johannes Hardenacke betont, man stehe in engem Kontakt mit den Antragstellern. Nach großen Problemen sehe es aktuell nicht aus.
In der Pädagogik von Maria Montessori funktioniert Schule anders als im Regelbetrieb. Es geht deutlich freier zu, gibt keinen Frontalunterricht und keine klassische Benotung. Hauptaufgabe der Lehrkräfte ist es, den Kindern Lernmaterialien an die Hand zu geben, sie zu beobachten und beim individuellen, jahrgangsübergreifenden Lernen zu begleiten.
„Für uns und unsere Kinder ist das genau die richtige Schulform“, stellt Annika Reith-Herrmann fest. Die Diplom-Betriebswirtin, die Erfahrungen als IT-Projektleiterin und Führungskraft hat, arbeitet zusammen mit den anderen Eltern schon seit 2019 daran, Kitzingen zum Montessori-Standort zu machen. „Wir haben uns von einer langen To-do-Liste nicht abschrecken lassen.“
Der Lohn ihrer Mühen ist jetzt schon eindrucksvoll. Der große Lernraum unter den Stahlträgern ist lichtdurchflutet. Aktuell sind Handwerker dabei, die sanitären Anlagen einzubauen. Innopark-Architekt Erbshäußer ist fast täglich vor Ort und begleitet die Bauarbeiten. „Der Zeitplan ist straff, aber wir kriegen das hin.“ Im September soll aus der früheren Fahrzeughalle ein topmodernes Gebäude geworden sein, das sich dank Solaranlage und Luft-Wärmepumpe zu einem guten Teil selbst mit Energie versorgt.
Bei der Baustellen-Besichtigung spiegelt sich in den Gesichtern von Eva Köpf und Annika Reith-Herrmann erwartungsvolle Vorfreude wider – trotz jeder Menge Arbeit, die noch zu erledigen ist. Sie haben bereits etwas auf die Beine gestellt, was in der Großen Kreisstadt bisher einzigartig ist: eine alternative Schule.
Montessori Kitzingen
Träger: Aus dem im März 2020 gegründeten Verein Montessori Kitzingen ist eine gemeinnützige GmbH geworden: die Montessori Kitzingen gGmbH. Sie ist Trägerin der Schule. Geschäftsführer sind Annika Reith-Herrmann und Sigurd Herrmann, zum Orga-Team gehören zudem Eva Köpf, Carina Oelschläger, Michaela Theuerkauf, Katha Dreher und Verena Meierott. Der Verein soll als Förderverein bestehen bleiben.
Kontakt: mail@montessori-kitzingen.de, 0170/ 448 40 97



