Er ist in Kitzingen aufgewachsen. Seine Firma steht kurz vor dem Börsengang. Ertan Özdil will expandieren – und hat durchaus Interesse am Kitzinger Bahnhof.
Wie kam es dazu, dass Kitzingen ein Standort Ihrer Firma geworden ist?
Özdil: „weclapp“ wurde im hessischen Marburg gegründet. Als sich die Möglichkeit ergab, einen weiteren Standort zu eröffnen, spielten natürlich viele Faktoren eine Rolle. Kitzingen selbst ist eine schöne ruhige Stadt, hier lässt es sich gut leben und arbeiten. Kitzingen ist meine Heimat. Hier bin ich groß geworden. Hier leben hoch qualifizierte Leute, die weclapp braucht, um zu wachsen. Und die Nähe zur Universität Würzburg tut unserem Engagement in Sachen Forschung zu Künstlicher Intelligenz sehr gut. Unser Netzwerk schlägt hier Wurzeln. Privat und beruflich hätte es nicht besser kommen können.
Wie viele Mitarbeiter sind derzeit hier beschäftigt?
Özdil: weclapp hat derzeit insgesamt 83 Mitarbeiter in Marburg, Frankfurt und Kitzingen. Hier in Kitzingen sind es 29. Tendenz: steigend! Zurzeit bauen wir ein Nebengebäude am Standort in Kitzingen aus, um weitere 18 bis 20 Mitarbeiter einzustellen.
Ist es schwierig, geeignete Mitarbeiter für Ihre Branche zu finden?
Özdil: Wir stellen zwar Software her, aber wir brauchen dafür nicht nur Programmierer (lacht). Unter dem Dach der weclapp arbeiten Marketing-Experten, Support-Mitarbeiter, Softwareentwickler, Partnermanager, aber auch Designer und Forscher. Wir finden schnell Kolleginnen und Kollegen, weil wir mit unserer Teamkultur, unserem Gründer-Spirit, mit kleinen selbstorganisierten Teams und flachen Hierarchien auch einiges zu bieten haben. Unseren Mitarbeitern bieten wir von kostenlosem Müsli über Bio-Obst bis gutem Kaffee alles, was man für kreatives Arbeiten benötigt. Weil wir wachsen, sind wir auch immer auf der Suche: vom Azubi bis zum Profi.
Lässt sich das, womit Sie Geld verdienen, auch in einfachen Worten ausdrücken?
Özdil: Wir haben eine sogenannte ERP-Plattform entwickelt. Enterprise Ressource Planning (ERP) ist die strukturierte Bearbeitung von Geschäftsvorfällen mit Hilfe leistungsfähiger Software. Wenn Sie beispielsweise einen Onlineshop betreiben, dann können Sie vom ersten Moment, wenn Sie Kundendaten erhalten, bis zum Moment der Rechnungsstellung den gesamten Verkaufs- und Buchungsvorgang mit weclapp bearbeiten. Über eine Schnittstelle können Sie dann digital alle Unternehmensbuchungen an den Steuerberater übergeben. Dabei ist es egal, wo Ihre Mitarbeiter gerade sind, denn weclapp erreichen Sie überall, wo Sie Internetzugang haben. Sie sparen Zeit, Mühe und Papier. Wer bei uns Kunde wird, der kauft nicht sein ERP, sondern er mietet es. Inklusive der regelmäßigen Updates und Erweiterungen, die wir ständig weiterentwickeln.
Welche Firmen gehören zu Ihren Kunden?
Özdil: Insgesamt arbeiten über 3000 Firmen in 35 Ländern mit der weclapp-Lösung. Unsere Kunden haben in der Regel fünf bis 250 Mitarbeiter. Ein Teilbereich des ADAC arbeitet mit weclapp, aber auch Schöpfer Druck- und Werbetechnik in Reutlingen. Der Pharmavertrieb Cardimed BV mit Sitz in den Niederlanden kann europaweit mit weclapp an allen Standorten in sieben Sprachen arbeiten.
Was ist so spannend an der Entwicklung von Software? Und welche Herausforderungen kommen auf Sie zu?
Özdil: Das Aufregende an Software wie unserer ist, dass man damit Lösungen schafft. weclapp ist die Lösung für die Herausforderung der Digitalisierung, der sich jedes Unternehmen stellen muss. Aber damit ist es nicht genug: Die Anforderungen bauen aufeinander auf. Wollen Sie künftig effizient arbeiten, Kosten sparen, Margen vergrößern, müssen Sie als Unternehmer den technologischen Fortschritt nutzen. Wir sind gerade dabei, für unsere Kunden maschinelles Lernen nutzbar zu machen, ihnen einen digitalen Kollegen an die Hand zu geben, der auch samstagnachts eine Bestellung annimmt, prüft und bestätigt. Als kleines Unternehmen profitieren Sie enorm von neuester Technologie verpackt in ihrer täglich genutzten Software.
Sie wollen expandieren. Wie viele Mitarbeiter soll weclapp in drei Jahren haben?
Özdil: Ja, wir wollen und werden wachsen. In den nächsten Jahren könnten allein in Kitzingen durchaus 100 Arbeitsplätze entstehen. Der geplante Börsengang der weclapp in diesem oder im nächsten Jahr wird das Personalwachstum zusätzlich ankurbeln.
Wofür steht der Firmenname?
Özdil: We-clapp heißt so viel wie klatschen, abklatschen. Das ist genau das, was das Arbeiten mit weclapp ausmacht, nämlich vor allem Teamwork. Wir haben die Software für Teams entwickelt, weil wir überzeugt sind, dass ein Team, das mit Know-how, Leidenschaft und der richtigen Software zusammenspielt, unaufhaltsam und erfolgreich ist.
Das Gerücht macht die Runde, dass Sie der Stadt den Bahnhof abkaufen wollen. Was ist da dran?
Özdil: Wir wachsen gerade stark, auch am Standort Kitzingen. Inwieweit wir dann Flächen anmieten, wird derzeit überlegt. Wie in allen Unternehmen, in denen es möglich ist, sind derzeit die meisten Mitarbeiter im Homeoffice, so auch in Kitzingen. Bei den aktuellen Entwicklungen schauen wir bei der Raumplanung natürlich genau, was sinnvoll ist.
Kitzingen hat mit den ehemaligen Konversionsflächen große Flächen für Gewerbeansiedlungen geschaffen. Warum ist Ihre Firma nicht dort ansässig geworden?
Özdil: Für uns war und ist die Bahnhofsnähe ein entscheidendes Kriterium, um Fachkräfte nach Kitzingen zu bekommen. Viele neue Mitarbeiter, die wir rekrutieren, kommen aus dem Umland von Kitzingen oder aus dem Raum Würzburg. Die Bahnhofsnähe ist aus Gesichtspunkten der Erreichbarkeit ideal für uns. Sofern es bei unserem starken Wachstum noch möglich ist, wollen wir auch weiter in unmittelbarer Bahnhofsnähe wachsen. Aber auch andere Standorte sind in den kommenden Jahren durchaus eine Option.